Sicherheit durch Freiheit

Horst Seehofer will Sicherheit herbeireden. Doch mit seiner Symbolpolitik erreicht er nur das Gegenteil.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Bei der Trauerfeier für die Opfer des Münchener Amoklaufs sagte Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer im Landtag einen Satz, der zuerst einleuchtend klingt – und dann schaudern lässt. „Sicherheit ist das höchste Gut einer Demokratie, die oberste Pflicht des Staates“, sagte der CSU-Chef.

Ich glaube, damit irrt er.

Sicherheit ist einem wichtig wie die Luft zum Atmen. Die Bewohner von Aleppo erfahren gerade die Abwesenheit von Sicherheit. Manchmal muss man die Sicherheit erzwingen, für die Leute in Aleppo wäre das zum Beispiel angebracht; aber der Westen denkt gerade zu viel an seine eigene Sicherheit, als dass da noch Zeit für die da drüben wäre.

Und Seehofer ist ein notorischer Erzwinger, zumindest erscheint er so. Natürlich ist der Umgang mit Sicherheit immer eine Grundfrage für den Staat. „Die Gerechtigkeit ist die zweite große Aufgabe des Rechts“, sagte einmal Gustav Radbruch, Rechtsphilosoph und Reichsjustizminister in der Weimarer Republik. „Die erste aber ist die Rechtssicherheit, der Friede.“

Die Frage ist nur, wie teuer man sich diesen Frieden erkauft. Und mit Blick auf terroristische Bedrohungen, die Seehofer ja meint, ist es äußerst unsicher, wie man das mit der Sicherheit überhaupt hinkriegt.

Denn sicher ist nur, dass wir in unsicheren Zeiten leben.

Cool bleiben – und die Behörden arbeiten lassen

Die Täter von Würzburg und Ansbach waren keine unkontrolliert ins Land Gekommenen. Die Entscheidung zum Suizid, bei dem sie andere mit sich nehmen und diese Wahnsinnstat vielleicht von einer Religion absegnen lassen wollten, wird sich langsam in ihnen entwickelt haben. Mit Terrorabwehr und Sicherheitsüberprüfung hat das weniger zu tun.

Die Politik aber hat schon den Helm auf. Das macht unsere Welt nicht sicherer. In Frankreich übt sich die Staatsführung in stetem Kriegsgeheul. Da ist der Ausnahmezustand ausgerufen, Flüchtende kommen kaum ins Land. Sicherer wird das Land dadurch nicht.

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Sicherheit hat viel mit der Arbeit der Sicherheitsbehörden zu tun. Die haben zu tun, in dieser Zeit; denn die Gefahr durch Anschläge ist gestiegen. Aber Seehofers Satz von der Sicherheit als höchstes Gut der Demokratie und der obersten Pflicht des Staates könnte auch von einem überzeugten Diktator ausgesprochen werden; mit „Sicherheit“ wurden schon immer die schlimmsten Dummheiten der Menschheitsgeschichte begründet. Sicherheit ist vielmehr auch eine Herausforderung für die Demokratie – vor allem, wenn es wie hier um dem Umgang mit Bedrohungen geht.

Noch immer ist die Bedrohungslage in Deutschland so, dass der Tod durch Blitzschlag wahrscheinlicher ist als durch einen Terroranschlag. Geht es um den Straßenverkehr, berichten die Medien vorzugsweise über die Sommerstaus und weniger über seine tödlichen Nebenwirkungen.
Damit soll nichts klein geschrieben werden. Aber das richtige Maß braucht es schon.

Was uns wichtig ist

Der beste Freund des Terrors ist die Angst. Die lässt sich tatsächlich herbeireden – das unterscheidet sie von der Sicherheit. Unsere Politiker begehen derzeit einen Kardinalfehler: Sie meinen stark auftreten und Sicherheit fordern zu müssen, welche auch immer, und üben sich dadurch doch nur in Symbolpolitik.

Wenn Jens Spahn von der CDU ein Burkaverbot fordert, dann erbrächte dies lediglich die Diskriminierung einer ohnehin so gut wie nicht vorhandenen Minderheit in Deutschland, aber nicht mehr Sicherheit. Wenn Seehofer einem „starken Staat“ das Wort redet, suggeriert er uns momentan Schwäche. Damit redet er uns Angst ein und verrichtet, sicherlich ungewollt, das Werk der Terroristen.

Das höchste Gut der Demokratie sind die Freiheit und der Respekt des Einen vor dem Anderen. Zugegeben, das klingt nicht sexy. Aber es stimmt. Das wird man doch mal sagen dürfen.

Bild: dpa

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