Gendersternchen, Gendergap & Co. - was ist Gendern?

Was man zur sprachlichen Gleichbehandlung von Frauen, Männern und diversen Geschlechtern wissen sollte

Das Thema Gendern polarisiert. (Symbolbild: Getty)
Das Thema Gendern polarisiert. (Symbolbild: Getty)

Keine Frage: Das Thema Gendern polarisiert. Für die einen ist es die sprachliche Manifestation einer gerechteren Gesellschaft, die nicht in binären, vermeintlich biologisch determinierten Vorstellungen von männlich und weiblich verharrt. Für die anderen wird mit der Verwendung des Gendersternchens die deutsche Sprache verunstaltet. Auch in der Politik schlägt das Gendern hohe Wellen. So dient Gendern vielen Populisten als Kampfbegriff, um Stimmung zu machen. Es gibt also gute Gründe, sich einmal genauer anzuschauen, was es mit dem Gendern tatsächlich auf sich hat. Was versteht man eigentlich unter dem Begriff "gendern"? Woher stammt die Praxis und worauf muss man dabei achten? Wir haben 8 Fakten rund ums Gendern zusammengetragen:

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Was bedeutet Gendern?

Gendern ist eine sprachliche Praxis, die darauf abzielt, Geschlechtergerechtigkeit in der Kommunikation herzustellen. Dies bedeutet, die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen, Männern und diversen Geschlechtern zu fördern, um Diskriminierung zu vermeiden. Der Begriff "gender" stammt aus dem englischen Sprachraum und wird auf Deutsch mit "Geschlecht" übersetzt. Damit ist allerdings nicht das biologische Geschlecht gemeint, sondern das soziale Geschlecht beziehungsweise die Geschlechts-Identität. Es bezieht sich als auf das gelebte und gefühlte Geschlecht einer Person.

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Ursprung des Genderns

Der Ursprung des Genderns liegt in der feministischen Linguistik. Die Idee, die deutsche Sprache geschlechtergerechter zu gestalten, wurde bereits in den 1960er Jahren diskutiert, gewann aber in den letzten Jahren verstärkt an Aufmerksamkeit. Alles begann damals mit dem Schrägstrich: Er wurde von Feministinnen eingesetzt, um Frauen in der Sprache sichtbar zu machen. Aus Anwälten wurden Anwält/innen.

Die frühe Frauenbewegung versuchte so, ein Gegengewicht zum generischen Maskulinum zu generieren. Aber bereits damals stieß die Gender-Variante auf Widerstand - auch unter den Feministinnen: Die Frau sei auch hier nur ein sprachlicher Anhang, da sie nicht eigenständig genannt, sondern lediglich mit Hilfe des Schrägstrichs an die männliche Form "geklebt" werde, lautete die Kritik. In der darauffolgenden Zeit haben sich verschiedene Gender-Arten entwickelt.

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Formen des Genderns

Eins vorweg: Es gibt aktuell in der deutschen Sprache keine allgemeingültige Regel für das Gendern. Aber es existieren verschiedene Ansätze, die bereits in vielen Bereichen Anwendung finden. Hier die häufigsten Varianten:

a) Gendern mit Sonderzeichen

  • Gender-Sternchen (die am häufigsten verwendete Variante)

Beispiele: ein*e Anwält*in, die Lehrer*innen.

  • Gendern mit Doppelpunkt

Beispiele: ein:e Mitarbeiter:in, die Lektori:innen.

  • Gendern mit Unterstrich, auch Gendergap genannt

Beispiel: die Arbeiter_innen

  • Gendern mit Schrägstrich

Beispiele: der/die Entdecker/in, ein/-e Kindergärtner/-in (Dieser Genderstil wird von den amtlichen Rechtschreibregeln abgedeckt)

  • Binnen-I

Hier wird nicht immer das „I“ großgeschrieben. Es wird der erste Buchstabe der längeren Wortendung (in der Regel die weibliche Endung) – großgeschrieben.

