Die deutschen Parteien sind bei Twitter einfach Mega

SPD-Anhänger mit “Mega-Schulz”-Plakat (Bild: dpa)
SPD-Anhänger mit “Mega-Schulz”-Plakat (Bild: dpa)

Social Media und Parteien, das ist wie Hering in Gummibärensauce – denkt man. Die Wirklichkeit ist noch viel schlimmer.

Ein Kommentar von Jan Rübel

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Nach Tag 13 von Donald Trumps gefühlt 13 Jahren andauernder US-Präsidentschaft könnte man darüber schreiben, wie er nun nach Angaben der Nachrichtenagentur „Reuters“ ein Regierungsprogramm gegen gewaltvollen Extremismus zusammenstreichen will, was ihm bestens passt, denn: Zum einen verschwinden weiße rassistische Gruppen und Neonazibanden aus dem Blick dieses Programms, zum anderen konzentriert man sich nur noch auf den Islam als Quelle allen Übels – das Programm soll statt bisher „Countering Violent Extremism“ nun „Countering Islamic Extremism“ heißen. Und schlussendlich kriegt diese olle Zivilgesellschaft, die angeblich für den Zusammenhalt zuständig ist, endlich weniger Dollars, die sie doch nur in irgendwelchen Häkelkurs-Programmen verpulvern.

Also, alles Roger in Washington D.C., aber warum darüber schreiben, wo das Gute so nah?

Schließlich gibt es auch in Deutschland eifrige Schüler Trumps, und sie lernen schnell. Zum Beispiel bemühen sich die Parteien in Deutschland, in den Sozialen Medien ähnlich erfolgreich daherzukommen wie der „Don“. Der treibt bis heute mit 23,4 Millionen Followern auf Twitter alle vor sich her, gestern schrieb er zum Beispiel, er würde sich einen „Dumb Deal“ mit Australien vornehmen, es geht natürlich um lästige Einwanderungswillige, die so unverschämt sind den amerikanischen Traum leben zu wollen.

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Die deutschen Parteien tweeten also in diesen Stunden, was das Zeug hält. Die geben sich richtiggehend Mühe, schließlich liegt das Durchschnittsalter ihrer Mitglieder bei 60 Jahren.

Auf die Plätze, fertig… los:

Die Nase vorn hat die CSU. Die kommt inhaltlich kernig rüber, die Christsozialen wirken nicht nur frisch programmatisch, sondern klären die Jungen auch darüber auf, was ihnen wichtig ist, zum Beispiel mit dem aktuellsten Tweet „Heute hat Toni Hofreiter Geburtstag“, da steht der Grünen-Faktionschef mit einer Kollegin und einer Stofftasche, darauf steht: „Bio macht schön“, was die CSU zu einer Top-Stilkritik veranlasst: „Nun ja… alles Gute Toni!“

Klar, wer sich täglich so schneidig und modebewusst präsentiert wie die CSU-Herrenriege, der wird sowas mal sagen dürfen! Ist ja auch unheimlich inhaltlich, geradezu trumpig. Weiter geht es mit Statements wie in Stein gemeißelt: „Integration ist das Megathema unserer Zeit und Bayern stellt sich dieser Herausforderung“, lässt Ministerpräsident Horst Seehofer vielsagend los. Da weiß man gleich Bescheid. Und auch die kreative Kommasetzung, die kommt bei jungen Leuten sicher gut an.

Die anderen Volksparteien lassen sich indes nicht lumpen. Die SPD zum Beispiel ziert ihren Twitter-Account mit dem Logo „Zeit für Martin“, bei dem man sich fragt, ob schon wieder Sankt-Martins-Tag ist, die Laternen haben wir doch erst kürzlich verstaut? Aber gleich der erste Tweet erhellt: „Wann, wenn nicht jetzt?“ Liebe jungen Leser, Müll raustragen ist damit wohl nicht gemeint; dies erklärt ein anderer Tweet: „Wahlkampf ist ein Marathon, kein Sprint. Wir haben Martin Schulz mit gutem Schuhwerk ausgestattet“, heißt es da über einem Foto des Kanzlerkandidaten mit roten Sportschuhen, „Glück auf!“

Ein glückliches Händchen zumindest können die anderen Parteien beim Tweeten gut gebrauchen. Die Accounts von CDU, Grünen, Linke und FDP, ja selbst der AfD sind nämlich gähnend langweilig: Lauter Worte, die aus Buchstaben bestehen, und Informationen, die sich lesen wie Stellenanzeigen. Wir brauchen einfach mehr Mega!

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