"ZDFzeit": Einkaufen ist Verführung

Schnäppchen, Rabatte, Sonderangebote: Viele Kunden schalten bei solchen Aktionen den Verstand aus. Foto: ZDF / Andre Uhlisch
Schnäppchen, Rabatte, Sonderangebote: Viele Kunden schalten bei solchen Aktionen den Verstand aus. Foto: ZDF / Andre Uhlisch

Ein „ZDFzeit“-Beitrag von Nina Rothermundt und Marion Kürschner klärt auf über die beliebtesten Tricks des Einzelhandels. In kleinen Experimenten wird zudem gezeigt, wie leicht Kunden den Verkäufern auf den Leim gehen: „Achtung, Kundefalle! - Rabatt-Tricks, Preisfallen & Co.“

Wer einkauft, verfällt professionellen Verführungen. Dass diese Verführungen immer ausgefeilter werden, zeigt folgende Zahl: Über 400 Milliarden Euro Umsatz hat der Einzelhandel in Deutschland 2016 erreicht. Das schafft er, indem Kunden Produkte mit einer hohen Marge kaufen. Aber wie bringen Verkäuferinnen und Verkäufer ihre Kundschaft dazu, tiefer als gewollt in den Geldbeutel zu greifen? Manchmal mit harmlosen Fragen: „Darf es noch ein bisschen mehr sein?“ oder „Ich habe ihnen mal den passenden Gürtel mitgebracht.“

Sind wir aber tatsächlich so leicht zu beeinflussen in unseren Kaufentscheidungen? Ja. „ZDFzeit“ legt in einer spannend wie eindrücklichen Ausgabe „Achtung, Kundenfalle!“ zahlreiche Tricks des Handels offen – und prüft sie in kleinen Experimenten auf ihre Wirkung hin. Die Ergebnisse überraschen.

Die goldene Mitte

Der erste Test findet in Bernkastel-Kues an der Mosel statt. Ein Wein-Stand bietet zwei Sorten Weißwein an. Gleiche Qualität, unterschiedlicher Preis. Nach einer Stunde haben sich beide gleich gut verkauft. Um mehr teuren Wein zu verkaufen, kommt der erste Händlertrick zum Einsatz. Ein dritter Wein wird angeboten, er ist noch teurer. Nach einer weiteren Stunde haben sich der günstigste und der neue (teure) Wein gleichgut verkauft. Über 50 Prozent aller Kunden entschieden sich aber für die „goldene Mitte“. Die Verkäufer haben ihre Kunden anhand ihres Angebotes gelenkt.

Preis-Psychologe Florian Bauer erklärt, dass die Mitte unsicheren Kunden Sicherheit gebe: „Mit der Wahl kann ich nicht viel falsch machen. Beim günstigen oder teuren muss ich mich viel besser auskennen, um keinen Fehler zu machen.“

Schnäppchen-Trick

In Konstanz am Bodensee werden Herren-Socken angeboten. Paarpreis: 1,40 Euro. Das Tages-Angebot im Dreier-Pack: 4,99 Euro. Wer nachrechnet, stellt fest: Das angebliche Angebot ist faul. Dennoch: Von 30 Kunden zahlen 27 zu viel. Psychologe Bauer sagt, dass viele Kunden bei Rabatt-Schildern in den Autopiloten schalten würden: „Beim Einkaufen fällt man in den seltensten Fällen rationale Entscheidungen. Deshalb: Nicht in der Hitze des Gefechts kaufen. Lieber am Tag darauf.“

Auch sogenannte „Mondpreise“ zielen auf ebendiesen Rabatt-Autopiloten. Verkaufs-Coach Rita Katharina Biermeier sagt: „Händler nehmen ein Produkt, das regulär 9,95 Euro kostet, setzen es auf 19,95 Euro hoch, streichen diesen Preis wiederum und schreiben in Rot ‚reduziert auf 9,95 Euro‘ drauf.“