Beispiele: einE KünstlerIn, die MalerInnen.

b) Gendern ohne Sonderzeichen

  • Genderneutral schreiben

Man nutzt neutrale Begriffe, um Geschlechter grammatikalisch nicht auszuschließen. Beispiele dafür sind: Forscher wird zu Forschende, Mitarbeiter wird zu Mitarbeitende. Anreden wie „Sehr geehrte Damen und Herren“ werden neutral umformuliert:

Sehr geehrte Führungskräfte/Studierende/Teilnehmende…, Liebes Team/Publikum…

  • Doppel-Nennung

Hier werden die maskuline und feminine Form eines Wortes genannt: Florist und Floristin oder Florist/Floristin

Sie finden, das klingt kompliziert? Die gute Nachricht: Wer regelmäßig gendert, dem fällt es mit der Zeit immer leichter. Warum, erklären wir im nächsten Punkt.

Schule
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat im Juli 2023 beschlossen, dass Gendern nach wie vor nicht amtlich sein soll. In der Schule wird es also nicht gelehrt. (Symbolbild: Getty Images)

Gendern hält unser Gehirn fit

Sprachwandel empfinden die meisten Menschen grundsätzlich als negativ. Das ist auch aus der Forschung bekannt. Unbekannte Wörter zu verwenden, ist für unser Gehirn zunächst anstrengend. Je öfter wir aber unbekannte Wörter verwenden, desto mehr neuronale Verknüpfungen bilden sich. Unser Gehirn wird trainiert und es fällt uns immer leichter, die neuen Wörter und Ausdrücke zu einzusetzen. Wenn das Gehirn aktiv bleibt, lernt man nicht nur immer wieder Neues dazu, sondern hält sich so auch geistig fit.

Gendern in anderen Ländern

Gendern ist kein rein deutsches Phänomen. Auch in anderen Ländern wird über geschlechtergerechte Sprache diskutiert. In Schweden verwendet man etwa das geschlechtsneutrale Pronomen "hen" als geschlechtsneutrale Alternative zu "er" („han“) und "sie" („hon). Das Fürwort kommt zum Einsatz, um transsexuelle Personen zu beschreiben, aber auch, wenn das Geschlecht egal oder unbekannt ist. Wie und ob in anderen Ländern gegendert wird, können Sie hier nachlesen:

Prominente Gender-Gegner

Doch es gibt auch viele Kritiker*innen gegen das Gendern. Ein besonders lauter Gegner geschlechtergerechter Sprache: Dieter Hallervorden. Er bezeichnete Gendern als "Vergewaltigung der deutschen Sprache" und musste dafür viel Kritik einstecken. Ein anderer prominenter Kritiker des Genderns ist der Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider. Er verfasste einen kämpferischen "Aufruf zum Widerstand". Die Erklärung: Zwischen dem biologischen und dem grammatischen Geschlecht gebe es "absolut keinen festen Zusammenhang". Geschlechtergerechte Sprache erzeuge "eine Fülle lächerlicher Sprachgebilde". Der Aufruf fand auch in prominenten Reihen zahlreiche Unterstützer*innen: Zu den Erstunterzeichnern gehörten Moderator Peter Hahne, die Kabarettisten Dieter Nuhr, Ex-"Bild"-Chefredakteur Kai Diekmann, Bestsellerautor Bastian Sick sowie 14 Professorinnen und Professoren für Germanistik und Sprachwissenschaften. Auch der Kabarettist Ingo Appelt kann geschlechtergerechter Sprache nichts abgewinnen: In einem Interview mit der Berliner "B.Z." wetterte er: "Hör mir auf damit, das ist doch furchtbar, das ist alles so eine akademische abgehobene Kacke! Natürlich hat es seinen Sinn, aber der ganze Hass kommt auch nicht aus dem Sprechen, sondern vom Schreiben."

