Die Woche in Europa - Spanien übernimmt das Ruder und setzt einen klaren Kurs

Die Woche in Europa - Spanien übernimmt das Ruder und setzt einen klaren Kurs

Für die Europäische Union war diese Woche die erste unter spanischer Führung - das Land übernahm von Schweden die EU-Ratspräsidentschaft.

Das letzte Mal geschah dies 2010 unter José Luis Rodriguez Zapatero.

Die Ratspräsidentschaft hat keine formale Macht, aber sie legt die Tagesordnung fest und leitet die Debatten mit dem Ziel, einen reibungslosen Regierungsprozess zu gewährleisten.

Sie ist wie der Gastgeber eines Abendessens, der dafür sorgt, dass alle Gäste in Harmonie zusammenkommen - dass sie während des Essens ihre Meinungsverschiedenheiten austragen können, aber in gutem Einvernehmen und mit einem gemeinsamen Ziel wieder gehen.

Als eine Art Vorbereitung auf das Dinner besuchte die EU-Kommission diese Woche die spanische Regierung, um die Pläne für Madrids sechsmonatige Ratspräsidentschaft und alle Zutaten für ein verdauliches Mahl zu besprechen.

Nach den Worten von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ging es darum, sich auf die Zukunft vorzubereiten.

"Schauen wir Jahre in die Zukunft und versuchen uns vorzustellen, wie Europa aussehen wird. Können wir uns vorstellen, dass die EU ohne die Ukraine, ohne Moldawien, ohne den westlichen Balkan sein wird? Und diese Teile Europas unter dem Einfluss von Russland oder China stehen? Unmöglich. Die Richtung ist also klar. Und deshalb müssen wir jetzt über das Wie nachdenken."

Von der Leyen verwies auf eine mögliche EU-Mitgliedschaft der Ukraine, Moldawiens und des westlichen Balkans und stellt diese als ausgemachte Sache dar.

Das ist, gelinde gesagt, recht optimistisch.

Serbien und das Kosovo scheinen derzeit alles zu tun, um ihre Sache in Brüssel nicht voranzubringen; die Wirtschaft Moldaus scheint Lichtjahre von einer Konkurrenzfähigkeit im Binnenmarkt zu sein, und die Ukraine ist..., nun ja, die Ukraine....

Die EU bekräftigte ihre Unterstützung für das Land.

Pedro Sanchez, spanischer Ministerpräsident: "Unter spanischer Präsidentschaft werden wir die Ukraine weiterhin in allen Bereichen verteidigen, politisch, finanziell, militärisch und humanitär. Wir werden die Ukraine weiterhin auf ihrem Weg zum Beitritt begleiten und die Schritte beobachten, die die EU-Kommission in ihrem Herbstbericht machen wird."

Wichtiger für die Ukraine ist derzeit der NATO-Gipfel nächste Woche in Vilnius.

Das Treffen findet zu einem Zeitpunkt statt, an dem der Krieg angesichts der Gegenoffensive Kiews und der wachsenden Instabilität in Moskau in einer kritischen Phase ist.

Auf dem letzten Gipfel in Madrid bezeichnete das westliche Bündnis Russland als direkte Bedrohung und legte eine neue Strategie der Vorwärtsverteidigung zur Abschreckung russischer Aggressionen fest.

Ein Prozess, auf dem Vilnius aufbauen und weiterentwickeln soll.

Dazu ein Interview mit Ian Lesser, Vizepräsident des German Marshall Funds und sicherheitspolitischer Experte.

Euronews: Kein NATO-Gipfel ohne Gerede über eine Mitgliedschaft der Ukraine – wie sehen Sie die weitere Entwicklung?

Lesser: Ich denke, die Verbündeten werden alles tun, was politisch möglich ist, um die Ukraine in dieser Frage zu beruhigen. Aber ich wäre sehr überrascht, wenn sie über das übliche Mantra der offenen Tür hinausgehen würden. Die Erwartung, dass die Ukraine irgendwann Mitglied wird, usw. usw. Aber es gibt noch viel zu tun, um diesen Prozess zu beschleunigen. Und ich denke, die Verbündeten werden ihr Bestes tun, um sicherzustellen, dass dies die Botschaft ist, die vom Gipfel ausgeht.

Euronews: Das größte Thema auf dem NATO-Gipfel ist wohl die Mitgliedschaft Schwedens, die von der Türkei bis heute blockiert wird. Was wird geschehen und warum ist es so schwierig, die Türkei zum Einlenken zu bewegen?

Lesser: Nun, es gibt natürlich eine Reihe von Fragen, die den Türken sehr am Herzen liegen. Im Falle Finnlands ist es ihnen gelungen, sie zu regeln, im Falle Schwedens nicht. Es gibt immer noch einige Dinge, die ungelöst sind. Aber meine Vorhersage ist, und da bin ich etwas optimistisch, dass der wiedergewählte Präsident Erdogan zum Gipfel kommen und diese große Bühne nutzen wird, um eine positive Erklärung abzugeben. Ob er das rechtzeitig vor dem Gipfel schafft, ist ein offen. Aber wenn nicht, dann vielleicht schon kurz danach. Auf jeden Fall bin ich recht optimistisch.

Euronews: Nehmen wir an, Schweden wird eines Tages der NATO beitreten - das würde bedeuten, dass die gesamte Ostsee so etwas wie die Badewanne der NATO wird, da Finnland dem Bündnis schon früher beigetreten ist. Wie würde sich das auf die künftige Strategie der NATO auswirken?

Lesser: Es ist sehr, sehr wichtig für die Allianz, diese strategische Tiefe in einem kritischen Gebiet wie der Ostsee zu haben, insbesondere vor dem Hintergrund eines Krieges in Europa. Das ist ungeheuer wichtig. Und, wissen Sie, Finnland ist vielleicht der größte Beitrag zur Verteidigung in diesem Sektor. Aber auch Schweden würde einen sehr großen Beitrag leisten.

Euronews: Die Verbündeten haben das Mandat von Generalsekretär Jens Stoltenberg gerade um ein Jahr verlängert - Ihr Kommentar?

Lesser: Es kam nicht unerwartet. Es gab eine Reihe von möglichen Alternativkandidaten. Einige von ihnen werden sicherlich in einem Jahr wieder auftauchen. Vielleicht zusammen mit anderen. Aber ich denke, dass vor dem Hintergrund des Krieges eine sichere Hand am NATO-Ruder etwas ist, auf das sich die Verbündeten schnell einigen können. Das Bündnis ist eine Konsensorganisation. Und einen Konsens herbeizuführen, könnte die politisch schwierigste Frage von allen sein, wer die Organisation leiten soll. Keine einfache Debatte.