Wagner und Wahnsinn: Der Franken-Tatort erzählt die Geschichte eines Lebensmittelskandals

Von links: Kriminalhauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), Kriminalhauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Kriminalkommissar Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) betrachten die Leiche von Katrin Tscherna (Katharina Spiering). Foto: BR/Hendrik Heiden/Claussen + Putz
Von links: Kriminalhauptkommissarin Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel), Kriminalhauptkommissar Felix Voss (Fabian Hinrichs) und Kriminalkommissar Sebastian Fleischer (Andreas Leopold Schadt) betrachten die Leiche von Katrin Tscherna (Katharina Spiering). Foto: BR/Hendrik Heiden/Claussen + Putz

Versuchte sich die ARD in der vergangenen Woche am Aufguss eines 25 Jahre alten US-Streifens, schaffte es der Sender, seinen Zuschauern am Sonntag einen originellen Krimi zu servieren. „Ein Tag wie jeder andere” vom Bayerischen Rundfunk ist spannend bis zur letzten Sekunde.

Die Story

Im Bayreuther Festspielhaus laufen die Vorbereitungen für Wagners „Walküre”, doch zwei Stunden vor Opernbeginn erschießt ein Anwalt im laufenden Prozess einen Richter. Dann flüchtet er. Genau eine Stunde später stirbt eine Universitätsmitarbeiterin. Wieder ist der Anwalt der Täter. Es gibt zunächst kein erkennbares Motiv, keine Verbindung zwischen dem Täter und den beiden Opfern. Wer wird das nächste Opfer sein? Die Kommissare Paula Ringelhahn (Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) ermitteln in einem rasanten Wettlauf gegen die Zeit, um ein nächstes Menschenleben zu retten.

Gesellschaftliche Relevanz

Ist hoch. Der Film beleuchtet die Lebensmittelindustrie. Bei einem Milchproduzenten gelangt Gift ins Futtermittel für die Kühe und damit in die Milch. Eine junge Frau, die schwanger ist, verliert deshalb ihr Kind. Der „Tatort” hat auch einen persönlichen Hintergrund. Die hochschwangere Frau des Drehbuchautors Erol Yesilkaya wäre fast an einer Lebensmittelvergiftung gestorben.

Regisseur Sebastian Marka verwandelt das tragische Ereignis in einen Thriller. Zur Deutschen Presseagentur sagte Marka: „Was wir essen, bestimmten wir selber – aber ist das wirklich so? Können wir uns da sicher sein?“

Klischeefaktor

Mittelhoch. Völlig ohne Stereotypen kommt auch dieser „Tatort” nicht aus. Selbstverständlich streiten sich die Ermittler. Irgendwie machen die das ja immer. Und selbstverständlich ist die Kommissarin sehr empathisch. („Ich will ein kleines Mädchen retten.”) und ihr Kollege ist das Superhirn („Wir können uns nicht erpressen lassen, langsam reicht mir deine Emo-Scheiße.”) Merke: Frauen denken gefühlig, Männer immer logisch. Willkommen in den Fünfzigern.

Absurdeste Szene

Während ihrer Jagd auf den Täter, sagt Kommissar Voss im Auto zu seiner Kollegin: „Wer vergiftete Lebensmittel in Umlauf bringt, sich danach aber selbst anzeigt und die Beweise gegen sich selbst liefert, darf in einem späteren Verfahren nicht verurteilt werden.” Welcher Drehbuchautor kommt auf so eine Idee? Es klingt unglaublich, stimmt aber tatsächlich, wie ein Blick in Paragraf 44 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches über Duldungs-, Mitwirkungs- und Übermittlungspflichten verrät.

Beste Rolle

Kaum ein Schauspieler hierzulande verkörpert schräge Charaktere so glaubwürdig wie Stephan Grossmann. In „Ein Tag wie jeder andere”, gibt der gebürtige Dresdener den ebenso intelligenten wie eiskalten Racheengel Martin Kessler. Wenn Kessler mit Glasauge und wirrem Haar hinter Gittern in seinem Rollstuhl hockt, dann erinnert das an Hannibal Lecter in „Das Schweigen der Lämmer”.

Fazit

Ein „Tatort”, der einige Überraschungen bereit hält. So ist nach etwa 40 Minuten der Täter tot und der Auftraggeber der Morde verhaftet. Trotzdem gelingt es Regisseur und Drehbuchautor die Spannung bis zum Schluss zu halten – und am Ende für eine überraschende Pointe zu sorgen. Wer „Ein Tag wie jeder andere” gestern verpasst hat, sollte ihn in der ARD-Mediathek anschauen.