H.P. Baxxter
Scooter-Frontman H.P. Baxxter mag es laut. Gendern mag er aber gar nicht. (Bild: Getty Images)

Zustimmen würde ihm dabei vermutlich auch Scooter-Sänger H.P. Baxxter. In einem Interview mit der "Radio Hamburg"-Morningshow ätzte der "Maria (I like it loud)"-Interpret: "Gendern finde ich zum Kotzen! Das hat ja nichts damit zu tun, dass man Frauen akzeptiert, es ist einfach nur eine Verunglimpfung der Sprache und sagt nichts weiter aus."

Absurde Gender-Beispiele

Auch wenn man hinter geschlechtergerechter Sprache steht – man muss zugeben, dass das Gendern zuweilen auch etwas merkwürdige Blüten treibt.

Manchmal geht es trotz viel gutem Willen auch einfach schief – das zeigt Bundeskanzler Olaf Scholz, der die "Kinderkrankenschwesterin" in diesem Interview einen "ganz, ganz wichtigen Beruf" nennt:

Bei anderen Gelegenheiten tat sich der Politiker offenbar ebenfalls schwer mit den korrekten Formulierungen:

Auch die Hamburger Polizei musste für ihren Tweet über "einen Bösewicht und zwei Bösewichtinnen", die von "Polizeienden" gefasst wurden, viel Kritik einstecken:

Ob sich die Beamt*innen mit den Formulierungen einen Scherz erlaubt haben, ist nicht bekannt. Zumindest bei "Bösewichtin" handelt es sich laut Duden jedoch um eine korrekt gegenderte Form.

Viel gelacht wird im genderkritischen Austausch auch über absurde (und natürlich übertriebene) sprachliche Blüten wie "Muskelkatze" oder "Pfefferstreuerin". Dass es sich dabei um nicht ernst gemeinte, polemische Übertreibungen und keineswegs um ernstzunehmende Irrwüchse des Genderns handelt, wird in Diskussionen zum Thema von Gegnerinnen und Gegnern des Genderns häufig unter den Tisch gekehrt.

Auswirkungen von Gendern auf Berufswahl

Dass unsere Sprache und insbesondere Gendern einen Einfluss auf unsere Lebensrealität besitzt, zeigt eine Studie: Wenn Stellenanzeigen in geschlechtsneutraler Sprache verfasst werden und weniger maskuline Begriffe wie "Führung", "dominant" oder "wettbewerbsfähig" zum Einsatz kommen, bewerben sich laut den Studienergebnissen mehr Frauen für die ausgeschriebene Position. Eine andere Untersuchung zeigt, dass männlich formulierte Stellenanzeigen sogar dazu führen, dass Frauen für die Stelle bei gleicher Qualifizierung seltener eine Zusage erhalten. Den Teilnehmenden wurden verschiedene Stellenanzeigen vorgelegt. Gesucht wurden:

  • "ein Geschäftsführer"

  • "ein Geschäftsführer (m/w)" oder

  • "ein Geschäftsführer oder eine Geschäftsführerin"

Anschließend sollten die Proband*innen fiktive Bewerbungen anhand von Lebenslauf und Co. beurteilen und einschätzen, ob die Personen für die Stelle geeignet sind. Obwohl die Bewerberinnen als gleich kompetent eingeschätzt wurden, wurden sie als weniger geeignet eingestuft, wenn in der Ausschreibung ein “Geschäftsführer” oder “Geschäftsführer (m/w)” gesucht wurde. Dies änderte sich jedoch bei der Formulierung “Geschäftsführer oder Geschäftsführerin". Sprache schafft also Realität. Wer sprachlich unterrepräsentiert ist, verliert an Bedeutung.

Übrigens: Seit Ende 2018 gibt es in Deutschland auch den Eintrag "divers" im Geburtenregister. Paragraf 11 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) schreibt deshalb vor, dass Stellen geschlechtsneutral ausgeschrieben werden müssen. Umgesetzt wird dies beispielsweise durch den Zusatz (m/w/d).