TV-Duell sorgt für Twitter-Weltrekord

TV-Duell sorgt für Twitter-Weltrekord

Angela Merkel und Peer Steinbrück beharkten sich im Fernsehen – doch das wahre Schlachtfest gab es im Netz: Zehntausende Tweets wurden während des Duells abgesetzt – so viele wie zu keinem anderen Thema am Sonntagabend. Weltweit.

Stärker kann ein Gegensatz kaum sein: Hier die Kandidaten, bemüht, keine Schweiß-Perlen auf der Stirn zu bekommen. Und dort ihre Richter, gemütlich auf dem Fernsehsofa sitzend, mit der linken Hand in der Chips-Schüssel und der rechten ums Smartphone: die Twitterer.

Während sich Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) im Fernsehen durch ihr einziges Aufeinandertreffen im Wahlkampf rangen, machten sich Deutschlands Twitterer von weitaus bequemerer Lage aus auf zum weltweiten Nr.1-Trend – in den 90 Minuten der Sendezeit schossen sie unter „#tvduell“ rund 173.000 Tweets ab. Unter ihnen tummelten sich Agitatoren und Spötter, kühle Analytiker und desinteressierte Sprücheklopfer. Kurz: Ein Querschnitt durch Deutschland - im Netz.

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Steinbrück, um es vorweg zu sagen, hatte in der Gunst der Twitterer die Nase vorn. Nicht nur seine eigenen Leute tippten eifrig in die Tasten, während Union und FDP es nicht so richtig schafften, aus ihren Parteizentralen heraus im Netz unter dem wichtigsten  Hashtag „#tvduell“ viel zu bewegen.  Letztlich überwiegte ein Trend: Da Twitterer jeden Fehler, jedes Ausweichen sofort mit dem gestreckten Tippfinger bestrafen, arbeiteten sich viele an den wortreichen Nicht-Antworten der Kanzlerin ab und zeigten sich angenehm überrascht von Steinbrücks praktiziertem Motto „In der Kürze liegt die Würze“.

Die Zahlen: Laut „Twitter Politik“ erwähnten zwar 57 Prozent der Tweets Merkel und 43 Prozent Steinbrück. Den Zuneigungs-Hashtag „#steinbrückplus“ aber verwendeten 628 User bis Ende der Sendung, während es „#merkelplus“ nur auf 325 schaffte. Und das „Twittermeter“ der „Bild“-Zeitung schließlich vermeldete um 23:00 Uhr einen Vorsprung Steinbrücks mit 63 von 100 möglichen Punkten vor 60 Punkten für Merkel. Auch waren ersten Erhebungen zufolge lediglich 11 Prozent der allgemeinen Tweets zu Angela Merkel positiv, bei Peer Steinbrück war es dagegen ein Viertel. Eines kam indes bei den Twitterern ganz schlecht an: Während der Sendung ließ Steinbrück unter seinem Namen twittern; dem Authentizitätsanspruch sprach das Hohn, und den erhielt er im Netz auch dafür.

Überhaupt wogte diese Masse von 173.000 Tweets wie wilde Sturmwellen hin und her. User Daniel Backhaus zog rasch das Fazit: „Höre vor lauter Twitter-Lesen dem #tvduell gar nicht zu. Vielleicht reicht das ja auch schon.“ Die Sitzhaltung auf einem Sofa verführt eben zu herablassenden Aussagen. So gab es eben auch die Clowns. „Wann geht der Tatort heute los?“, fragte „Andreas Bursche“, während „StanBuyMe“ bilanzierte: „Wir haben seit 4 Jahren einigermaßen stabile Bierpreise!“ „Grübelmonster“ fragte zur Halbzeit: „Meint ihr, es gibt Verlängerung und Elfmeterschießen?“, während „Julia“ rätselte, ob Steinbrück eine angeklebte Plastiknase trägt und „horst hund & brodt“ sich eine Pause wünschte, mit Sarah Connor und der Nationalhymne. Überhaupt haben Twitterer ein Auge für Details: Merkels Halskette in Schwarz-Gold-Rot sorgte für zahllose Kommentare, ein echter Hingucker eben. Und der Schmuck bekam in Windesweile den eigenen Account - @schlandkette.

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Immer wieder schalteten sich auch Politiker wie SPD-Chef Sigmar Gabriel oder Dorothee Bär von der CSU ins Twitter-Geschehen ein. Auch Chefredakteure griffen statt ihrer Untergebenen in die Tasten, Ines Pohl von der „tageszeitung“ zum Beispiel, oder Kai Dieckmann von „Bild“. Bewertet wurden im übrigen nicht nur die Kandidaten sondern auch die vier Moderatoren des TV-Duells. Twitter-Favorit war Stefan Raab, dagegen fiel Peter Klöppel durch. Als er Merkel nicht gerade investigativ ambitioniert fragte, ob Steinbrück ihr Leid tue, senkte sich der Spottkübel über seinem Haupt: „Wasn das für ne beklöppelte Frage“, echauffierte sich „Christoph Azone“,  „Bröselbub“ meinte ironisch, „Klöppel stellt ja sehr harte Fragen“ und „Romy Kraft“ schrieb knapp: „Schmeißt Kloeppel raus“.

Gegen Ende des Duells fasste „Florian Z-Q“ zusammen, warum vor allem junge Leute auf Twitter zurückgreifen: „Weißhaarige alte weiße Menschen unterhalten sich, wie die Zukunft gestaltet werden soll“, kommentierte er. Und „Markus E. Michler“: „Weiß nicht, wer das tv-duell gewonnen hat. Warte auf die offizielle Auswertung der NSA.“

Von Jan Rübel