Donald Trumps Gift erfordert neue Allianzen

US-Präsident Trump erlässt Erlasse wie am Fließband (Bild: Getty Images)
US-Präsident Trump erlässt Erlasse wie am Fließband (Bild: Getty Images)

Der neue US-Präsident schockt mit Kalkül. Davon darf man sich bloß nicht bange machen lassen.

Ein Kommentar von Jan Rübel

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Welche Auswirkungen Donald Trumps Politik auf jeden Einzelnen hat, lässt sich gut an Ereignissen erkennen, mit denen der US-Präsident gar nichts zu tun hat. In Kanada steigt ein weißer Mann mit christlichem Hintergrund in eine Moschee und erschießt sechs Kanadier – und vielen Medien war dieses politische Attentat nur kurze Erwähnung wert; was „Spiegel-Online“ und andere deutsche Medien darüber schrieben, geriet mehr als dünn; so beschäftigt waren sie mit der Aufarbeitung des Präsidenten weiter südlich.

Diese wenige Beachtung schreibt Bände. Zum einen wäre die Berichterstattung sicherlich opulenter ausgefallen, hätte es sich um einen Mann mit muslimischem Hintergrund gehandelt, der eine Kirche gestürmt und sechs Kanadier getötet hätte. Aber manche Tote zählen halt mehr, selbst wenn sich der gleiche Ozean dazwischen legt. Zum anderen hält Trump Medien derart in einem Bann, dass einen kühlen Kopf zu bewahren immer schwerer fällt. Aber genau den brauchen wir jetzt.

Eine Einheit muss jetzt her

Trump agiert nach Kalkül. Ihm geht es nicht um das Abarbeiten von Wahlversprechen, sondern ums Tempo. Mit dem sendet er Schockwellen in die Gesellschaft, so hält er sie in Schnappatmung. Mit den vielen Dekreten schafft er mehrere Fronten, bei denen man nicht mehr weiß, gegen welches man zuerst protestieren soll, und wie. Trumps Politik ist das Prinzip des Teilens und Herrschens. Er teilt unsere Aufmerksamkeit. Und er teilt auch die große Menge seiner Opponenten. Diese Schockwellen sind Gift für die Menschlichkeit, aber auch für gutes Regieren, denn die Demokratie bleibt dabei auf der Strecke.

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An dieser Stelle wäre nur kurz Horst „The Don“ Seehofer zu erwähnen, dem solches Gebaren anscheinend juckt. Trump setze „mit Konsequenz und Geschwindigkeit seine Wahlversprechen Punkt für Punkt um“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Und: „In Deutschland würden wir da erst mal einen Arbeitskreis einsetzen, dann eine Prüfgruppe und dann noch eine Umsetzungsgruppe.“ Auch wenn das „ausdrücklich“ nicht bedeute, dass er „jede Maßnahme“ Trumps für richtig halte. Seehofer outet sich als Demokratieverächter. Er suggeriert, in der Politik Deutschlands würde es nicht schnell genug gehen, man palavere und zerrede gute Ansätze und lasse nicht, ja lasse eben nicht einen wie Horst ran, der würde schon den Besen schwingen.

Seehofer inszeniert also ein Krisendeutschland, das es nicht gibt, er redet es schlecht. Uns geht es gut, das wird ja mal gesagt werden dürfen. Und auf ihn ist nicht Verlass bei der Frage, wie man auf jemanden wie Trump reagieren soll. Vielleicht geht es dem Bayern darum, mit seinen Schmeicheleien bloß nicht den Zorn des großen Blonden auf sich zu ziehen und eventuell sogar davon zu profitieren, wenn dieser Mann seine Rivalen wie Merkel anwütet.

Vergessen wir also Seehofer. Wolfgang Kubicki von der FDP geht einen gegenteiligen Weg, er protestiert laut – aber eben auch auf seine ihm gewohnte Populistenart: „Vielleicht sollten wir sagen, wir beschließen jetzt einfach, Donald Trump nicht nach Deutschland einreisen zu lassen, wenn er als Präsident Folter anordnet – und dann möglicherweise in Deutschland festgenommen werden müsste“, sagte Kubicki dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Folter sei auch in Deutschland ein Straftatbestand, unabhängig davon, wo sie begangen werde, sagte der FDP-Politiker. Wer Waterboarding für eine legitime Maßnahme halte, „so ein Mann gehört nicht ins Weiße Haus, sondern in den Knast“.

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Gut gebrüllt, Löwe, aber auch damit kann ich nicht viel anfangen. Wie sollte es geschehen, einen demokratisch gewählten Präsidenten hier nicht zu empfangen – etwa durch eine forsche Dekretspolitik, wie sie vielleicht „The Horst“ erträumt? Ich glaube, mit Populismus kommt man jetzt nicht weit.

Gegen Schockwellen hilft ein Deich

Es gilt vielmehr Allianzen zu schließen. Hier geht es nicht mehr um links oder rechts. Trump agiert unanständig. Er strebt einen autoritären Staat an, weil er gerade an der Macht ist; würde ein Barack Obama agieren wie Trump, würde letzterer so laut nach Demokratie schreien, dass man das Hämmern seiner Tweets aufs Smartphone rund um den Planeten hörte.

Kein Wertkonservativer, nicht einmal Nationalkonservativer, sollte etwas mit Trump anfangen können, von Liberalen und Linken ganz zu schweigen. Nur Sarah Wagenknecht irrlichtert außerhalb dieses Schemas, aber sie agiert auf eigene Rechnung und Investition in die Zukunft.

Trumps Schockwellen gehören also gekontert. Wer demonstrieren kann, soll es tun. Wer über ihn tweeten möchte, soll es tun. Trumps Dekrete erfordern Antworten mit Argumenten. Und ein politischer Autist wie Trump sollte in Deutschland schleunigst empfangen werden, mit rotem Teppich und allem großartigen Brimborium – er kann dann sehen, wie viele Fans er hat.

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