Björn Höcke, unser Hobbyführer

Der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke (Bild: AP Photo/Jens Meyer)
Der Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzende Björn Höcke (Bild: AP Photo/Jens Meyer)

Wer hat an der Uhr gedreht, ist es wirklich schon so spät? AfD-Politiker Björn Höcke meinte wohl, es sei nun Zeit für eine ganz besondere Rede. Seine Uhr jedenfalls geht nach. Er stellt sie jeden Tag zurück aufs Jahr 1933.

Ein Kommentar von Jan Rübel

In seiner Rede vor der Jugendorganisation seiner Partei machte er vor den Jungen einen auf Pfadfinder. „Ich weise euch einen langen und entbehrungsreichen Weg“, sagte der Reiseleiter, „ich weise dieser Partei einen langen und entbehrungsreichen Weg, aber es ist der einzige Weg, der zu einem vollständigen Sieg führt und dieses Land braucht einen vollständigen Sieg der AfD.“ Björn Höcke, Fraktionschef der AfD im thüringischen Landtag und Hobbyführer, hatte mit seiner Beschwörung recht – zumindest was das Lauschen seiner Rede betrifft, dies geriet wirklich lang und entbehrungsreich. Kurz: Adolf Hitler hätte den gleichen Wortlaut besser hingekriegt.

Beim Anblick seines weinerlichen Gehabes wirkt Höckes verbale Kraftmeierei wie ein misslungener Witz mit narkotischer Nebenwirkung. Er ist aber eben nicht nur ein schlechter Entertainer. An jenem Abend hat Höcke zwei Seiten von sich wie die einer Medaille präsentiert. Die eine agiert kalkuliert und kühl. Die andere brennt. Und beide passen bestens zueinander.

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Zuerst zum Kalkül. Höcke hat seine Grenzvorstöße perfektioniert. „Wir Deutschen, also unser Volk, sind das einzige Volk der Welt, das sich ein Denkmal der Schande in das Herz seiner Hauptstadt gepflanzt hat.“ Kalkül erfordert Doppeldeutigkeit. Höcke setzt darauf, dass der Zuhörer meint, Höcke empfinde das Mahnmal für die ermordeten Juden als Schande. Das ist die Überschreitung. Gleichzeitig lässt sich Höckes Satz auch so lesen, dass sich dieses Mahnmal mit einer Schande auseinandersetze, nämlich der Ermordung unzähliger Juden. Da Höcke indes seine Rede im Dauerempörungsmodus hielt, macht dieser Satz eigentlich nur Sinn in seinem kalkulierten Rahmen.

Jämmerlich und gewohnt weinerlich nun, wie Höcke zurückrudert und „bösartige und bewusst verleumdende Interpretationen“ seiner Rede beklagt. Ist gut, nimm Schnulli und ab in die Heia.

Eine braune Schwärmerei

Die zweite Seite nun zeigt Dunkles. Bestenfalls ist Höcke ein Nazi-Fan, was ein Widerspruch in sich wäre, am Nationalsozialismus ist nichts Positives zu entdecken, da kann man drehen und wenden, wie man will: Wie auch, ist diese Ideologie von Menschen gemacht, die sich gegen andere Menschen richtet – eben wie eine Katze, die sich in den Schwanz beißt. Nationalsozialismus ist nie für etwas, sondern stets gegen etwas. Weil man damit keine Wahlen gewinnt, muss die Liebe zum Land herhalten, als Pattex für alles.

Wirklich faszinierend, wie Höcke einen Schlussstrich fordert, wenn es um die kritische Beschäftigung mit der politischen Vergangenheit Deutschlands geht und gleichzeitig sich immer wieder um diese Vergangenheit dreht. Das lässt nur einen Schluss zu: Höcke wünscht sich eine positive Rede über den deutschen Faschismus bis 1945. Könnte er nicht darüber einmal einen Vortrag halten? Ein paar Bonmots über die Autobahnen etwa, oder vielen Ausflüge ins Grüne zur Wehrertüchtigung, entlang der Konzentrationslager?

In wessen Namen spricht Höcke eigentlich?

Höcke ist auf dem Weg dorthin, er übt kräftig. Das hört sich bisher so an: Über Angela Merkel und den jüngst verstorbenen Roman Herzog, über den man nur mit größter Schwierigkeit Kritisches lesen konnte, watschte Höcke gekonnt weinerlich ab, „beide haben sie unser gutmütiges Volk heimtückisch hinters Licht geführt.“

Da ist alles drin. Hier sind wir „wir“, dort sind die, welche nicht dazugehören. „Unser Volk“ kann Höcke vermessen, für alles hat er ein braunes Lineal in der Hosentasche. Und, da sind wir wieder bei seinem Schnulli: „Wir“ sind lieb, ja geradezu gutmütig, und die anderen sind „heimtückisch“. Für seine Rede wird Höcke nahezu jedes Wort im Lexikon nachgeschlagen haben, seine Wirkung ist hochdosiert. Er hat sich wirklich Mühe gegeben, die Sprache Adolf Hitlers wiederzubeleben. Nur mit der Rhetorik hapert es heftig.

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Im Gemütszustand und in der Geistesverfassung sieht er unser Volk als „total besiegt“ an. Das sind die Geister der Vergangenheit, des Zweiten Weltkriegs. Meinetwegen mag diese Selbstdiagnose auf Höcke zutreffen, aber warum überträgt seinen Zustand auf andere? Seine Niedergeschlagenheit behalte er bittschön bei sich. Die „systematische Umerziehung“, die er beklagt, bedeutet: Vorher war alles normal, heute ist es nicht. Vorher war Adolf, und dazu ist schon alles geschrieben; was ist halt Gutes an einer Menschenideologie, die sich gegen Menschen richtet? Dieser Kannibalismus ist wenig zukunftstauglich.

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