16-jähriger Messerangreifer erschossen - Sicherheitsexperte erklärt: Polizist muss im Bruchteil einer Sekunde unter Hochstress entscheiden

Köln: Beamte der Polizei kontrollieren Personen auf dem Wiener Platz, wo seit Juni 2024 die erste permanente Waffenverbotszone in Nordrhein-Westfalen gilt.<span class="copyright">Thomas Banneyer/dpa</span>
Köln: Beamte der Polizei kontrollieren Personen auf dem Wiener Platz, wo seit Juni 2024 die erste permanente Waffenverbotszone in Nordrhein-Westfalen gilt.Thomas Banneyer/dpa

Der Fall des erschossenen Mouhamed Dramé, der Polizisten mit einem Messer angriffen hatte, wird vor Gericht verhandelt. Ex-Polizist und Sicherheitsexperte Thomas Herzing empfiehlt Richtern und Anwälten einmal im Leben an einem realitätsnahen Polizei-Training teilzunehmen, bevor sie Urteile fällen.

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass

Ein Polizist muss sich seit mehreren Monaten wegen tödlicher Schüsse auf einen Flüchtling verantworten. Die Anklage lautet Totschlag. Zur Erinnerung: Er wehrte einen Messerangriff eines 16- jährigen Senegalesen mit seiner Maschinenpistole ab. Neben ihm sind auch der Einsatzleiter, sowie 2 weitere Polizisten  angeklagt.

Der 16-jährige sei in hohem Tempo mit einem Messer in der Hand auf die Polizisten zugelaufen. Ein zuvor wurde von zwei Polizisten Pfefferspray ergebnislos eingesetzt. Am Folgetag kam es zu Demonstrationen vor der Polizeiinspektion, in dem Parolen geschrien wurden, dass der Polizist ein Mörder und Rassist sei.

Meine Einschätzung: Im Rechtsstaat ist es üblich, dass Einsätze auf ihre Recht- und Verhältnismäßigkeit hin überprüft werden. Ein Schusswaffengebrauch, vor allem mit tödlichem Ausgang, gehört unter diese Rubrik.

Auf der anderen Seite: Wenn ein mit einem Messer bewaffneter Mensch, fast egal welchen Alters – und ein 16-Jähriger kann durchaus als Erwachsener im Sinne einer Gefährdungseinschätzung eingruppiert werden – trotz mehrfachen Einsatzes von Reizstoff nicht an seiner Handlung gehindert wird, bleibt nur noch der Schusswaffeneinsatz. Hierbei ist selbstverständlich die Verhältnismäßigkeit zu überprüfen. Dabei ist zu bedenken, dass sich der Angreifer schnell auf einen zubewegt, Hochstress des Schützen, bedauerlicherweise mit tödlichem Ausgang.

Wenn ich nun lese, dass die Kollegen suspendiert wurden und sich bereits seit längerem ihr Verhalten juristisch geprüft wird, stellt sich die Frage, welche Signalwirkung für künftige Fälle von diesem Vorgehen ausgeht. Welche Handlungssicherheit sollen die Polizisten in solchen Hochstresssituationen erfahren?

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Nun hoffe ich, dass die Kollegen psychiatrische Unterstützung erfahren und die Freistellung vom Dienst deren Fürsorge dient.

Schießen oder nicht schießen – Bruchteil einer Sekunde

In einer solchen Situation kommt es oft zu einem Tunnelblick. Die Aktion erlebt man wie in Watte gepackt – entweder wie in Zeitlupe oder rasend schnell. In solchen Momenten ist die Wahrnehmung deutlich verändert. Die Bedrohung, das Messer, wirkt überdimensional groß. Polizisten sind Allrounder – vom freundlichen bürgernahen Polizisten, über den Schlichter bei häuslicher Gewalt oder der Verkehrsunfallaufnahme bis hin zu lebensbedrohlichen Situationen wie in diesem konkreten Fall. Diese Vielfalt macht den Beruf des Polizisten so vielseitig und spannend. In einer solchen Hochstressphase muss ein Polizist prüfen: Darf ich schießen, muss ich schießen, gefährde ich Unbeteiligte?

