Aufregung um neue “Team Wallraff”-Sendung über Missstände in Psychiatrien

Günter Wallraff arbeitet als investigativer Journalist. (Bild: TVNOW/Stefan Gregorowius)
Günter Wallraff arbeitet als investigativer Journalist. (Bild: TVNOW/Stefan Gregorowius)

Undercoverreporter des “Team Wallraff” haben deutsche Psychiatrien genauer unter die Lupe genommen und teilweise schockierende Missstände dokumentiert. Insgesamt sahen 2,74 Millionen Zuschauer die Sendung auf RTL. Dem Sender soll mit juristischen Konsequenzen gedroht worden sein.

“So viele Anwaltsschreiben haben wir noch nie bekommen”, schreibt der investigative Journalist Günter Wallraff auf Facebook. Gemeint ist die aktuelle “Team Wallraff”-Folge, die am Montagabend bei RTL ausgestrahlt wurde. Im Fokus: die Zustände in deutschen Psychiatrien. Das habe “viele nervös” gemacht. Am Tag des Sendetermins seien deswegen bis zum Mittag 26 Abmahnungen und andere juristische Androhungen bei RTL eingegangen, wird ein RTL-Sprecher in der “Bild” zitiert.

Doch das hinderte den Sender nicht an der Ausstrahlung, deren Inhalt sicherlich einige Zuschauer fassungslos zurückließ. Über ein Jahr lang sollen die Reporter des “Team Wallraff” recherchiert und undercover als vermeintliche Pflegepraktikanten in Psychiatrien gearbeitet haben. Ausgewählt wurden verschiedene Einrichtungen, auf die man zuvor durch Beschwerden aufmerksam gemacht worden war. Das Fazit fiel vernichtend aus. Zu den teilweise extremen Missständen sollen mangelnde Hygiene, unzureichend betreute oder schlecht behandelte Patienten und überfordertes sowie harsches Personal gehören.

Vermeintliche Strafmaßnahme

In einer Jugendhilfe- und Wohneinrichtung für Menschen mit psychischen Problemen fand man zum Beispiel im Keller eine Art Gummizelle ohne Tageslicht vor. Bewohner sollen angeblich als Strafmaßnahme in dieses “Deeskalationszimmer” gesperrt worden sein. Dass Bewohner dort gegen ihren Willen eingesperrt wurden, streitet die Einrichtungsleitung ab. Zudem greife man laut “Stern” nur unter Bewachung der Mitarbeiter auf diese Maßnahme zurück, “wenn akute Eigen- und/oder Fremdgefährdung vorliegt”.

Auch Reporterin Stefanie Albrecht berichtete als vermeintliche Praktikantin in einem Klinikum von fragwürdigen Zuständen. Drei Männer sollen auf der Akutstation mit Gurten fixiert worden sein. Laut einer Kollegin könne das bei einzelnen Patienten bis zu acht Wochen lang geschehen. Außerdem bestehe Personalmangel, weswegen man keine 1:1-Betreuung umsetzen könne, die den Patienten zustehe. Letzteres dementiert die Klinikleitung.

“Team Wallraff” spricht von Überlastung und Vernachlässigung

Weiter wird von Patienten berichtet, die angeblich nicht therapiert, sondern einfach nur ruhiggestellt werden, von Betten auf dem Flur und dem Untermischen von Beruhigungsmitteln. Auch vom unfreundlichen Ton seitens des Personals ist die Rede, von einer aggressiven Atmosphäre, Überlastung und Übergriffen.

Mit dieser Sendung hat das “Team Wallraff” eine wichtige Diskussion um Transparenz in derartigen Einrichtungen entfacht. Ob und wie die teilweise mit heimlich gefilmten Videoaufnahmen dokumentierten Missstände tatsächlich der Realität entsprechen und wie sie einzuordnen sind, dazu gibt es nun unterschiedliche Stimmen.

Viele der besagten Kliniken wehren sich gegen die Darstellung – auch mit den besagten Abmahnungen. Das Vivantes Klinikum in Berlin Spandau kritisiert auf Anfrage der “Bild” etwa, dass sich nach ihren eigenen Recherchen einige Zusammenhänge “zum Teil völlig anders” darstellen würden. Wie genau wird aber nicht erklärt. Auch sei das Patientengeheimnis verletzt worden. Andere Einrichtungen kritisierten, diverse Situationen wären aus dem Zusammenhang gerissen oder reißerisch dargestellt worden.