Der Bundestags-Wahlkampf hat längst begonnen

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Wird Angela Merkel kandidieren? Wer geht mit wem? Die Parteien wappnen sich schon jetzt für den Showdown. Und der könnte Überraschungen bringen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Dass sich das Sommerloch langsam schließt, erkennt man an der Abnahme absurder Debatte wie über Burkas oder Burkinis. Symbolpolitik bestimmt zwar immer mehr die Politik in Deutschland – der Sommer aber kam mir vor, als sollte mancher erstmal den Kopf ins Kühlfach stecken und die Gedanken sortieren. Da ging es drunter und drüber in allgemeiner Hyperventilierung.

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Nun besinnt sich die Politik langsam auf wesentliche Fragen. Wie soll die nächste Bundesregierung aussehen, für welche Grundwerte wird sie stehen? Endlich kommt wieder Schwarzbrot auf den Tisch.

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Es wird spannend, und dabei ist es noch ein Jahr bis zum Urnengang. Aber längst sind die politischen Lager nicht mehr so vorhersehbar wie früher, agieren die Parteien nicht wie schwere Tanker. Sie können sich zu dritt oder gar zu viert für eine Koalition zusammenraufen.

Umso wichtiger ist es, dass die Parteien schon jetzt über mögliche Bündnisse reden – und nicht erst nach den Wahlen. Diese Zeiten sind endgültig vorbei.

Wichtige Positionierungsfragen stehen an

Nur haben das einige noch nicht kapiert. Die Politikverdrossenheit der Bürger würde über das angebliche Geschacher im Vornherein gesteigert, heißt es. Dabei ist doch zum Beispiel für die Grünen wichtig, ob sie sich locker machen in Richtung Schwarz-Grün oder für Rot-Rot-Grün – oder beides gleichzeitig. Die linken Parteien sollten jetzt ausloten, ob sie als Bündnis zusammenhalten könnten. Und die CSU wird die Frage beantworten müssen, ob sie Angela Merkel von der CDU als Kanzlerkandidatin unterstützen wird, ob sie mit Horst Seehofer eine parallele Spitzenfigur installiert – oder gar den Sturz von Merkel anpeilt. Es geht darum, wie konservativ die Unionsparteien in der Zukunft sein werden. Und schließlich wird die AfD sich irgendwann stellen müssen und klären, ob sie rein populistisch strukturiert sein will, also lediglich ein Surfbrett auf dem Meer der Missgunst, oder doch auch echte Werte im Konservatismus suchen will.

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All dies wird dem Wähler helfen. Er wird mehr wissen, wem und was er seine Stimme geben wird.

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Seehofer hat derweil einen vermeintlichen Punktsieg gegen Merkels CDU errungen. Längst wollte die Kanzlerin ihre Kandidatur erklären, aber Seehofer hält sie hin, will erstmal inhaltliche Punkte klären. Das klingt mächtig, ist aber mehr ein Pyrrhussieg, mit dem sich die CSU nichts kaufen kann. Denn je länger die Kandidatenfrage in der Union ungeklärt bleibt, desto eindeutiger läuft es auf Merkel zu; eine Alternative zu ihr erscheint schlicht nicht am Horizont. Der CSU wird es nicht gelingen, bis zum Jahresende der CDU inhaltliche Zugeständnisse abzuringen – welche sollten das denn sein? Autobahnmaut? Herdprämie? An der Einwanderungspolitik wird sich kaum etwas ändern, nur ein Symbolpaket zum Blenden der CSU und der Wähler wird die CDU sicherlich gern bis dahin schnüren.

Aus Szenarien wird Wirklichkeit

Es sei denn, in den kommenden Monaten läuft es richtig schief in Deutschland. Wirtschaft runter, Terrorangst rauf. Massive Probleme zwischen Geflüchteten und Deutschen. Dann könnte Seehofer sich aufmachen und den wachsenden Unmut gegenüber Merkel nutzen und sie zu stürzen suchen. Aber: Danach sieht es ganz und gar nicht aus. Die Politik macht gerade, zum Verzweifeln aller Populisten, doch nicht so viele Fehler, wie man sich erzählt. In der Kühle der kommenden Jahreszeiten sickert das immer mehr durch.

Bilder: dpa

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