"Wir werden sie jagen": Facebook-Seite sammelt menschenverachtende AfD-Aussagen
Eine neue Facebookseite unter dem Namen „Wir werden sie jagen“ publiziert seit einer Woche Aussagen von AfD-Politikerinnen und AfD-Politikern. Das Besondere: Die Zitate sind aufgemacht wie AfD-Postings, mit Deutschlandflagge und auf blauem Grund.
„Wir riefen Gastarbeiter, bekamen aber Gesindel.“ Diesen Satz veröffentlichte der Europapolitiker der AfD, Nicolaus Fest, im Jahr 2017 auf seiner Homepage. Er ist dort immer noch nachzulesen unter dem Eintrag „Menschenwürde und Logikbrüche“. Hervorgeholt und besonders in Szene gesetzt hat Fests Aussage diese Woche eine neu ins Leben gerufene Facebook-Seite: „Wir werden sie jagen“.
Dort werden seit dem 16. Oktober Aussagen von AfD-Politikerinnen und AfD-Politikern veröffentlicht. Und zwar im Stil der Partei selbst: Mit Deutschlandflagge, auf blauem Grund und mit Konterfeit der Zitate-Urheberin oder des Urhebers. Dazu ist noch ein kleines, nach rechts gekipptes, Haus in den Bildern zu sehen. Symbolisch „sehr treffend, für eine Partei wie Euch“, schreiben die Seitenbetreiber direkt an die AfD gerichtet.
Seitenbetreiberin, zumindest steht sie als Kontaktinformation auf Facebook, ist die Initiative „Hooligans Gegen Satzbau“. Sie versteht sich selbst als digitale Antwort auf einen zunehmenden Rechtsruck in der Gesellschaft. Die Mitwirkenden sind stets anonym.
Gegen das Vergessen
Das Ziel der Seite formulieren die Betreiber in einem angepinnten Erklärungspost: „Liebe AfD, liebe Landes- und Ortsverbände, liebe Bundestagsfraktion, sicherlich habt Ihr schon bemerkt, dass wir hier Eure Aussagen zu den verschiedensten Themen sammeln und grafisch aufbereiten. Es ist uns nämlich sehr wichtig, dass eben diese Aussagen inhaltlich und vor allem visuell mit Euch in Verbindung gebracht werden. Ihr propagiert ja den sogenannten Mut zur Wahrheit, deshalb möchten wir Euch ganz ohne Schlussfolgerung dabei unterstützen, eben diese Wahrheit noch bekannter zu machen.“
Die @AfD ist der parlamentarische Arm des Rechtsterrorismus.
Wir werden sie jagen. #MutzurWahrheit #ltwth19#ltwth#wwsjhttps://t.co/kpH6LzIP0s
Wie jetzt? Die Motive gibts als PDF-Download in DIN A3 Format? Bloß nicht runterladen und aufhängen!1!https://t.co/vHIzye2UGZ pic.twitter.com/vJw7CPO8eS— HoGeSatzbau (@hogesatzbau) October 21, 2019
Die Betreiber schreiben weiter, dass alle Aussagen mit Quellenangaben, die „den originalen Wortlaut nebst Kontext zeigen“, belegt seien. Manche Aussagen würden allerdings Schlagzeilen-tauglich gemacht und dafür grammatikalisch umgestellt, „ohne aber ihren Inhalt zu verfälschen“. Deshalb würden die Aussagen nicht als wörtliche Zitate kenntlich gemacht, sondern stellten vielmehr indirekte Zitate dar. Die Betreiber argumentieren, dass die Aktion somit von der Meinungsfreiheit gedeckt sei.
