Wie gehen Buchhandlungen in Deutschland mit rechter Literatur um?

Dass die AfD als einzige Partei noch immer keinen Vertreter in der Position des Bundestagsvizepräsidenten stellt, ist ein gutes Beispiel für den Umgang mit den Rechten in Deutschland. Sie besetzen längst wichtige Positionen und lassen sich nicht mehr ignorieren, doch viele versuchen genau das. Darüber, ob man ihre Bücher im Sortiment haben sollte oder nicht, herrscht auch in der Buchbranche Uneinigkeit.

Auf der Leipziger Buchmesse werden auch Bücher von rechten Verlagen präsentiert. (Bild: Getty Images)
Auf der Leipziger Buchmesse werden auch Bücher von rechten Verlagen präsentiert. (Bild: Getty Images)

Ende des vergangenen Jahres sagte die Autorin und “Spiegel”-Kolumnistin Margarete Stokowski eine ausverkaufte Lesung in der Münchner Buchhandlung Lehmkuhl ab. Sie begründete ihre Absage mit einem zu dieser Zeit dort aufgestellten Themenregal mit “Büchern von rechten und rechtsextremen Autor*innen und aus dem Antaios-Verlag.” Aus ihrer Sicht trage ein solches Angebot zur Normalisierung rechten Denkens bei und spüle zudem Geld in die Kassen rechter Autoren und Verlage.

“Wer sich mit Rechten beschäftigt, muss wissen, was sie denken”

Argumente, die der Lehmkuhl-Geschäftsführer Michael Lemling so nicht nachvollziehen kann. “Wer den Antaios-Verlag wirklich unterstützen will, der kauft direkt dort ein. Sobald ein Buchhändler dazwischen kommt, verringert sich ja seine Gewinn-Marge”, so Lemling zu Yahoo Nachrichten. Zudem würden bei Lehmkuhl so wenige Bücher aus diesem Verlag verkauft, dass die Umsätze marginal seien.

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Der viel wichtigere Punkt für ihn ist folgender: “Wenn man sich mit den neuen Rechten beschäftigt, muss man eben auch wissen, was sie denken.” Ihm gehe es nicht darum, rechtes Denken zu befördern, sondern die Auseinandersetzung mit rechtem Denken zu befördern. Das habe er mit der thematischen Herausstellung von rund 50 Büchern erreichen wollen, die sich mit den Themen der Neuen Rechten beschäftigt hätten. Darunter fünf Bücher, die er dem neurechten Spektrum zuordnet.

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Thilo Sarrazin gehörte da dazu mit seinem Buch “Feindliche Übernahme”, das es im vergangenen Jahr an die Spitze der Bestsellerlisten geschafft hatte. Aber auch das ebenfalls vielgelesene und heftig diskutierte Buch “Finis Germania” von Rolf Peter Sieferle und “Mit Linken leben” von Caroline Sommerfeld und Martin Lichtmesz, die beide im Antaios-Verlag erschienen sind.

Der Antaios-Verlag auf der Leipziger Buchmesse. (Bild: Getty Images)
Der Antaios-Verlag auf der Leipziger Buchmesse. (Bild: Getty Images)

Hinter dem Antaios-Verlag steht Götz Kubitschek

Der Verleger des Antaios-Verlags ist Götz Kubitschek. Der Stratege der Neuen Rechten, den Kritiker gerne als “Salonfaschisten” bezeichnen, sieht sich selbst als Intellektuellen, der zum Beispiel dieses Buch geschrieben hat: “Deutsche Opfer, fremde Täter. Ausländergewalt in Deutschland.”

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“Letztlich ist es ja eine intellektuelle, argumentative Auseinandersetzung mit den Rechten. Die sind mitunter, obwohl man es ihnen nicht zugestehen mag, Rechtsintellektuelle. Das kann man nicht mit dem vergleichen, was früher vielleicht NPD-Aktivisten und -Funktionäre losgelassen haben“, so Lehling. Vor diesem Hintergrund empfindet er die Auseinandersetzung von linker, liberaler oder bürgerlicher Seite oft als “hilflos, weil man sich nicht wirklich mit denen beschäftigt.“

Wie Rechte denken, ist bekannt, sagt die Gegenseite

Ignoriert wird rechte Literatur hingegen von Thomas Schultze, der im Hamburger Schanzenviertel zwei Buchläden mit einem Kollektiv betreibt. “Wir haben solche Bücher weder vorrätig noch bestellen wir sie, falls Kunden wirklich einmal danach fragen”, so Schultze zu Yahoo Nachrichten. Neben Antaios zählt er auch den Kopp-Verlag zu jenen Verlagshäusern, denen seine Buchhandlung kein Forum bieten will. Wer die Website des Kopp-Verlags besucht, bekommt dort unter anderem dieses Buch angeboten: “1918 – Die Tore zur Hölle. Die verheimlichte Wahrheit über den Untergang des Deutschen Kaiserreichs.“ Und dann sagt Schultze genau das, was Lemling als die “Nazikeule” bezeichnet: “Ich denke, wir hatten von 1933 bis 1945 genug Zeit, deren Denke kennenzulernen. Insofern ist es recht müßig, sich auf solche neofaschistischen Sachen einzulassen und zu sagen, man muss die andere Seite auch noch darstellen.“

Immer mehr Publikationen beschäftigen sich mit der Thematik

Dass rechte Verlage mittlerweile auch auf Buchmessen selbstverständlich mit einem Stand vertreten sind, ist für Schultze das eine. Dass eine seiner Kolleginnen aber kürzlich auf der Leipziger Buchmesse am Eingang ihren Button mit dem Aufdruck “Verlage gegen rechts” abgeben musste, findet er geradezu “absurd”.

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In der Buchbranche glaubt niemand daran, dass sich das Thema irgendwann von selbst erledigt. Michael Lemling: “Wenn Sie sich die Verlagsproduktionen von ‚bürgerlichen Verlagen‘ im Frühjahr anschauen, da kommt ein Titel nach dem anderen, der sich mit dem Thema Neue Rechte auseinandersetzt. Das hat auch ganz viel mit der AfD zu tun und ist ein wichtiges Thema bei unseren Kunden.“

“Im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit” bietet Hugendubel auch Publikationen von rechten Verlagen an. (Bild: Getty Images)
“Im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit” bietet Hugendubel auch Publikationen von rechten Verlagen an. (Bild: Getty Images)

Hugendubel nimmt keine Wertung vor

Noch sieht sich Lehmkuhl mit seinem Angebot, das auch den Antaios-Verlag nicht ausschließt, als Ausnahme unter den Buchhandlungen. Und doch gibt es die Bücher des Verlags auch bei größeren Anbietern wie zum Beispiel Hugendubel. Dazu sagt die Unternehmenssprecherin Sophie von Klot gegenüber Yahoo Nachrichten: “Als eines der größten inhabergeführten Buchhandelsunternehmen Deutschlands sehen wir uns als neutralen und für alle Seiten fairen Vermittler von Inhalten. Im Sinne der Presse- und Meinungsfreiheit möchten wir alle Titel in unserem Sortiment anbieten, sofern diese nicht auf dem Index der Bundesprüfstelle stehen.” Das Unternehmen wolle keine Wertung vornehmen und unvoreingenommen das gesamte Meinungsspektrum abdecken. Thalia ließ eine Anfrage von Yahoo Nachrichten unbeantwortet, führt Titel des Antaios-Verlags aber auch in seinem Online-Shop.

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