Wiedersehen im Gefängnis

Frau findet verschollenen Bruder wieder

Bis zu ihrem zehnten Lebensjahr nahm Natasha Owen Jones an, dass sie eine Waise und ein Einzelkind sei. Dann erfuhr die heute 31-jährige Britin von ihrem Bruder. 20 Jahre lang suchte Owens nach dem Mann – und spürte ihn einem Gefängnis in den USA auf. Dort muss Morgan Schulz eine lebenslange Haftstrafe wegen Mord verbüßen.

Das erste Wiedersehen zwischen den Geschwistern fand im Februar im Gefängnis in Minnesota statt. Dort sitzt Morgan Schulz wegen Mordes ein; die Straftat liegt elf Jahre zurück. Der damals 21-Jährige hatte einen Drogendealer getötet – im LSD-Rausch, wie er sagt. Zuvor soll er sich mit dem Rauschgifthändler um Geld gestritten haben. Schulz wurde zu einer Haftstrafe von 99 Jahren verurteilt. Wahrscheinlich wird er sein gesamtes Leben im Gefängnis verbringen.

Dank seiner Schwester erfährt er nun familiäre Unterstützung. „Das war die beste Umarmung, die ich je bekommen habe“, sagte er laut „Sunday Mirror“, als er Owen Jones im Februar das erste Mal in die Arme schließen durfte.

20 Jahre lang hatte Owen Jones nach ihrem Bruder gesucht. Beide wurden in einem sehr jungen Alter zur Adoption freigegeben. Dass sie einen Bruder hat, erfuhr die Frau aus Illford in der englischen Grafschaft Essex erst im Alter von zehn Jahren. Per Zufall hatte sie auf dem Schreibtisch ihres Vaters einen Brief entdeckt - der an sie gerichtet war. „Du und dein Bruder wurden von Herzen geliebt und waren gewollt“, zitiert der „Sunday Mirror“ daraus. „Wir wollten einen besseren Anfang für euch.“ Die leibliche Mutter der Kinder starb an einer Drogenüberdosis, der Vater musste ins Gefängnis.

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Die Erkenntnis, dass sie weder eine Waise noch ein Einzelkind war, traf Owen Jones aus heiterem Himmel. Sie machte sich auf die Suche nach ihrem Bruder. 2003 spürte sie erst ihren Vater auf, der ursprünglich aus der Türkei stammt. Dann machte sie den Sozialarbeiter ausfindig, der damals die Adoption abgewickelt hatte. In diesem Zuge erfuhr sie auch, dass ihr Bruder, dessen Name früher Laurence war, mittlerweile Morgan Schulz heißt und in den USA lebt. Im Gefängnis.

Als sie sein Polizeifoto sah, zögerte die 31-Jährige erst, Kontakt aufzunehmen. Doch dann schrieb sie ihm – und flog Anfang des Jahres schließlich zu ihm in die USA. „Ihn nach so vielen Jahren wiederzusehen, war so ein unglaublicher Moment“, erzählte Owens gegenüber dem „Sunday Mirror“. „Wir verbrachten eine gemeinsame Stunde, aber die Zeit schien nur so zu verfliegen.“ Der Abschied sei ihr schwer gefallen.

Inzwischen telefonieren sie öfters. Natascha hofft auf eine Verkürzung der Haftstrafe ihres Bruders – und dass er sie in England verbüßen kann. „Ich weiß, die Leute werden denken, dass ich verrückt bin, Zeit mit Morgan verbringen zu wollen. Aber er ist mein Bruder, und das wird er immer sein.“

Ihre Geschichte wurde in der englischen Dokumentation „My Brother the Murderer“ (zu Deutsch: „Mein Bruder, der Mörder“) verfilmt.