Tymczasem w Niemczech przedstawiciel @AfD chciałby zamykać w więzieniu za orientację seksualną. I tak, to jest ta partia wspominająca z utęsknieniem czasy faszyzmu. I tak, to oni są zapraszani do polskiej ambasady w Berlinie na debaty u pana Przyłębskiego 😇 @PLinDeutschland pic.twitter.com/Neyi09Z3g9
— Wojciech A. Proma, MSc (@WojciechProma) October 20, 2019
Reaktion auf Fakenews-Vorwürfe
Via Twitter reagieren die Hooligans gegen Satzbau zudem auf Fakenews-Vorwürfe aus dem AfD-Umfeld: „Wir hetzen nicht. Wir beleidigen nicht. Wir denken uns keine Aussagen aus. Alles was wir tun: Wir zeigen euch Aussagen der @AfD. mit entspr. Quellenangaben. Nicht mehr – nicht weniger.“
Wir werden sie jagen!https://t.co/kpH6LzIP0s@AfD #MutzurWahrheit#wwsj pic.twitter.com/A9brTUDdjk
— HoGeSatzbau (@hogesatzbau) October 16, 2019
Ein Artikel des Bayerischen Rundfunks hat sich diese Woche bereits mit der Seite beschäftigt. Darin kommt Christian Schicha, Professor für Medienethik an der Universität in Erlangen, zu Wort. Er bestätigt: Grundsätzlich handle es sich bei der Aktion nicht um eine klassische Fake-News Kampagne, da keine Falschinformationen verbreitet würden. Wenn alle Aussagen tatsächlich so von den AfD-Mitgliedern geäußert und korrekt wiedergegeben würden, so Schicha, sei die Aktion eindeutig von der Meinungsfreiheit gedeckt. Allerdings fehle dem Medienethiker eine zeitliche Einordnung – dass etwa das Zitat von Fest aus dem Jahr 2017 stamme.
Facebook-Seite schafft Diskussion um Gastarbeiter
Ein erster publizistischer Erfolg der Facebook-Seite Wir werden sie jagen ist ihr mit genau diesem Zitat gelungen. Seither teilen unter dem Hashtag #Gesindel zahlreiche Menschen, häufig mit Migrationshintergrund, den Beitrag. Viele schreiben über die Erfahrungen, die ihre Eltern oder Großeltern als Gastarbeiter in Deutschland gemacht haben und dass sie eben kein Gesindel seien.
Mein Vater hat über 30J hier gearbeitet. „Ohne ein Tag krank“ wie er immer sagt. Er hat seine Familie selbstständig ernährt, ihm wurde nichts geschenkt UND: Er wollte auch nichts geschenkt haben. „Danke Deutschland“ sagt er heute noch. Er ist kein Gesindel. Sie aber ein Rassist. pic.twitter.com/nktw53ZDem
— Serap Güler (@SerapGueler) October 22, 2019
Mein Vater und meine Mutter kamen 1963 nach Deutschland als "Gastarbeiter". Mein Vater hat hart bei Opel gearbeitet, sich nie beschwert. Meine Mutter machte später eine Schneiderei auf und beschäftigte auch eine Deutsche.
Sie haben viel für DE getan.
Sie sind kein #Gesindel pic.twitter.com/iMkwgBTsly— Ali Utlu (@AliCologne) October 22, 2019
Hallo Nicolaus Fest,
mein Vater hat 35 Jahre lang ehrenhaft in Deutschland gearbeitet. Sein Meister hat ihn Ali genannt, obwohl er anders hiess. Das hat er ihm nichtmal übel genommen, so tolerant war er.
Mein Vater war kein Gesindel,
Sie sind aber ein niederträchtiger Rassist! pic.twitter.com/dBR1xvKD9C— Tuncay Özdamar (@TuncayOezdamar) October 21, 2019
Mein Vater, Ahmet Secgin, kam 1962 in die #BRD,schuftete 42 Jahre (mehrere schwere Arbeitsunfälle) auf den Werften in #Hamburg,war nie arbeitslos,ging 2004 mit 65 Jahren ehrenhaft in Rente,starb 2019 mit 80 Jahren. @Nicolaus_Fest & das @AfD #Gesindel, SCHÄMEN SIE SICH! #AfD #WWSJ pic.twitter.com/gl8rMmQoz8
— Ufuk Secgin (@UfukLondon) October 22, 2019
1962 kam meine Großmutter aus der Türkei nach Deutschland als #Gastarbeiter sie arbeitet 35Jahre im städtischen Krankenhaus #Bielefeld ohne sie hätte es keine Zukunft für mich und meine Familie gegeben.Die #noafd steht auf der falschen Seite der Geschichte sie sind das #Gesindel pic.twitter.com/fTh53YJeXE
— Nuran David Calis (@nurandavidcalis) October 22, 2019
Auf eine Anfrage des Bayerischen Rundfunks teilte die AfD mit, dass sie derzeit prüfe, ob sie gegen die Facebook-Seite anwaltlich vorgehen werde.