Darum ist "Westworld" die aktuell beste Serie

Wer dachte, die zweite Staffel von "Westworld" würde der ersten nicht das Wasser reichen können, sieht sich eines Besseren belehrt. Doch was macht die Serie so besonders?

Schon ist sie wieder vorbei, die zweite Staffel der HBO-Serie "Westworld". Wie das Finale von Staffel eins lieferte die Folge, die am vergangenen Montag (25. Juni) bei Bezahlsender Sky ausgestrahlt wurde, reichlich Antworten auf reichlich Fragen. Sie ließ aber auch genug von ihnen offen - und das ist gut so. Denn die dritte Staffel des ungewöhnlichen Genre-Mixes wurde bereits geordert - und das ist ebenfalls gut so. "Westworld"-Neulinge erfahren hier, warum sie der Show unbedingt eine Chance geben sollten. In einer gesonderten Spoiler-Ecke zum Schluss erfahren bereits begeisterte Hobby-Cowboys, warum die zweite Staffel sogar noch einen Tick besser war als die erste.

Die Vorlage stimmig ins 21. Jahrhundert gebracht

Ältere Semester unter den Serienjunkies werden sich daran erinnern, dass die Grundgeschichte von "Westworld" ganz und gar keine neue ist. Bereits im Jahr 1973 verfilmte Michael Crichton (1942-2008) sein eigenes Drehbuch über einen Western-Themenpark mit Robotern, die Amok laufen und beginnen, die Besucher zu meucheln. Im Grunde also "Jurassic Park" mit Killerandroiden und ein Stück weit Vorreiter für James Camerons (63) Kultfilm "Terminator", der den meisten wohl eher in Erinnerung geblieben sein dürfte. Doch die Serie nimmt diese in ihrer Gesamtheit recht simple Geschichte um Yul Brynner (1920-1985) als "Mechanischer Revolverheld" mit Mordlust und bindet sie in eine spannende Story ein, die existenzialistische Fragen aufwirft und die Opfer- und Täterrolle des Vorbilds geschickt umdreht. Denn wer ist eigentlich der Unmensch, wenn das künstlich erschaffene Kanonenfutter plötzlich beginnt, ein Bewusstsein zu entwickeln - und nicht mehr abgeknallt werden will?

Die Mischung macht's

Keine andere Serie bietet derartig unterschiedliche Schauwerte wie "Westworld". In einer Sekunde reitet man gemeinsam mit den Outlaw-Robotern durch die Prärie, in der nächsten gibt es im parkeigenen Labor Sci-Fi-Kost par excellence zu bestaunen. Egal, wo man sich gerade befindet, das Oberstübchen wird gefordert, ganz selten überfordert. Staffel zwei fügt dem sogar noch eine weitere "Welt" hinzu, was angesichts all dieser unterschiedlichen und aufwendig inszenierten Settings die Frage aufwirft, wie sich die Macher das nur alles leisten können. Dem Zuschauer darf das selbstredend herzlich egal sein, bekommt er schließlich die aktuell vielleicht schönste Serie präsentiert, die in ihrer Optik jedem Hollywood-Kinofilm gerecht würde.

Die Kunst, eine Maschine zu spielen

Ein Großteil der Hauptprotagonisten in der Show sind Roboter. Ihnen dabei zuzusehen, wie sie sich ihrer eigenen Existenz bewusst werden und sich gegen die Menschen auflehnen, bietet gewaltige Möglichkeiten, sich schauspielerisch auszuzeichnen. Evan Rachel Wood (30) etwa, die sich von der naiven Farmerstochter hin zum blutrünstigen Racheengel entwickelt. Oder Thandie Newton (45), die sich auf die Suche nach ihrer Tochter aufmacht, die sie buchstäblich in einem anderen Leben einst hatte. Und nicht zu vergessen die beiden Hollywood-Legenden Ed Harris (67) und Sir Anthony Hopkins (76), die sich nun schon über zwei Staffeln hinweg ein garstiges Katz-und-Maus-Spiel liefern. Das Ensemble von "Westworld" sucht seinesgleichen. Und das muss es auch, um die verzwickten Story-Verläufe glaubhaft darzustellen. Was uns zum nächsten Punkt bringt.

Twist it, Baby

Wenn eine Serie von J.J. Abrams (51) produziert und aus der Feder von Christopher Nolans (47) Bruder Jonathan (42) stammt, dann sind Plot-Twists an der Tagesordnung. Beide Staffeln hatten davon reichlich, in beiden begeht die Serie aber nicht denselben Fehler wie bei dem Paradebeispiel "Lost", sich darin komplett zu verrennen. Die Serie regt zum Nachdenken an, sie nimmt ihre Zuschauer ernst, verlangt aber auch, dass man sich nach dem Schauen mit ihr beschäftigt. Was uns schließlich zur Spoiler-Sektion führt. Wer die zweite Staffel von "Westworld" noch nicht komplett gesehen hat (von der ersten ganz zu schweigen), sollte sich den folgenden Abschnitt besser aufsparen.

SPOILER: Staffel zwei ändert rückwirkend Staffel eins

Der größte Twist in der ersten Staffel von "Westworld" war die späte Erkenntnis, dass nicht eine, sondern zwei Zeitebenen erzählt werden und der rechtschaffene William (Jimmi Simpson) dieselbe Person wie der diabolische "Mann in Schwarz" (Ed Harris) ist. Doch die zweite Staffel schaffte es nun sogar, dem Gezeigten aus den ersten Folgen erneut eine andere Wendung zu geben, die aber durchaus plausibel ist. Es kommt heraus, dass der Park nur ein Vorwand ist und in Wirklichkeit, die Besucher ohne ihr Wissen als Versuchskaninchen benutzt werden. Nicht die "Hosts", also die Roboter sollen immer menschenähnlicher werden, das übergeordnete Ziel soll es sein, den menschlichen Verstand in den künstlichen Körper zu transferieren - und so ewiges Leben zu ermöglichen.

Zudem wird klar, dass Ford (Hopkins) die Revolte der Maschinen am Ende der ersten Staffel nicht initiiert hat, um sich an den Personen zu rächen, die ihm den Park wegnehmen wollen. Sein finales Ziel war es vielmehr, seiner Kreation die Flucht aus dem Park zu ermöglichen. Neues zu bieten und gleichzeitig der Vorgängerstaffel nachträglich eine stimmige Wendung zu geben - das macht die zweite Staffel zu etwas ganz Besonderem. Und macht mit dem finalen Haken, den die Story schlägt und andeutet, dass William alias der "Mann in Schwarz" selbst nur eine künstliche Testperson ist, jetzt schon Lust auf Staffel drei.

Foto(s): Sky/HBO