Game of Games: Sanfter 90er-Vibe aus der Unterhaltungsshow-Mottenkiste

Game of Games: Beim Riesen-Kroko-Doc wird die Kandidatin gefressen. Bild: Sat.1 / Willi Weber
Game of Games: Beim Riesen-Kroko-Doc wird die Kandidatin gefressen. Bild: Sat.1 / Willi Weber

Die neue Show Game of Games auf Sat.1 will verrückt sein. Mit durchgedrehten Kandidaten und Spielen, die mit Falltüren enden, Riesenkrokodilen, die zuschnappen, Schaumbädern und Bülent Ceylan. Das funktioniert super. Als Hommage an die berühmten Spielshows der 90er. Als Parodie darauf fehlen Biss und Ernsthaftigkeit. Als eigenständiges Fernsehformat aber – da fehlt alles. Vor allem Unterhaltung.

Ja, es war eine schöne Zeit. Als sich das „Glücksrad“ drehte und Frederic Meisner seinen Kandidaten drei Buchstaben extra zum ERNSTL dazuschenkte. Jedes Mal. Und als, klar, Sonya Kraus (stumm lächelnd) die weiß leuchtenden Flächen drehte. Was sind wir nicht ausgerastet vor dem Fernseher und haben selbigen angeschrien, dass die Waschmaschine auf dem Präsentiertisch da doch wesentlich teurer sei, bei „Der Preis ist heiß“ (bei Wikipedia witzigerweise nicht unter Gameshow, sondern unter Dauerwerbesendung, vielleicht die erste überhaupt, geführt), wegmoderiert vom Giganten Harry Wijnvoord.

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Mitgefiebert haben wir beim „Familien-Duell“ mit Wildfremden, außer sie waren erfolgreich, dann kamen sie immer wieder, Woche für Woche, und wurden zu Stammgästen in unserem Mittagsprogramm, begleitet von dem markigen Werner Schulze-Erdel. Und zuletzt, da darf Jörg Draeger nicht fehlen, mit seinem roten Plüschfreund, dem Zonk: „Geh aufs Ganze“.

Okay, kurz mal die Sentimentalität abschütteln. Die 90er-Spielhow-Zeit war eine gute. Trotzdem ist es selten gut, wenn mit Game of Games eine neue Show, dazu im Jahr 2018, die Primetime-Bühne betritt, in der Einleitung ihrer Besprechung, also dieses Textes, aber nur fast vergessene Unterhaltungs-Klassiker auftauchen.

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Denn so grandios sie waren, sie haben doch eins gemeinsam: Das gilt heute nicht mehr, denn natürlich wurde versucht, sie neu aufzulegen. Und sie sind alle gnadenlos gescheitert oder senden irgendwo im Sparten-Nirvana der Bedeutungslosigkeit. Weil die Konzepte schlicht nicht mehr in die Zeit passen. So wie Talkshows vorbei sind. Oder alles mit Oliver Geissen.

Zuerst sympathisch, dann schnell lieblos

Aber zurück zu Game of Games. Die Show kurz erklärt (zum Großteil aus der Sat.1-Beschreibung übernommen): Der Moderator, Comedian Bülent Ceylan, dessen größte Gags sind, dass er seidig-schwarze Haare und einen türkischen Namen und Mannheimer Dialekt hat, ja, gleichzeitig, das geht, dieser Moderator jedenfalls wählt aus seinem verrückten Publikum für verrückte Spiele Kandidaten aus, die sich ständig verrückt in die Arme fallen und abklatschen, dann verrückte Fragen in Auswahlspielen beantworten müssen, bis nur noch ein Kandidat übrig ist, der 50.000 Euro gewinnen kann, wenn er in 30 Sekunden zehn Fragen beantwortet, weil das aber unmöglich ist, am Ende nur 3.000 Euro mit nach Hause nimmt. Denn jede Frage, bis zur zehnten, ist nur 1.000 Euro wert. Fühlt sich ein wenig an nach einer Mogelpackung. Wie so vieles an der Show.

Bülent Ceylan moderiert Game of Games. Das ist leider selten lustig, meistens dafür anstrengend. Foto: Sat.1 / Willi Weber
Bülent Ceylan moderiert Game of Games. Das ist leider selten lustig, meistens dafür anstrengend. Foto: Sat.1 / Willi Weber

Sei’s drum. Der Einstiegs-Gag von Ceylan, wieso er als Moderator auserwählt wurde, lautet: Der Deutsche in mir achtet auf die Spielregeln, der Türke aufs Geld. Heiliger Klischee-Alarm. Dann geht es los, Ceylan fragt ins Publikum, wer mitmachen möchte. Alle rufen durcheinander, Arme fliegen durch die Luft. Das fühlt sich tatsächlich an, wie damals, als der Kandidat unsicher war, ob die Waschmaschine bei „Der Preis ist heiß“ jetzt mehr kostet oder weniger und das Publikum seine Einschätzung reinbrüllte. Anfangs hat diese Zufälligkeit der Kandidatenwahl bei Game of Games etwas sympathisch Chaotisches, alle sind laut und übertrieben gut drauf.

Wer hat eine gute Show-Idee?

Aber dann wird es schnell schlicht lieblos, das Ganze zur Retorte. Es gibt die obligatorische Selbstbezugs-Frage: „Auf welchem Sender läuft eigentlich…?“ Passenderweise antwortet die Kandidatin noch vor Nennung der Sendung, weil die, natürlich, schnurzegal ist, die richtige Antwort lautet Sat.1. Bei Wer wird Millionär ist es immer RTL. Die Spiele sind dazu tragisch einfallslos, ein überdimensioniertes Kroko-Doc, bei dem die Kandidaten dem rülpsenden Pappmaché-Krokodil Zähne ziehen müssen. Oder sie spannen Schirme zu, aus einem regnet es Goldglitter, aus den restlichen Wasser. Und so plätschert der Abend dahin und man kommt ins Grübeln.

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Wieso gibt es eigentlich keine gute Abendunterhaltung, keine wirkliche Unterhaltungsshow, mehr? Wetten, dass…??? wurde (zurecht) zu Grabe getragen. Jan Böhmermann macht starke Satire, aber seine Show verliert sich zu oft in Doppeldeutigkeit. Joko und Klaas haben sich getrennt und wollen ernster werden. Was bleibt? Niemand mehr, der etwas Neues wagt. Game of Games ist ein Showkonzept im Jahr 2018, das zumindest in Teilen an 90er Spielshows erinnert, gleichzeitig aber ein eigenständiges Format sein will. Und das ist, ganz ehrlich, ein Armutszeugnis für den Stand der heutigen Abendunterhaltung. Aber beschreibt ihren Stand damit ziemlich gut. Deswegen, wenn das jemand liest, mit einer guten, frischen Idee für eine Show: Setz sie um. Geh aufs Ganze! Im schlimmsten Fall wirds ein Zonk und den wollen immer noch alle haben.

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