Der Wahrheit nahekommen: Das sind die Kino-Highlights der Woche

Findet Elizabeth (Natalie Portman, links) Zugang zu Gracie (Julianne Moore), die sie in einem Film verkörpern soll? (Bild: Netflix/François Duhamel)
Findet Elizabeth (Natalie Portman, links) Zugang zu Gracie (Julianne Moore), die sie in einem Film verkörpern soll? (Bild: Netflix/François Duhamel)

Das Kino liebt sie, die Geschichten aus dem wahren Leben. Wenn etwas wirklich passiert ist, bekommt eine Filmhandlung oft gleich eine noch größere Ausdruckskraft. Hollywoods Hang, reale Ereignisse dramatisch aufzubereiten und - nicht selten - fiktiv auszuschmücken, macht Todd Haynes ("Vergiftete Wahrheit") in seiner neuen Regiearbeit "May December" mit satirischen Mitteln zum Thema. Im Zentrum des Geschehens: eine von Natalie Portman verkörperte Schauspielerin, die in das Leben einer Frau eintaucht, die vor vielen Jahren wegen ihrer Beziehung zu einem Minderjährigen ins Gefängnis wanderte. Bereits 2023 feierte die Tragikomödie ihre Weltpremiere beim Festival von Cannes.

Außerdem neu im Kino: "The End We Start From", ein Katastrophenfilm über eine frischgebackene Mutter, die mit ihrem Baby fliehen muss, und das biografische Politdrama "Golda - Israels Eiserne Lady", welches das Wirken der israelischen Premierministerin Golda Meir während des Jom-Kippur-Kriegs beleuchtet.

Die Schauspielerin Elizabeth (Natalie Portman) will sich auf ihre neue Rolle akribisch vorbereiten und taucht dafür in das Leben einer Frau, die einst für Schlagzeilen sorgte. Vor 23 Jahren hatte die damalige Mittdreißigerin Gracie (Julianne Moore) eine Affäre mit dem Siebtklässler Joe. Als diese aufflog, landete sie im Gefängnis, hielt den Kontakt zu ihrem jungen Liebhaber aber stets aufrecht. Nach ihrer Entlassung heirateten die beiden und gründeten eine Familie.

Elizabeth soll nun in einem Independent-Filmprojekt Gracie spielen und möchte so viel wie möglich über ihr Rollenvorbild in Erfahrung bringen. Gracie gibt ihr Einblick in das Leben mit dem inzwischen erwachsenen Joe (Charles Melton), auch wenn sie über den Besuch nicht gerade hocherfreut ist. Parallel zu den Gesprächen mit den Eheleuten befragt Elizabeth auch Verwandte und andere Beteiligte in der von den Medien ausgeschlachteten Skandalgeschichte. Ihre Anwesenheit bringt Gracies und Joes Alltag mehr und mehr durcheinander.

Wo hört Liebe auf? Wo fängt Missbrauch an? Kann beides nebeneinander existieren? "May December" - im amerikanischen Englisch bezeichnet der Titel eine Partnerschaft mit großem Altersunterschied - wirft heikle Fragen auf. Fragen, die seit Beginn der #MeToo-Bewegung eindringlicher diskutiert werden. Die Prämisse des Films hat etwas Kolportagehaftes. Todd Haynes nutzt sie allerdings, um ein vielschichtiges Bild zu zeichnen.

Daneben geht es auch um den Umgang Hollywoods mit wahren Geschichten: Welche Verantwortung tragen Filmemacher und Schauspieler, wenn sie von echten Personen erzählen? Welche Grenzen hat die Darstellungskunst? Und inwiefern kann man einen Menschen und sein Handeln überhaupt komplett entschlüsseln? Aus diesen Überlegungen entsteht eine zwischen Dramatik und Augenzwinkern pendelnde Tragikomödie, in der sich vor allem Natalie Portman und Julianne Moore austoben können.

Pandemie, Klimakrise und kriegerische Auseinandersetzungen: Es herrschen unruhige Zeiten. Zeiten, die die Zukunft immer unsicherer erscheinen lassen. Auch im Kino der vergangenen Jahre schlägt sich die Angst nachhaltig nieder. Untergangs- und Katastrophenfilme haben Hochkonjunktur, werfen düstere Panoramen auf die große Leinwand und bemühen dafür oft knallige Effekte. In eine etwas andere Richtung geht Mahalia Belo mit "The End We Start From", einer Romanadaption nach Megan Hunter.

Jodie Comer, international bekannt geworden durch die Fernsehserie "Killing Eve", verkörpert eine namenlose Frau, die in London von sintflutartigen Regenfällen überrascht wird. Ausgerechnet jetzt, da ein gravierender Notstand ausbricht, bringt sie ihr Baby zur Welt und muss mit diesem schon bald aus der britischen Hauptstadt fliehen. Als sie von ihrem Ehemann (Joel Fry) getrennt wird, beginnt eine gefährliche Odyssee durch ein schwer erschüttertes Land.

"The End We Start From" steht in der Tradition dystopischer Werke wie "The Road" (2009), einer Verfilmung des gleichnamigen Romans von Cormac McCarthy. Große Überwältigungsbilder interessieren Regisseurin Belo weniger. In den Fokus rückt sie die bedrückende Atmosphäre nach einer plötzlich hereingebrochenen Katastrophe, die wachsende Bindung der jungen Mutter zu ihrem Kind, allgemein die Emotionen der Figuren. Ein eher intimes Szenario also, das die Zuschauer aufwühlen will.

Die Dreharbeiten zu "Golda - Israels Eiserne Lady" begannen bereits im November 2021, also weit vor dem Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023. Angesichts der nach wie vor hochexplosiven Lage im Nahostkonflikt bekommt Guy Nattivs Kammerspiel über Golda Meir und ihre Entscheidungen während des Jom-Kippur-Kriegs jedoch zusätzliche Brisanz.

Das filmische Porträt der früheren israelischen Premierministerin (1969-1974) konzentriert sich auf eine kurze Spanne und findet auf zwei Zeitebenen statt. Einen Großteil der Handlung machen die fieberhaften Planungen aus, nachdem Ägypten und Syrien die Golanhöhen und die Halbinsel Sinai im Herbst 1973 überfallen haben. Golda Meir, von einer unter viel Make-up steckenden Helen Mirren dargestellt, muss mit ihren Kabinettsmitgliedern schnell Lösungen und Verteidigungsstrategien finden. Hilfe aus den USA gestaltet sich schwieriger, da der Watergate-Skandal gerade um sich greift. Als erzählerischer Rahmen des Politdramas dient die sogenannte Agranat-Kommission, ein Ausschuss, bei dem Meirs Agieren im dreiwöchigen Jom-Kippur-Krieg auf den Prüfstand kommt.

Obwohl sich "Golda - Israels Eiserne Lady" um einen bewaffneten Konflikt dreht, schwelgt der Film nicht in Kampfszenen. Vieles spielt sich stattdessen in Kommandozentralen und Innenräumen ab. Hin und wieder taucht Guy Nattiv zudem in das Privatleben der an Krebs erkrankten Premierministerin und Kettenraucherin ein. Helen Mirren, die für ihre Darbietung als Königin Elizabeth II. in "Die Queen" (2006) einen Oscar entgegennehmen durfte, erhielt für ihre Interpretation Golda Meirs einmal mehr viel Lob.