Die SPD ist eine herzlose Partei

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Im Fall der gescheiterten Abgeordneten Petra Hinz tritt ihre Partei nach – obwohl die Schummel-Politikerin schon am Boden liegt. Mit solcher Pseudomoral empfehlen die Genossen sich nicht als Regierungspartei.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Über den jetzigen Zustand der SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz ist wenig bekannt. Abgetaucht ist sie. Erst im September wolle sie mit dem Bundestagspräsidenten ein Gespräch führen. Ihre Karriere jedenfalls ist in sich zusammengebrochen.

Bei Hinz wurde aufgedeckt, dass sie wesentliche Inhalte ihres angegebenen Lebenslaufes erfunden hat. Kein Abitur, kein Jura-Studium – kaum nachvollziehbar, wie es zu diesen Verbiegungen kam, die sie nie von selbst gerade rückte. Klar, dass sie nicht mehr als Abgeordnete einen Wahlkreis vertreten kann.

Doch dass in der SPD nun nach der am Boden Liegenden getreten wird, mutet seltsam an. Die Genossen haben es eilig. Jeder weitere Tag ohne Entscheidung sei „eine weitere Qual für alle Beteiligten", sagte der nordrhein-westfälische Justizminister Thomas Kutschaty. Der örtliche SPD-Vorstand hat ihr ein Ultimatum bis heute Abend gestellt, und der Essener SPD-Unterbezirk hat ein Parteiordnungsverfahren beschlossen. Der angebliche Skandal: Hinz trete nicht sofort ab und kassiere weiterhin ihre Bezüge als Abgeordnete.

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Ich verstehe diese Aufgeregtheit nicht. Ist es tatsächlich ein Skandal, wenn da noch ein, zwei Monate mehr Bezüge fließen, wird dadurch das politische System in seinen Grundfesten erschüttert, ist es ein Beweis für die angebliche Korruptheit der politischen Klasse, geht das Abendland unter?

Die Zukunft von Petra Hinz liegt nicht im Bundestag, da kommt es jetzt auf einen oder zwei Monate nicht mehr an. Was nun wichtig wäre, und da versagen die Sozialdemokraten, wäre menschlichen Anstand zu zeigen. Anstand hat auch etwas mit Beistand zu tun. Im Fall Hinz bedeutet dies nicht, ihre Fälschungen zu ignorieren oder zu relativieren. Sondern, sie menschlich nicht fallen zu lassen, sie in dieser für sie sicher krisenhaften Zeit nicht allein zu lassen. Auch um zu verstehen, warum sie diesen Wahnsinn angestellt hat.

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Doch die SPD reagiert mit einem klassischen Meuteverhalten. Hinz wird aus der Herde ausgeschlossen, sie ist das schwarze Schaf. Warum sollte sie für ihr Fehlverhalten aus der Partei geworfen werden? Ist die SPD etwa ein Verein der Wahrheitsfanatiker? Gedöns, würde Altkanzler Gerhard Schröder dazu grummeln.

In der Krise zeigt sich der Charakter

Die SPD lernt einfach nicht aus ihren Fehlern. Auch den Abgeordneten Sebastian Edathy vertrieb sie panisch aus ihren Reihen. Zweifellos hatte Edathy durch das Abrufen von jugendpornographischem Material aus dem Internet eine rote Linie überschritten, was mit dem Abgeordnetenmandat nicht vereinbar ist.

Doch anstatt mit ihm darüber zu reden, den ganzen Menschen zu sehen, seine Arbeit, seine Verdienste und anderen Fehler – verbannte die SPD ihn mental aus ihren Reihen, erklärte ihn zur Unperson.

Die Sozialdemokratie gibt viel auf ihre Werte, auf Solidarität und Gerechtigkeit. Wie kann sie dann nach innen derart menschlich versagen? Möchte man von einer Partei, die solch einen Beißcharakter in Krisenlagen offenbart, regiert werden?

Petra Hinz braucht in diesen Tagen sicher Beistand. Mal sehen, ob einige Genossen dafür noch den Anstand aufbringen.

Bilder: Ralf Hirschberger/dpa und Sven Hoppe/Maja Hitij/dpa

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