UNO: Kinderklinik in Kiew "sehr wahrscheinlich" von russischer Rakete getroffen

Einen Tag nach dem Beschuss des größten Kinderkrankenhauses der Ukraine haben die Vereinten Nationen heftige Vorwürfe in Richtung Moskau erhoben: Es sei "sehr wahrscheinlich", dass die Klinik "direkt" von einer russischen Rakete getroffen wurde. (Roman PILIPEY)
Einen Tag nach dem Beschuss des größten Kinderkrankenhauses der Ukraine haben die Vereinten Nationen heftige Vorwürfe in Richtung Moskau erhoben: Es sei "sehr wahrscheinlich", dass die Klinik "direkt" von einer russischen Rakete getroffen wurde. (Roman PILIPEY)

Einen Tag nach dem Beschuss des größten Kinderkrankenhauses der Ukraine haben die Vereinten Nationen die Angaben der Ukraine bestätigt: Es sei "sehr wahrscheinlich", dass die Klinik "direkt" von einer russischen Rakete getroffen worden sei, hieß es am Dienstag in Genf. In Kiew wurde derweil ein Nationaler Trauertag abgehalten, um der mindestens 31 Todesopfer in der Hauptstadt bei den Angriffen am Vortag zu gedenken. Zugleich griff die ukrainische Armee verstärkt Ziele in Russland an.

Videoaufnahmen zeigten, dass die Ochmatdyt-Kinderklinik "direkt" von einem in Russland gestarteten Marschflugkörper vom Typ CH-101 getroffen worden sei, sagte die Leiterin der UN-Mission zur Beobachtung der Menschenrechte in der Ukraine, Danielle Bell. Es handele sich um "einen der ungeheuerlichsten Angriffe" seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022.

Zuvor hatte bereits UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk den Angriff auf die Kinderklinik als "abscheulich" verurteilt. "Unter den Opfern waren die kränkesten Kinder der Ukraine."

Unmittelbar nach dem Beschuss des Kinderkrankenhauses hatte der ukrainische Inlandsgeheimdienst SBU erklärt, dass vor Ort "relevante Beweise, insbesondere Fragmente vom hinteren Teil einer Ch-101-Rakete" inklusive einer Seriennummer, gefunden worden seien. Moskau bestritt hingegen eine Verantwortung und erklärte, das Krankenhaus sei von herabfallenden Trümmern ukrainischer Luftabwehrraketen getroffen worden.

Russland hatte die gesamte Ukraine am Montag mit massiven Angriffen überzogen, die ukrainischen Behörden veröffentlichten am Dienstag eine Opferbilanz: Demnach wurden durch dutzende russische Raketen landesweit etwa 40 Menschen getötet und mindestens 190 weitere verletzt. Allein in Kiew gab es 31 Tote - darunter vier Kinder.

Am Dienstagmorgen wurden nach Angaben von Bürgermeister Vitali Klitschko fünf weitere Leichen aus den Trümmern eines Wohnhauses im westlichen Stadtteil Syrets geborgen. Sieben Menschen - fünf Pflegekräfte und zwei Patienten - kamen demnach beim Beschuss einer Privatklinik im Osten der Stadt ums Leben.

Besondere Empörung hatte der Angriff auf das Ochmatdyt-Krankenhaus ausgelöst, der größten Kinderklinik des Landes. Dabei waren zwei Menschen getötet sowie 32 weitere verletzt worden.

Von den rund 630 Patienten, die in der Klinik behandelt wurden, wurden nach Angaben des ukrainischen Gesundheitsministeriums 94 in andere Krankenhäuser der Hauptstadt verlegt. Mehr als 460 mussten nach Hause zurückkehren, 68 weitere blieben in Gebäuden, die nicht beschädigt wurden.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte als Reaktion auf die schweren Angriffe eine Krisensitzung des UN-Sicherheitsrats gefordert. Das höchste UN-Gremium wollte am Dienstagnachmittag in New York zusammenkommen.

Nahezu zeitgleich sollte in Washington der Nato-Jubiläumsgipfel beginnen, bei dem die weitere Unterstützung für die ukrainische Armee im Kampf gegen die russischen Streitkräfte eines der Hauptthemen sein sollte. An dem Treffen wird auch Selenskyj teilnehmen, der vehement auf verstärkte Waffenlieferungen des Westens drängt.

Vor Beginn des Nato-Treffens kündigte US-Präsident Joe Biden "neue Maßnahmen" zur Stärkung der ukrainischen Luftabwehr an. Die USA und ihre Verbündeten würden diese neue Unterstützung auf ihrem Gipfel bekanntgeben. Biden bezeichnete die massiven Raketenangriffe auf die Ukraine als eine "schreckliche Erinnerung an Russlands Brutalität" in dem Krieg, der im Februar 2022 begann.

Offenbar als Reaktion auf die Angriffe vom Montag griff die ukrainische Armee ihrerseits mehrere russische Regionen an. Der Gouverneur der Grenzregion Belgorod erklärte am Dienstag, dabei seien binnen 24 Stunden mindestens vier Menschen getötet worden. Auch aus anderen westrussischen Regionen wurden ukrainische Angriffe gemeldet, unter anderem aus Kursk und Wolgograd.

In der Region Belgorod wurden laut Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow neben den vier Todesopfern auch 20 Menschen verletzt. Die vergangenen 24 Stunden seien "unruhig" und "schwierig" gewesen, schrieb Gladkow im Onlinedienst Telegram.

Das Verteidigungsministerium in Moskau teilte mit, in der Nacht seien 38 ukrainische Drohnen zerstört worden, darunter 21 über der Region Rostow und fünf über Astrachan. Der Gouverneur von Astrachan sprach von einem "massiven Versuch, Ziele mit Drohnen anzugreifen".

jes/lt/ju