Yvonne Catterfeld: "Mein Sohn hat absolute Priorität"

Vor knapp drei Jahren hat Yvonne Catterfeld (37) ihren Sohn Charlie zur Welt gebracht. Dieses wichtige Ereignis hat nicht nur ihr Leben verändert, sondern auch ihre Sicht der Dinge. Als Mutter hatte Catterfeld plötzlich mehr Verantwortung als je zuvor. Plötzlich sah sie sich mit Themen wie Nachhaltigkeit, Intuition und Vergänglichkeit konfrontiert. All diese neuen Eindrücke hat sie auf ihrem neuen Album "Guten Morgen Freiheit", das sie mit ihrem neugegründeten eigenen Label herausbringt, verarbeitet. Im Interview mit spot on news spricht Catterfeld über ihre Definition von Freiheit und verrät, wie sie Kind und Arbeit unter einen Hut bringt.

Yvonne, Sie haben jetzt Ihr eigenes Label. Wie fühlt sich das an?

Catterfeld: Sehr gut. Es ist herrlich, alles selbst in der Hand zu haben, vor allem wenn das, was ich mache, meine Handschrift tragen soll. Wenn einen keine fremden Stimmen mehr irreführen und man ganz auf seine Impulse vertrauen und hören kann, macht es umso mehr Spaß. Und es fühlt sich am Ende alles richtig an, weil jede einzelne Entscheidung aus dem Bauch herauskommt.

Hören wir jetzt also erstmals die echte Yvonne Catterfeld?

Catterfeld: Man verändert sich ja stetig. Insofern sind meine letzten Alben schon auch ein Status quo der damaligen Yvonne und wenn ich hier und da immer mal wieder Kompromisse gemacht habe, hört man auch das, aber auch das ist echt.

Ihr Album heißt "Guten Morgen Freiheit". Was ist Ihre größte Freiheit im Leben?

Catterfeld: Es klingt paradox, aber ich finde, gelernt zu haben, wie ich Verantwortung für mein Leben und meine Entscheidungen nehmen kann. Ich fühle mich musikalisch frei und manchmal blitzt ein kleiner rebellischer Gedanke durch: Ich kann theoretisch alles tun und lassen. Das habe ich mir aber auch hart erarbeitet. Die größte Freiheit ist jedoch für mich privates Glück, eine gewisse finanzielle Sicherheit und demnach die Freiheit, meine Zeit so einzuteilen, wie ich sie am liebsten verbringe, nicht mehr machen zu müssen, was ich nicht will.

Im Titelsong zu Ihrem Album singen Sie "Wir reißen alle Fenster auf, Sonne rein und Alltag raus". Wie können Sie den Alltag am besten hinter sich lassen?

Catterfeld: Bei meinem aufregenden Job, wo man immer wieder neue Leute kennen lernt, sich auf neue Herausforderungen einstellen und sich neu beweisen muss, finde ich Alltag etwas sehr Beruhigendes und Schönes. Ich mag Alltag, finde aber Entscheidungen neu und spontan zu treffen, reizvoll. In meinem Beruf gibt es keinen Alltag.

Sie sprechen in "Irgendwas" und "Besser werden" ein Phänomen unserer heutigen Zeit an. Alles muss besser, größer, schneller, lauter werden. Wie entfliehen Sie diesem Druck?

Catterfeld: Indem ich mir immer die Frage stelle: "Ist das gerade wichtig?" Wenn ich mich wie in meinem Song frage "Was bleibt?", ist die Antwort eindeutig. Das prägt alle meine Entscheidungen

Wichtig ist auf jeden Fall Ihr Sohn Charlie. Wie bekommen Sie Arbeit und Kind unter einen Hut?

Catterfeld: Indem mein Sohn natürlich absolute Priorität hat. Danach richte ich meine Entscheidungen.

Ihr Song "Mehr als ihr seht" handelt davon, dass die Öffentlichkeit ein falsches Bild von Ihnen hat. Ist das Bild, das von Ihnen in den Medien aufgebaut wurde, tatsächlich falsch?

Catterfeld: Das Bild, das viele von mir hatten, hatte nicht unbedingt was mit mir zu tun, nein. Höchstens mit Entscheidungen, die ich vor 15 Jahren gefällt habe und mir immer wieder vor die Nase gehalten wurden. Es geht aber eher um das eigene Erkennen und dafür kämpfen, dass man sichtbar und so akzeptiert wird. Ein Aufruf, näher hinzusehen bei all den Vorurteilen, die wir ständig haben. Und ich denke, damit können sich viele identifizieren, zum Beispiel jemand, der in einer Beziehung nicht gesehen wird, weil der Partner die eigenen Wünsche auf ihn projiziert, ein Kind, das nicht von seinen Eltern "erkannt" wird, jemand der aufgrund seiner Herkunft diskriminiert wird usw.

Mit "5 vor 12" wenden Sie sich an die Politiker dieser Welt. Wie denken Sie aktuell über Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump, der eine Mauer zu Mexiko bauen will und einen Einreisestopp für Muslime verhängt? Macht Ihnen diese Entwicklung Angst?

Catterfeld: Ich finde es absurd. Solche willkürlichen Anweisungen dienen nicht der Demokratie, viel mehr der eigenen Macht und ja, sowas macht nicht nur mir Sorgen.

Zu guter Letzt noch die Frage: Was bedeutet eigentlich der Ausdruck "Naftali", nach dem Sie einen Song benannt haben?

Catterfeld: Naftali heißt der Künstler, der in dem Song die Steeldrums spielt. Er spielt immer auf dem Kollwitzmarkt [in Berlin] und da ich mir immer die CDs von Straßenmusikern kaufe, die ich mag, habe ich mir auch seine CD gekauft. Die lief dann öfters im Auto zum Einschlafen meines Sohnes. Dabei habe ich immer auf diesen Song eine Melodie gesungen. Die kam mir immer wieder und dann hab ich mich an den Computer gesetzt und Chorstimmen dazu eingesungen. Genau so demomäßig haben wir es aufs Album genommen. Für mich ist es wie ein Klagelied für die, die nicht frei sind oder sein können.

Foto(s): Christoph Köstlin, Christoph Köstlin, Christoph Köstlin