Wegen Unterstützung für „Wir sind mehr“-Konzert: AfD fordert Rücktritt von Steinmeier

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die rechte Gewalt in Chemnitz aufs Schärfste. (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte die rechte Gewalt in Chemnitz aufs Schärfste. (Bild: AP Photo/Markus Schreiber)

Die AfD fordert den Rücktritt von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Der Grund: Steinmeier hatte auf Facebook für das Konzert gegen Rechts „Wir sind mehr“ am Montag in Chemnitz geworben, bei dem auch die als linksextrem eingestufte Band Feine Sahne Fischfilet spielt.

Als Reaktion auf die rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz vergangene Woche finden sich heute mehrere deutsche Bands zu einem Gratiskonzert am Karl-Marx-Monument in Chemnitz zusammen. Damit soll ein Zeichen gegen Fremdenhass und rechte Gewalt gesetzt werden. „Wir veranstalten #wirsindmehr heute, um zu zeigen, dass wir gegen Rassismus, Neonazis und rechte Hetze sind. Wir sind für Menschlichkeit und Solidarität“, erklärte die Düsseldorfer Band Die Toten Hosen ihre Teilnahme. Außerdem sollen sowohl für die Familie des Mordopfers Daniel H. als auch für antirassistische Initiativen in Sachsen Spenden gesammelt werden.

Auch Bundespräsident Steinmeier (beziehungsweise sein Social-Media-Team) hatte die Veranstaltung auf Facebook geteilt.

In einem Kommentar schrieb das Presseteam Steinmeiers: „Der Bundespräsident ermutigt alle, die nach den erschütternden Ereignissen in Chemnitz ein Zeichen für Mitmenschlichkeit und gegen Fremdenfeindlichkeit setzen wollen. Am Dienstag erklärte der Bundespräsident: ‚Lassen wir uns nicht einschüchtern von pöbelnden und prügelnden Hooligans. Lassen wir nicht zu, dass unsere Städte zum Schauplatz von Hetzaktionen werden. Hass darf nirgendwo freie Bahn haben in unserem Land.’“

Die AfD reagierte empört auf Steinmeiers Werbung. „Steinmeier muß (sic) zurücktreten und vom Verfassungsschutz beobachtet werden“, postete AfD-Politiker Stephan Brandner auf seiner Facebook-Seite – und bezeichnete die Veranstaltung als „linksextremistisches Konzert“.

Der offizielle Grund für die Empörung der rechtspopulistischen Partei: Neben Bands wie Die Toten Hosen, Kraftklub oder K.I.Z tritt dort auch die Band Feine Sahne Fischfilet aus Mecklenburg-Vorpommern auf, die vom deutschen Verfassungsschutz als linksradikal eingestuft wird.

Feine Sahne Fischfilet und der Verfassungsschutz

Die Band rund um Sänger Jan „Monchi“ Gorkow kommt aus dem linksautonomen Milieu – und wird vom Bundesverfassungsschutz beobachtet. Zum ersten Mal wurde die Band im Verfassungsschutzbericht 2011 auf zwei Seiten thematisiert. Der Grund: 2010 hatte die Band vor einer angekündigten Demonstration der NPD ein Plakat mit der Aufschrift Club-Molli (eine Anspielung auf Molotowcocktails sowie das Getränk Club Mate) veröffentlicht – darunter war die Bauanleitung für einen Molotowcocktail zu lesen. Gorkow versteht die Aufregung durchaus: „Ich kann verstehen, wenn man das nicht lustig findet, wir haben es als Satire gesehen“, so der Sänger zum Magazin.

Bereits 2009 hatte die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ein Prüfverfahren wegen dem Song „Staatsgewalt“ eingeleitet. In dem Stück heißt es unter anderem: „Die Bullenhelme, die sollen fliegen / Eure Knüppel kriegt ihr in die Fresse rein! / Und danach schicken wir euch dann nach Bayern / Denn die Jungs sind geheilt von Polizei“. Indiziert wurde das Album „Backstage mit Freunden“, auf dem der umstrittene Titel enthalten ist, jedoch nicht.

Ein weiterer umstrittener Text ist im Stück „Gefällt mir“ zu finden: „Punk heißt, gegen’s Vaterland / Das ist doch allen klar / Deutschland verrecke, das wäre wunderbar!“, heißt es da etwa.

Die einzelnen Mitglieder, gab das Innenministerium von Mecklenburg-Vorpommern 2012 auf Anfrage von „Spiegel Online“ an, seien einschlägig bekannt: „Alle derzeitigen Bandmitglieder sind als Linksextremisten bekannt, einige von ihnen sind zudem durch linksextremistisch-motivierte Gewaltstraftaten wie Landfriedensbrüche, Körperverletzungen und gefährliche Körperverletzungen in Erscheinung getreten.“

Seit 2015 wird Feine Sahne Fischfilet nicht mehr im Verfassungsschutzbericht Mecklenburg-Vorpommerns erwähnt. Die Behörde hatte im Jahr davor einen Urheberrechtsprozess um die Nutzung eines Bandfotos verloren.

Die Band selbst definiert sich als antifaschistische Gruppe und ist für ihr Engagement gegen rechts bekannt. Ihr letztes Album „Sturm & Dreck“ aus dem Jahr 2018 kletterte bis auf Platz 3 der deutschen Albumcharts. Die Band selbst distanzierte sich inzwischen von „Staatsgewalt“, der sich auf ihrem Debüt findet. „Das spielen wir seit Jahren nicht mehr, weil es uns schlichtweg zu platt rüberkommt“, erklärte Sänger Monchi dem „Spiegel“.

Feine-Sahne-Fischfilet-Sänger Monchi kommentierte den AfD-Vorstoß in seiner Instagram-Story (Bild: Screenshot/Instagram)
Feine-Sahne-Fischfilet-Sänger Monchi kommentierte den AfD-Vorstoß in seiner Instagram-Story (Bild: Screenshot/Instagram)

Monchi kommentierte ein Foto von AfD-Politiker Brandner mit dem Rücktrittsgesuch an Steinmeier auf Instagram mit einem Songzitat der Band aus dem Song „Alles auf Rausch“: „Wenn wir sehen, dass ihr kotzt geht es uns gut.“

Nach dem Mord an einem 35-Jährigen in Chemnitz, der zu rechtsradikalen Ausschreitungen geführt hatte, bekundetet die Band in einem Posting ihr Beileid an die Familie des Verstorbenen. „Der Familie und den Freunden des in Chemnitz Ermordeten wünschen wir viel Kraft. Alle Menschen, die Messer ziehen und Leute aufgrund von Streitigkeiten abstechen, sind erbärmliche Arschlöcher. Wir verachten es zutiefst.“

Gleichzeitig verurteilte die Gruppe die Instrumentalisierung des Mordfalls seitens der Rechten: „Allen Leuten, die diese Scheisse (sic), die passiert ist, dafür nutzen um gegen Menschen zu hetzen und die eklige rassistische Stimmung anzuheizen, wünschen wir nichts weniger als die Pest an den Hals. Allen Wichsern, die 26 Jahre nach den Pogromen von Rostock-Lichtenhagen durch die Straßen ziehen und wieder Menschen aufgrund ihrer Herkunft oder Hautfarbe angreifen, verachten wir.“

Das Konzert „#Wirsindmehr“ findet am Montag, den 3. September, ab 17:30 Uhr beim Karl-Marx-Monument in Chemnitz statt. Der Eintritt ist kostenlos. Folgende Bands werden auftreten: Die Toten Hosen, Feine Sahne Fischfilet, Kraftklub, K.I.Z, Marteria & Casper, Nura und Trettmann.