Kommentar: Wenn weiße Männer sich profilieren wollen: Der rassistische Egoshooter Sommerpause

Carsten Linnemann, Clemens Tönnies und Wolfgang Kubicki (Bilder: dpa/Getty Images)
Carsten Linnemann, Clemens Tönnies und Wolfgang Kubicki (Bilder: dpa/Getty Images)

Die Sommerpause im Bundestag bedeutet eigentlich keine politischen Debatten, denn alle sind im Urlaub. Eigentlich sammeln sich in dieser Zeit die Tröpfchen des gerade noch so Interessanten, damit TV-Sendungen und Onlineformate sie danach zusammen zerreißen können. Nach dem politisch heißen Jahr ist das auch eigentlich dringend nötig.

Dass nebenbei Dinge passieren und die Welt nicht stehen bleibt, versteht sich von selbst. Aber immer mehr ungesättigte Egos finden sich ein, um endlich einen großen Moment der Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Keine Toleranz für Kindergärten, nur fürs Ego

CDU-Politiker Carsten Linnemann lässt in der “Rheinischen Post” folgende Bombe fallen: "Um es auf den Punkt zu bringen: Ein Kind, das kaum Deutsch spricht und versteht, hat auf einer Grundschule noch nichts zu suchen.“

Manche mögen sich vielleicht erstmal fragen: Wer ist das? Und viel wichtiger: Wieso kennt er Gesetze nicht, wo er doch im Bundestag sitzt? “Das Recht auf Bildung ist ein Menschenrecht gemäß Artikel 26 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen”. Eigentlich gibt es dazu nicht viel mehr zu sagen.

Aber Linnemann schafft damit etwas ganz Toxisches: Personen mit Migrationsgeschichte fangen an, sich auf Twitter zu verteidigen und ihren akademischen Weg zu preisen, als seien sie irgendwem irgendwas schuldig.

Damit ist das Hauptziel eigentlich auch erreicht: Nazis ächzen mit Linnemann, CDU in den Schlagzeilen, jeder weiß jetzt, wer Linnemann ist. Und die Betroffenen dieser rassistischen Aussagen ignorieren sie teils gekonnt, manche können das Gefühl des Angegriffenseins jedoch nicht verbergen und liefern sich damit aus. Passende Worte dazu findet die Landtagsabgeordnete Aminata Touré aus Schleswig-Holstein:

Fußball oder AfD-Tagung?

Einen weiteren Abgrund schafft Clemens Tönnies. Neben der Bestätigung, dass Fußball seinen Rassismus in diesem Jahrhundert wohl nicht mehr verlieren wird, lässt er mit seiner Aussage eine Horde jauchzender Aufmerksamkeitsloser aus Löchern kriechen, die man für zugeschüttet vermutet hätte. Tönnies hatte in einer Rede, ganz eigennützig, Steuererhöhungen, welche für den Klimawandel erhoben werden sollen, kritisiert.

Dafür instrumentalisiert er sich gleich einen ganzen Kontinent: Stattdessen solle man lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanzieren. "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren“. An Ekelhaftigkeit und Rassismus ist diese Aussage nicht zu übertreffen. Ich weiß nicht, in welcher Sphäre Tönnies schwebt, aber die afrikanische Wirtschaft würde sich ohne Ausbeutung durch die europäische weitaus schneller erholen. Der letzte Teil seiner Aussage bedarf ohnehin keinen Diskurs darüber, was daran zu verabscheuen ist.

Soziale Medien und Presse haben durch massive Kritik zumindest einen dreimonatigen Rückzug Tönnies’ erwirkt, aber in drei Monaten, da wird alles verziehen und vergessen sein. Auch, wer sich sonst noch dazu geäußert hat.

Der - beim Lesen dessen schlich sich Verwirrung in meinen Kopf - “Afrikabeauftragte” der Kanzlerin, Günter Nooke, hatte ein paar sehr populistische Worte für den Schalke-Aufsichtsratschef übrig. “Die von Tönnies angesprochenen Probleme wie das Verschwinden des Regenwalds und das Bevölkerungswachstum auf dem afrikanischen Kontinent sind real und darüber muss gesprochen und gegebenenfalls kontrovers diskutiert werden”. Oder auch kurz gesagt: Wie die CDU kurz vor der Sachsenwahl AfDler für sich zurückgewinnen möchte.

Klopf Klopf, Neokolonialismus

Der Regenwald wird insbesondere für unseren Profit gerodet. Die Rezession der afrikanischen Wirtschaft ist post- und neokolonialistisch bedingt. Und welche zu verachtende westliche Deutungshoheit schleicht sich bitte bei der Aussage ein, das afrikanische Bevölkerungswachstum kontrollieren zu wollen? In welcher Hierarchie sieht sich Herr Nooke bitte? Das hat kein weißer Mann aus der deutschen Politik zu bewerten, solange er von den Herrschaftsstrukturen profitiert.

Aber diese “politische Korrektheit”, die ist zu viel für den konservativen Mann mit Aufmerksamkeitsdefizit. Ein weiterer davon ist Wolfgang Kubicki, der die FDP beim Siegeszug der Populisten als Verlierer erahnt. Auch eklige Meinungen müsse man ertragen, sagte er gegenüber den Medien. “Die ziemlich drastische Aussage von Clemens Tönnies war nicht nur zulässig, sondern vielleicht auch notwendig, um auf ein Riesendilemma der selbst ernannten Klimaaktivisten hinzuweisen.”

Rassismus gegen den gesamten Kontinent Afrika, dem dabei jegliche Vielfalt abgesprochen wird, um gegen Fridays for Future zu schießen? Kein Problem für den Bundestagsvizepräsidenten. Weißer populistischer Mann unterstützt weißen rassistischen Mann. Sowas nennt man weiße Vorherrschaft mit zu vielen Zuhörern und Plattformen. Der populistische Schaden, den diese Egorassistenshow anrichtet, ist immens hoch. Stigmatisierung und Legitimierung von antiafrikanischem Rassismus, um eigene (politische) Interessen zu befriedigen. Und dabei versteht sich die FDP doch als freiheitlich.

Wer verliert?

In Kubickis Sinne: Eklige Meinungen gibt es in dieser Sommerpause zuhauf. Alle spiegeln die egoistische Instrumentalisierung der populistischen Politik wieder. Leidtragende sind wieder Marginalisierte, nur damit der kleine weiße politische Mann zwei Minuten Aufmerksamkeit erhält. Um Inhalte generell geht es nämlich gar nicht mehr.

Schlimm ist, dass diese Thematiken die Oberhand gewinnen. Man könnte diese Zeit auch für sinnvolle Diskurse und fürs Erarbeiten von Lösungswegen nutzen. Eine naive Vorstellung, das ist klar. Aber gerade in der Blase des politischen Nichts ist das mehr als gefährlich. Es bleibt zu hoffen, dass die Sommerpause nicht mehr dieser unerfreulichen Zwischenfälle birgt.