Analyse: Wie die CDU um ihre Zukunft ringt

Derzeit geht es bergab: Zwei Logos der CDU (Bild: Reuters/Wolfgang Rattay)
Derzeit geht es bergab: Zwei Logos der CDU (Bild: Reuters/Wolfgang Rattay)

Bei den Christdemokraten brennt die Hütte. Ein neues Haus her. Nur wie wird es aussehen?

Eine Analyse von Jan Rübel

Die CDU fällt gerade tief. Das ist für die Christdemokraten auch beruhigend, denn immerhin stürzen sie aus höchster Höhe und könnten auf einem Polster landen, von dem aus sie immer noch auf die anderen Parteien herabblicken. Und nur, wenn sich die Partei vollends komischem Taktieren hingibt wie in Thüringen, schmiert sie ab. Die Krise der derzeit kopflosen CDU mag groß sein – aber Kanzlerpartei wird sie erstmal bleiben. Wer will gegen die Union regieren? Längst sind SPD, Grüne und Linke nicht stark genug für ein Mehrheitsbündnis. Und dass sich das ändert, ist nicht absehbar.

Kommentar: Eine illoyale Männerriege zerstört die CDU

Dennoch geht es bei der CDU zu wie in einem Hühnerstall. Da gibt es die Königin, die eigentlich langsam von der Stange will. Angela Merkel hat den Parteivorsitz aufgegeben und damit ihrer Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer viel zugemutet: dass sie eine Machtbasis aufbaut ohne Kanzlerin oder Fraktionschefin zu sein. Dieses Experiment ging schief, auch weil man in der CDU die Loyalität zu einer Kanzlerin oder einem Kanzler höher hält als das Vaterunser am Abend.

Kramp-Karrenbauer ist also demnächst dann mal weg. Wer bleibt? Und wohin steuert die Partei?

Niemand drängt sich für die Parteispitze und die Nachfolge Merkels wirklich auf. Zwar gibt es eine Menge Hähne, aber deren Performances geraten, nunja, verbesserungswürdig.

Wer noch auf keiner Liste steht

Da ist der laute Friedrich Merz. An der Basis beliebt, kräftige Stimme, ein echter Feger für den morgendlichen Hahnenschrei. Aber seine Ideen sind die von vorgestern, da gibt es keine Strahlkraft für junge Wähler. Und die ihn liebenden Ostdeutschen würden rasch merken, dass sie mit einem wie ihm nicht warm werden können. Die Neoliberalität von Merz kann kein noch so dickes Gefieder überdecken. Auch ist er der Antityp zu einem Teamplayer: Seit er in der Urabstimmung zum Parteivorsitz Kramp-Karrenbauer knapp unterlag, stand er grummelnd im Abseits. Als Chef würde er weiter grummeln; für die Partei käme da keine Partystimmung auf. Armin Laschet kräht eindeutig zu leise, Jens Spahn ist eher noch ein Hähnchen und braucht Zeit. Als Kanzlerkandidat gäbe es in der Schwesterpartei noch Markus Söder, der den majestätischen Gang durch den Stall perfekt beherrscht, nur wer mag ihm folgen?

AKK gibt auf: Rückzug einer Gescheiterten

Bleibt noch einer, dessen Name bisher nie fiel. Der sich nicht aufdrängt und sich dennoch qualifiziert. Norbert Röttgen ist zwar gescheiterter Ex-Bundesumweltminister und gescheiterter Ex-Spitzenkandidat in NRW. Aber er ist auch einer, bei dessen Reden man einfach hinhört, der im Hörsaal brilliert und im Festzelt ebenfalls kann. In seinem aktuellen Job als Vorsitzender des nicht unwichtigen Auswärtigen Ausschusses im Bundestag hat er neue Maßstäbe gesetzt, gilt als geachtet und respektiert.

Norbert Röttgen auf dem CDU-Parteitag im November 2019 (Bild: Reuters/Hannibal Hanschke)
Norbert Röttgen auf dem CDU-Parteitag im November 2019 (Bild: Reuters/Hannibal Hanschke)

Die CDU bräuchte einen Konservativen, der furchtlos den Fehdehandschuh der AfD zuwirft, der nicht heiser kräht wie Merz, der sich mit den Grünen zumindest verständigen kann – und der Stehvermögen genauso gut beherrscht wie Dehnbarkeit in politischen Fragen. Eigentlich verkörpert niemand in der aktuellen CDU diese Merkmale wie Röttgen. Aber er gilt als nicht machtvoll genug, nicht zum inneren Merkel-Kreis zugehörig – überhaupt zu keinem Zirkel.

Unter Schock: Was die ungeklärte Nachfolge über die CDU verrät

Der CDU stehen Richtungskämpfe bevor. Ob es auch zu einem Duell zwischen den Landesverbänden aus Ost und West kommt, ist noch ungewiss. Die ostdeutschen Funktionäre wittern rasch Bevormundung aus der Zentrale, auch pflegen sie eine andere, permissivere Sicht auf die AfD. Hier könnte der Spagat gelingen, die CDU ostdeutscher zu machen – unabhängig von der Antwort auf die Frage nach dem Umgang mit der AfD. Ein Charismatiker und Kümmerer an der Spitze könnte sowas, aber der müsste noch gebacken werden.

Eine schmerzvolle Entscheidung muss her

Schließlich bleibt der große Konflikt um die AfD. Schon jetzt gibt es unionsinterne Kampfansagen an die so genannte “WerteUnion”, das ist ein Zusammenschluss von CDU-Anhängern, die mit der AfD zusammenarbeiten wollen. Bei diesem Konflikt werden Wunden geschlagen werden, es wird Verlierer geben; ein Kompromiss ist hier nicht möglich. Entweder geht die CDU den nationalistischen Weg und sucht Anschluss an das Milieu rechts von ihr – dann versucht sie eine Allianz mit der AfD zu schmieden. Oder sie versucht, die Mitte zu behaupten und sich als anschlussfähig zu vielen Seiten hin zu präsentieren – dann bleibt sie bei der Unvereinbarkeit mit der AfD. Der letztere Ansatz scheint vielversprechender, weil er ein größeres Potenzial, eine größere Wählerschaft anpeilt. Doch so könnte es auch zur Abspaltung kommen und zu einer Partei, die zwischen Union und AfD angesiedelt ist; wie es der SPD mit der Linken passiert ist.

Anerkennen sollten jedenfalls die Christdemokraten, dass die AfD sich schnell von ihnen wegbewegt, trotz aller Unkenrufe. Die AfD zeigt keine Leidenschaft für die parlamentarische Demokratie, was ihre Taktikspielchen im thüringischen Landtag beweisen. Die Linke dagegen zeigte sich in dem Bundesland direkt staatstragend. Bei Licht betrachtet scheint also klar, in welche Richtung sich die CDU bewegen wird.

Video: Kanzlerin Merkel bedauert Kramp-Karrenbauers Entscheidung