Der Neurowissenschaftler der Uni Bonn, Bernd Weber, hat Kunden und deren Gehirn-Aktivität bei Kaufreizen und Kaufentscheidungen im Kernspintomographen untersucht: „Da gehen Prozesse im Belohnungssystem vonstatten. Da werden Produkten Belohnungs-Werte zugeordnet. Diese Werte sagen in etwa, wie gut Kunden ein Produkt finden und wie gern sie diese haben möchten.“

Das Belohnungszentrum im Gehirn: So gelb sieht es aus, wenn der Konsument liest: "Schnäppchen", "Rabatt" oder "Sonderangebot". Foto: ZDF / Anja Bauer
Das Belohnungszentrum im Gehirn: So gelb sieht es aus, wenn der Konsument liest: "Schnäppchen", "Rabatt" oder "Sonderangebot". Foto: ZDF / Anja Bauer

Also: Kaufen belohnt. Aber: Bezahlen schmerzt. „Je höher der Preis ist, desto mehr reagieren Schmerzregionen. Der Kunde muss daher abwägen, ob das Produkt seinen Preis wert ist. Rabatte reduzieren genau diesen Schmerz im Gehirn“, sagt Weber. Da hilft beispielsweise der Mondpreis-Trick.

Der Wohlfühl-Trick

Marie-Kristin Franke von der Uni Hamburg ist Spezialistin für Marketing und Konsumpsychologie. Sie erklärt, dass viele Geschäfte eine Wohlfühl-Oase für die Kunden schaffen – und so deren Unterbewusstsein beeinflussen: „Es zeigt sich, dass langsame Musik uns länger in einem Verkaufsraum hält, weil wir langsamer laufen. Warme Farben werden zudem als angenehm empfunden, dadurch nähert man sich einem Produkt eher an. Kalte Farben können dazu führen, dass man Kaufabsichten nicht so lange aufschiebt.“

Wie gut klappt das? In Leipzig folgt das nächste Experiment: In der Herrenabteilung eines Modehauses stehen Sekt und Schnittchen bereit. Damit soll ein sogenanntes multisensorisches Erlebnis entstehen. Im Idealfall werden alle Sinne angesprochen und angeregt beim Einkaufen.

Es wirkt: In der selbstgebastelten Wohlfühl-Oase möchte ein Pärchen eine Männerhose kaufen. Stattdessen kauft es ein Kostüm und einen Pullover für die Frau, sowie drei Hosen für den Mann. Zwei Freunde sind eine ganze Stunde da, wollen ebenfalls nur eine Hose. Sie kaufen: eine Hose. Und ein Hemd. Nein, zwei Hemden. Ein Shirt. Eine kurze Hose war doch auch noch dabei, oder?

Das Ergebnis des Experiments: Zehn Kunden geben bis zu dreimal mehr aus, als geplant. Weil sie sich wohlfühlen – aber natürlich auch, das sagen sie später im Interview, weil sie gut beraten wurden.

Der Überrumpelungs-Trick

"Darf's ein bisschen mehr sein?" - Für einen Test auf dem Wochenmarkt in Goslar werden versteckte Kameras installiert. Foto: ZDF / Anja Bauer
"Darf's ein bisschen mehr sein?" - Für einen Test auf dem Wochenmarkt in Goslar werden versteckte Kameras installiert. Foto: ZDF / Anja Bauer

Der Handel nutzt zuletzt auch die mangelnde Bereitschaft der Kunden zur Konfrontation aus. In Goslar auf dem Wochenmarkt reizt ein Händler das aus. Ohne Gegenwert legt er einfach, aber mit lautstarker Ankündigung, ein kleines Zusatz-Gewicht auf die Waage, was den Preis für Obst und Gemüse nach oben treibt. Tatsächlich beschwert sich nur jeder vierte Kunde, der Händler verdient so 60 Euro mehr in nur zwei Stunden. Reklamieren ist unangenehm – genau das nutzt der Handel aus.