Raues Klima für gefallene Polit-Engel

Kommentar

Zu Guttenberg wirft das Handtuch: Der Freiherr hat sein politisches Comeback erst einmal abgesagt. Es dürfte wohl kaum ein Zufall sein, dass er dies gerade jetzt tut, da sein Unionskollege Wulff im Kreuzfeuer der Empörung steht. Das Klima in Deutschland ist zu rau geworden für skandalumwobene Glamour-Politiker. Der Taktiker zu Guttenberg hat das erkannt. Die Frage ist, wann Wulff dies auch tut.

Gefallene Politengel: Wulff, Guttenberg. (Bild: AFP)
Gefallene Politengel: Wulff, Guttenberg. (Bild: AFP)

Die Wortwahl von Karl-Theodor zu Guttenberg war bezeichnend: "Es wäre nicht der richtige Zeitpunkt", schrieb er an seine Parteikollegen, als er ihnen seinen Entschluss mitteilte, bei der Bundestagswahl 2013 nicht anzutreten. „Und ich habe auch aus meinen Fehlern zu lernen." Ein taktischer, mit gespielter Bescheidenheit eingeleiteter Rückzug des Freiherrn — und ein geschickter Schritt. Denn er kommt just an einem Tag, da die Schlagzeilen der Republik dominiert werden von Wörtern wie „Korruption", „Razzia" und „Ermittlungen" — im Zusammenhang mit dem Umfeld von Bundespräsident Christian Wulff. Nein, es ist wirklich kein guter Zeitpunkt für die Rückkehr des zweiten gefallenen Politengels.

Sie haben viel gemeinsam, Christian Wulff und Karl-Theodor zu Guttenberg. Beide waren aufstrebende Politstars, die ihre jeweiligen Ämter in ungewöhnlich jungem Alter erreichten — und sich im Licht der Öffentlichkeit ausgiebig sonnten. Umso tiefer fielen sie, als Details über ihr unrühmliches Verhalten in der Vergangenheit publik wurden. Vor allem aber glichen sich beide darin, wie sie zuletzt verbissen um ihre Macht kämpften. Der eine will sie sich um jeden Preis erhalten, der andere versuchte, sie wieder zurückzuerlangen.

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Guttenbergs Rückkehr als Politmessias schien generalstabsmäßig vorbereitet: Eine Buchveröffentlichung, eine Teilnahme an einer Konferenz in Kanada, bei der er sich überparteilich und visionär geben konnte — und schließlich sogar ein Beraterposten in Brüssel. „Seht her", schien zu Guttenberg sagen zu wollen. „Ich bin ein internationaler Staatsmann und stehe über den Niederungen kleinlicher deutscher Parteipolitik."

Das aber ging daneben. Statt Bewunderung erntete zu Guttenberg zumeist Hohn und Spott für seinen Comeback-Versuch. Das Klima in Deutschland hat sich gewandelt. Spätestens seit Christian Wulff für den zweiten großen Politskandal binnen kurzer Zeit sorgte, sind die Bevölkerung und vor allem die Medien hierzulande nicht mehr im Geringsten bereit, Politikern ihre Verfehlungen zu verzeihen. Im Gegenteil: Was die Medien um den Fall Wulff veranstalten, gleicht einer Hetzjagd — selbst die Herkunft des Bobby Cars seines Sohnes wird mittlerweile genauestens unter die Lupe genommen. Und dass Wulff von den mutmaßlichen Machenschaften seines ehemaligen Sprechers Glaeseker nichts wusste, wird ihm kaum noch jemand abnehmen — selbst wenn es stimmen sollte.

Dass zu Guttenberg in diesem von Misstrauen geprägten Klima von einem Comeback absieht ist nicht verwunderlich. Mitleid muss man deshalb aber nicht haben mit „Wulffenberg". Sie haben die Stimmung im Land selbst verursacht — durch unverantwortliches Verhalten. Letztlich haben sie sich damit gegenseitig in den Abgrund gezogen. Offen sind nun nur noch zwei Fragen: Ob und wann auch Wulff die Konsequenzen daraus zieht.

jop