Talk bei Maybrit Illner: „Er kann nicht mehr im Amt bleiben“

Die Runde bei Maybrit Illner zum Thema “Innere Unsicherheit, schützt unser Staat die Demokratie” hat eine beunruhigende Antwort gefunden. Foto: Screenshot / ZDF
Die Runde bei Maybrit Illner zum Thema “Innere Unsicherheit, schützt unser Staat die Demokratie” hat eine beunruhigende Antwort gefunden. Foto: Screenshot / ZDF

Hans-Georg Maaßen ist der oberste Verfassungsschützer unseres Landes. Seine Aufgabe ist es, die Demokratie zu stärken und vor Angriffen zu bewahren. Dass gerade er mit seinen Äußerungen nun an den Grundfesten der Demokratie rüttelt, ist Grund genug für eine Debatte bei Maybrit Illner mit dem Thema: „Innere Unsicherheit, schützt unser Staat die Demokratie?“

Die Situation als verfahren zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung. Die SPD fordert vehement den Rücktritt von Hans-Georg Maaßen, Präsident im Bundesamt für Verfassungsschutz. Dieser hatte sich vergangene Woche in offenen Widerspruch zum Kanzleramt begeben, als er ein bekanntes Internetvideo aus Chemnitz so kommentierte: „Es liegen dem Verfassungsschutz keine Beweise vor, dass Hetzjagden stattfanden.“ Kanzlerin Merkel hingegen sprach offen von „Hetzjagd“, Regierungssprecher Seibert von „Menschenjagd“.

Aber das ist bloße Semantik oder Wortklauberei, wenn sich die Politik zumindest in der Bewertung der Szenen einig ist. Nämlich, dass sie Gewalt gegen Menschen mit Migrationshintergrund zeigen. Aber nein, stattdessen gab Maaßen dem Video eine ganz andere Motivation: „Nach meiner vorsichtigen Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.“ Später drehte Maaßen eine rhetorische Pirouette und sagte, er sei falsch verstanden worden, nicht die Authentizität der Bilder zweifelte er an, sondern ob diese eine Hetzjagd zeigten. Trotzdem bekräftigte ihn jüngst Horst Seehofer (CSU), der als Innenminister Hans-Georg Maaßens Vorgesetzter ist, im Amt. Wieder einmal läuft es also auf Krach hinaus in der GroKo.

Er hat Verschwörungstheorien in der rechten Szene gestärkt

Den Aufgalopp der Sendung übernimmt Thomas Oppermann, Vizepräsident des Deutschen Bundestages. Seine Partei, die SPD, hatte sich schon den Tag über in Stellung gebracht: „Es gibt kein Vertrauen mehr in die Amtsführung von Hans-Georg Maaßen. Er muss Gefahren erkennen für unseren Staat, dazu muss er Fakten bewerten. Er hat das Gegenteil getan. Er hat spekuliert und in Abrede gestellt, dass es Hetzjagden gab. Er war nicht informiert, dass es Angriffe auf ein jüdisches Restaurant gab. Stattdessen hat er Verschwörungstheorien in der rechten Szene gestärkt. Ich sehe darin einen Akt der Illoyalität gegenüber allen, die unsere Demokratie verteidigen. Und das darf ein oberster Verfassungsschützer auf keinen Fall machen. Er kann nicht mehr im Amt bleiben.“

Irene Mihalic von den Grünen lässt die Sitzung des Innenausschusses vom Mittag Revue passieren. Zu der war Maaßen geladen, um sich und sein Handeln zu erklären: „Er hat nur die Inhalte seines Bild-Interviews wiederholt. Herr Maaßen ist Profi genug, um sich nicht missverständlich auszudrücken. Er hat sich trotzdem in direkten Widerspruch zum Kanzleramt begeben.“ Und weiter berichtet Mihalic, dass Maaßen den Medien die Schuld auflud, für die Verdrehung seiner Worte. So hätten seiner Meinung nach die Medien dazu beigetragen, für diese ungute Stimmung in Chemnitz zu sorgen. „Es ist aber nicht Herr Maaßens Aufgabe, die Arbeit der Medien zu bewerten. Seine Aufgabe ist es, zu erklären, wie innerhalb kürzester Zeit Tausende Rechtsextreme mobilisiert werden konnten. Und das unter den Augen der Sicherheitsbehörden. Dazu hat er kein Wort verloren.“

Philipp Amthor von der CDU wiederholt die Relativierungen Maaßens: „Seine Aussagen als Hinweise auf Desinformationskampagnen aus dem linksextremen Spektrum bleiben. Dennoch bedauert er, dass der Fokus auf den Rechtsextremismus, der natürlich verurteilt werden muss, in seinen Aussagen nicht zu finden war.“ Dass Amthor dann noch Folgendes sagte, ist schlicht ein Armutszeugnis, denn es ändert nichts an Inhalt oder Absicht: „Das Interview war in der Kommunikation keine Meisterleistung.“

Und das ist das zentrale Problem, sagt Elmar Theveßen, stellvertretender ZDF-Chefredakteur. Denn es fehlt jede Verurteilung, jede Abgrenzung Maaßens: „Das passt nicht zu ihm. Maaßen sagt nichts, ohne zu prüfen. Nicht öffentlich, schon gar nicht in der Bild-Zeitung. Entscheidend aber ist, dass in diesem Land rechtsextreme und linksextreme und einige wenige Asylbewerber Gewalt ausüben. Man muss deutlich machen, wo legitimer demokratischer Protest endet und wo fremdenfeindliche Hetze beginnt. Einen solchen Satz findet man nicht im Interview.“

Die AfD will Konflikte auf die Straße tragen und dort entscheiden

Die Journalistin Antonie Rietzschel war in Chemnitz und Köthen und sagt zu den Entwicklungen vor Ort: „Mich hat nicht überrascht, was ich gesehen habe. In Sachsen, in Sachsen-Anhalt, dort radikalisieren sich besorgte Bürger seit Jahren. Es gab Vernetzungstreffen, jetzt ist das Ergebnis da. Von NPD, die RECHTE, Thügida. Wir hatten den NSU, die Terrorgruppe Freital. Ich hoffe, die Behörden wissen, was da vor sich geht. Aber momentan bin ich mir nicht sicher.“

Je stärker die Rechten werden, wenn sie sich zusammenschließen, desto mehr werden Grundgesetz, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie geschwächt. Das macht Oppermann klar: „Wenn die AfD als demokratisch gewählte Partei mit Pegida, Hooligans und Neonazis zusammen auf die Straße geht und sagt: ‘Wir wollen die Konflikte um Migration auf die Straße tragen und dort entscheiden‘ – dann ist das Gewaltmonopol in Frage gestellt. Dagegen muss mit Repression, mit Polizei und Justiz vorgegangen werden.“

Dass zusätzlich von Horst Seehofer nur Beschwichtigung kommt und dieser Maaßen noch in seinem Amt stärkt, quittiert Oppermann mit folgenden Worten: „Horst Seehofer halte ich als Innenminister für eine glatte Fehlbesetzung. Und als Verfassungsminister halte ich ihn für eine Zumutung.“

Insgesamt spricht die Runde in vielen Punkten Klartext und sorgt für eine fruchtbare Diskussion. Aber das Ergebnis kann niemand zufriedenstellen oder gar beruhigen: Denn egal, wie es mit Hans-Georg Maaßen weitergeht, mit der GroKo und Horst Seehofer. Es bleibt der Eindruck, dass der Schaden, den die Demokratie in den vergangenen Wochen erlitten hat, ein dauerhafter sein könnte.