Kennt dieser Amazonas-Stamm das Geheimnis des gesunden Alterns?

Viele Menschen wären gern etwas fitter, körperlich wie gedanklich. Kein Wunder, denn unsere kognitiven Funktionen lassen naturbedingt mit dem Alter nach. Eine Gruppe Ureinwohner am Amazonas könnte jedoch die Ausnahme von dieser Regel darstellen.

PANTOJA, PERU - JULY 9, 2015: Villagers on a dugout canoe called Peke Peke on a river Napo, Peru
Der Stamm der Tsimané lebt in vollkommener Abgeschiedenheit am Amazonas in Bolivien. (Bild: Getty Images)

Wissenschaftler von der University of Southern California (USC) berichten, dass die Tsimané in Bolivien auch im hohen Alter weniger von ihrem Gehirnvolumen einbüßen als Nordamerikaner und Europäer, die mit zunehmendem Alter Gehirnzellen verlieren.

Ein verringertes Gehirnvolumen wurde in der Vergangenheit mit einem Verfall der kognitiven Fähigkeiten und sogar Demenz in Verbindung gebracht.

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Die Tsimané haben kaum oder gar keinen Zugang zu moderner Gesundheitsvorsorge, wurden von Experten jedoch als "körperlich extrem aktiv" beschrieben – sie bauen Nutzpflanzen an, fischen und jagen und ernähren sich dadurch von Gemüse, Fisch und fettarmem Fleisch.

Erstmals standen die Tsimané 2017 in den internationalen Schlagzeilen, als bekannt wurde, dass sie die niedrigste Prävalenz von koronarer Arteriosklerose – Einlagerungen in den Arterien, die das Herz mit Blut versorgen – aller bekannten Bevölkerungsgruppen aufweisen. "Die Tsimané haben uns ein großartiges natürliches Experiment zu den potenziell schädlichen Auswirkungen einer modernen Lebensweise auf unsere Gesundheit gegeben", so der Urheber der Studie, Dr. Andrei Irimia. "Diese Erkenntnisse legen nahe, dass sich eine Hirnatrophie durch dieselben Faktoren, die wir einem geringen Risiko einer Herzerkrankung zurechnen, wesentlich verlangsamen lässt."

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Eine Hirnatrophie ist der Verlust von Nervenzellen und ihren Verbindungen untereinander in lebenswichtigen Organen. Es wird immer ersichtlicher, dass, was gut für das Herz ist, auch gut für den Geist ist: Von einem gesunden Lebensstil profitieren sowohl das kardiovaskuläre System als auch das Gehirn.

Ein Tsimané-Kind angelt in einem Kanu. Fisch ist ein wichtiger Bestandteil der Ernährung des Stamms. (Bild: Chapman University)
Ein Tsimané-Kind angelt in einem Kanu. Fisch ist ein wichtiger Bestandteil der Ernährung des Stamms. (Bild: Chapman University)

Die USC-Wissenschaftler analysierten 746 Erwachsene der Tsimané zwischen 40 und 94 des ungefähr 16.000 Menschen zählenden Stammes. Die Probanden waren von ihren abgeschiedenen Dörfern zwei Tage zu Lande und zu Wasser unterwegs, um Trinidad zu erreichen, den nächstgelegenen Ort mit einem CT-Scanner. Die Ergebnisse – veröffentlicht im Journal of Gerontology, Series A: Biological Sciences and Medical Sciences – zeigen, dass die Unterschiede der Gehirnvolumina zwischen Tsimané mittleren Alters und älteren Tsimanés im Vergleich zu Mitgliedern dreier "industrialisierter Bevölkerungsgruppen" in den USA und Europa um 70 % geringer waren.

Bei den Tsimané fanden sich jedoch höhere Entzündungswerte, die mit Hirnatrophie und anderen Krankheiten in Verbindung gebracht werden. Diese Entzündungen hatten jedoch „keine wesentlichen Auswirkungen“ auf die Gehirne der Tsimané. In Industrieländern werden Entzündungen oft mit Fettleibigkeit, Bluthochdruck erhöhtem Cholesterinspiegel und Fett im Taillenbereich assoziiert.

Unter den Tsimané können Infektionen Entzündungen verursachen, außerdem sind Parasiten sind bei dieser Bevölkerungsgruppe die häufigste Todesursache. "Unser inaktiver Lebensstil und eine Ernährung reich an Zucker und Fetten könnte den Verlust von Gehirngewebe bei fortschreitendem Alter beschleunigen und uns Krankheiten wie Alzheimer gegenüber anfälliger machen", sagt Co-Autor Professor Hillard Kaplan von der Chapman University in Kalifornien, der sich seit knapp 20 Jahren mit den Tsimané befasst. "Diese Studie zeigt, dass die Tsimané nicht nur bei der Herzgesundheit Spitzenwerte verzeichnen, sondern auch bei der Gehirngesundheit. Die Erkenntnisse zeigen weitreichende Möglichkeiten zur Verbesserung der Gehirngesundheit auf, selbst bei Bevölkerungsgruppen mit hohen Entzündungsraten."

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