Dabei sollte berücksichtigt werden, dass der Schusswaffeneinsatz nur ein kleiner Teil der kompletten Ausbildung darstellt. Von daher muss die Justiz dies berücksichtigen und kann nicht von den gleichen Voraussetzungen wie bei einem SEK-Einsatz ausgehen, wo die Gefährdungssituation entsprechend hoch eingestuft wurde.

Ich erinnere mich an ein Training, bei welchem ich Richter und Staatsanwälte beschulte. In diesem Training waren sie in der Rolle von Polizisten und mussten bei verschiedenen Szenarien reagieren. Nicht nur, dass sie von der Reizüberflutung her nicht mehr wussten, wie häufig sie geschossen hatten, sie wussten auch oft nicht mehr, was der Grund für den Schusswaffeneinsatz war. Weil jemand eine schnelle Bewegung machte, dachten sie, dass er ein Messer zieht – die Situation war völlig anders in der Realität. Sie konnten es nicht glauben und hätten jeden Schuss gerechtfertigt und konnten nur durch Videoaufnahmen überzeugt werden.

Alle waren sichtlich beeindruckt und einstimmig von der Wichtigkeit dieser speziellen Erfahrung überzeugt. Zitat: „Solch ein Training hätten wir schon viel früher machen sollen, nun können wir die Situation der Polizei viel besser einschätzen.“

So wäre ein solches Training den ermittelnden Juristen im Falle Duisburg zu empfehlen.

Die innere Sicherheit kostet Geld. Gerade in Zeiten mit solchen angespannten Sicherheitslagen braucht es eine realistische und am Einsatz orientierte Aus- und Weiterbildung. Wir erinnern uns, dass gegen die am Einsatz beteiligten Kollegen ein Strafverfahren eingeleitet wurde, da sie zu zögerlich reagiert hätten, oder an die Einsparungen bei der Bundespolizei durch die Innenministerin, Frau Faeser.

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Mein Wunsch wäre es, unseren Polizisten den Rücken zu stärken und zu deren Handlungsfähigkeit beizutragen.

Hier kommt mir Eine Glosse in Erinnerung, welche anlässlich meiner Diplomierungsfeier vorgetragen wurde.

Was ist ein Polizist? - Glosse vom amerikanischen Radiokommentator P. Harvey

„Ein Polizist gehört zu der Kategorie von Menschen, die sich aus Heiligen und Sündern, Gott und Teufel zusammensetzt. Er ist eine namenlose und seltsame Kreatur, von vorn mit 'Herr Wachtmeister' hinter seinem Rücken mit 'So ein Idiot' angesprochen.

Ihn zeichnet Diplomatie aus, so dass nach Beilegung einer Streitigkeit jeder der Beteiligten glaubt, er habe recht bekommen.

Ist er freundlich, biedert er sich an – andernfalls meckert er.

Ist er adrett, heißt es, er sei ein Snob.

Fehlt ein Knopf, betrachtet man ihn als einen unordentlichen Uniformträger.

Beeilt er sich, wird ihm Unvorsichtigkeit vorgeworfen.

Ist er bedächtig, heißt es, er sei faul.

Ein Polizist muss imstande sein, sich mit zwei Männern herumzuschlagen, die doppelt so groß sind wie er, ohne seine Uniform zu zerreißen und ohne brutal zu sein.

Wenn jemand auf ihn einschlägt, ist er ein Feigling, schlägt er zurück, ist er ein Rohling.

Ein Polizist muss alles wissen – und nichts sagen.

Er muss anhand eines einzelnen Haares imstande sein, einen Verbrecher, die Tatwaffe und Täter zu beschreiben und möglichst auch sofort wissen, wo sich der Täter aufhält.

Aber, wenn er den Täter fasst, hatte er nur Glück – fasst er ihn nicht, ist er ein Dummkopf.

Ein Polizist muss gleichzeitig ein Minister, Sozialhelfer und Diplomat, ein rauer Bursche und ein Gentleman sein.

Wenn er befördert wird, dann nur durch Beziehungen;

Avanciert er nicht, ist er ein Trottel.

Und auf jeden Fall muss er ein Genie und ein Rechenkünstler sein, denn er muss seine Familie mit dem 'reichlichen Beamtengehalt' ernähren.“

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