Bärin tötete Jogger - nun kommt sie in den Schwarzwald: Starke TV-Doku zeigt Dilemma

Im Trentino lugt der Bär um die Ecke: Dem Aussiedlungsprojekt in der norditalienischen Kulturregion fiel am 5. April 2023 Jogger Andrea Papi zum Opfer, der von einer Bärin getötet wurde. Seitdem sind die Fronten zwischen Tierschützern und wütender Bevölkerung verhärtet. Gibt es eine Lösung im Bärenstreit?  (Bild: BR/Beetz Brothers Film Production/Miramonte Film/Oreste Forno)

Nirgendwo auf der Welt leben große Raubtiere und Menschen so eng beieinander wie im italienischen Trentino - wo am 5. April 2023 Jogger Andrea Papi von einem Bären getötet wurde. Die ARD-Doku "Gefährlich nah - Wenn Bären töten" analysiert das Dilemma Tier- oder Menschenschutz. Mit welchem Ergebnis?

Renaturierung klingt erst mal gut. Viele Menschen staunten und nickten anerkennend, als vor wenigen Jahrzehnten wieder Wölfe und Bären mitten in Europa in freier Wildbahn lebten. Doch die Stimmung hat sich gedreht. Spätestens dann, als im norditalienischen Trentino am 5. April 2023 der 26-jährige Jogger Andrea Papi von einem Bären getötet wurde.

Kann man es verantworten, dass dort große Raubtiere und Menschen so eng beieinander leben wie nirgendwo sonst auf der Welt? Der Film "Gefährlich nah - Wenn Bären töten" von Grimm-Preisträger Andreas Pichler analysiert in der ARD Mediathek (lineare Ausstrahlung am Montag, 10.6., 23.45 Uhr) das Für und Wider.

Bären in der Wildnis: Sind sich Mensch und Wildtier einfach zu nah im Trentino, so dass die Gefahr zu groß ist? (Bild: BR/Beetz Brothers Film Production/Horst Eberhöfer)
Bären in der Wildnis: Sind sich Mensch und Wildtier einfach zu nah im Trentino, so dass die Gefahr zu groß ist? (Bild: BR/Beetz Brothers Film Production/Horst Eberhöfer)

Der tragische Todesfall des Andrea Papi, seine Eltern äußern sich mehrfach im Film, bewegte die Welt. Überall fand die unwirklich anmutende Geschichte, dass 2023 ein Bär einen Menschen mitten in Europa im Wald tötet, Gehör. Die Tragödie passierte 25 Jahre nach Wiederansiedlung der Tiere in der Region.

Allerdings, so erfährt man im Film, begann der Ärger zwischen Befürwortern des Bären-Aussiedlungsprojektes und scharfen Kritikern schon früher. Weil es immer wieder Zwischenfälle mit Bären gab, manche festgehalten von Handykameras. Auch Verletzte gab es schon im Rahmen von Bärenbegegnungen. Allerdings: Meist verlaufen diese friedlich. Nur was ist, wenn man den Bären in einem falschen Moment erwischt? Rechtfertigt der Tierschutz das Restrisiko eines potenziell tödlichen Angriffs?

Tierschützer demonstrieren in der Region Trentino für den Schutz der Bären. Seit dem tödlichen Angriff auf einen jungen Jogger sind die Fronten hier verhärtet. Es herrscht viel Wut und Aggression. (Bild: BR / Beetz Brothers Film Production / Miramonte Film)
Tierschützer demonstrieren in der Region Trentino für den Schutz der Bären. Seit dem tödlichen Angriff auf einen jungen Jogger sind die Fronten hier verhärtet. Es herrscht viel Wut und Aggression. (Bild: BR / Beetz Brothers Film Production / Miramonte Film)

Der Film, und das ist gut, gibt keine klare Antwort auf die Frage. Weil er sowohl die rund 20-köpfige Gruppe, die das Bärenprojekt liebevoll und mit viel Engagement betreut, zu Worte kommen lässt, wie auch Demos radikaler Tierschützer zeigt und Versammlungen und Demonstrationen von Bärengegnern in der Region. Beide Seite versteht man, denn "Gefährlich nah - Wenn Bären töten" verkauft seine Geschichte keineswegs effekthascherisch, spöttisch oder ambitioniert kunstvoll, sondern angenehm nüchtern - über Gespräche und Beobachtungen. Dazu kommen Bilder von Bären, die zwischen dem Ach-ist-das süß-Effekt und Gefahren, die das große Raubtier nun mal mit sich bringt, emotional wechseln.

Insofern ist die 90-Minuten-Dokumentation - neben einem tollen Tierfilm mit viel zusammengetragenen Bärenmaterial aus der Region - auch die Studie eines erbitterten gesellschaftlichen Streits. Doch was wurde aus dem Bären, der Andrea Papi tötete?

Erstaunlicherweise handelt es sich bei der Bärin Gaia aka JJ4 um die Mutter des 2006 in Bayern erschossenen "Problembären" Bruno - eine offensichtlich problematische Bärenfamilie. Nach vergeblichen Fangversuchen wurde Braunbär Bruno am 26. Juni 2006 abgeschossen. Nachdem die Provinzregierung im Trentino um den Regionalpräsidenten Maurizio Fugatti Bärin Gaia bereits zum Abschuss freigegeben hatte, kämpften Tierschützer vor Gericht erfolgreich um das Leben des Tiers. Es wurde schließlich betäubt, gefangen und soll - laut einem SWR-Bericht im Mai 2024 - in den "Alternativen Wolf- und Bärenpark" im Schwarzwald gebracht werden. Dort stünde ein Gehege bereit.

Die Eltern Papi sprechen über den Tod ihres Sohnes Andrea Papi, der von Bärin Gaia aka JJ4 tödlich angegriffen wurde. (Bild: BR/Beetz Brothers Film Production/Miramonte Film)
Die Eltern Papi sprechen über den Tod ihres Sohnes Andrea Papi, der von Bärin Gaia aka JJ4 tödlich angegriffen wurde. (Bild: BR/Beetz Brothers Film Production/Miramonte Film)

Parallel zum Film gibt es in der ARD Audiothek auch den Podcast "Wild Crimes - Jagd auf Bruno". Bis heute ist unklar, wer den "Problembären" Bruno tatsächlich erschossen hat. Noch immer gilt der Schütze als offiziell unerkannt. Auch der Podcast beleuchtet das Zusammenleben von Mensch und Tier.

Ein Foto des von einem Bären getöteten Andrea Papi steht im Haus seiner Familie. (Bild: BR/Beetz Brothers Film Production/Miramonte Film)
Ein Foto des von einem Bären getöteten Andrea Papi steht im Haus seiner Familie. (Bild: BR/Beetz Brothers Film Production/Miramonte Film)

2006 war der Bär in Bayern übrigens erst mal herzlich willkommen. Die Begeisterung schlug aber um, als JJ1, alias Bruno, Schafe riss, Hühnerställe ausräumte und immer wieder Menschen gefährlich nah kam. Die Hosts Anne Luckmann und Dennis Müller wollen im Podcast den Grund herausfinden, warum Bruno sterben musste.