Hardy Krüger bei Lanz: “Es ist eure Zukunft, euer Land“

Geschichtsstunde und Vergangenheitsbewältigung am Dienstag bei Markus Lanz: Er hat Gäste eingeladen, die immer wieder zurückblicken und aufzeigen, welche Lehren wir heute daraus ziehen können – und müssen: Die 28-jährige Ruth-Anne Damm spricht für den Verein “Heimatsucher e.V.” mit Holocaust-Überlebenden. Der Historiker Dr. Stefan Hördler leitet die KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora. Der Theologe und Autor Dr. Manfred Lütz, schrieb ein Buch über den Auschwitz-Überlebenden Jehuda Bacon. Doch den wohl berührendsten Auftritt der Runde hat der weltbekannte Schauspieler Hardy Krüger.

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Krüger ist 88 Jahre alt und hat ein Buch geschrieben, wie er vom Hitler-Anhänger zum Nazi-Gegner wurde. In „Was das Leben sich erlaubt – Mein Deutschland und ich“ beschreibt er seine Kindheit im Dritten Reich und die Grausamkeiten des Krieges. „Ich bin ein junger Nazi gewesen“, denkt er bei Lanz zurück. Erzogen von „verblendeten“ Eltern posierte er mit fünf Jahren auf den Familienfotos in der Hitlerjugend-Uniform, auf dem Klavier stand eine Hitler-Büste. Vater und Mutter waren stolz, als er zum SS-Nachwuchs ausgebildet werden sollte. Doch Krüger führte ein Doppelleben. Er half als Kurier Juden bei ihrer Flucht über die Grenze in die Schweiz.

Krüger kämpft bei Lanz mit den Tränen

Als junger Soldat mit 16 Jahren war er in den letzten Monaten des Krieges für die Waffen-SS-Division „Nibelungen“ im Einsatz. Und bekam den Befehl, auf amerikanische Soldaten zu schießen. Der Berliner konnte nicht: Die Soldaten des Spähtrupps erinnerten ihn an Jesse Owens, den ersten dunkelhäutigen Läufer, der bei den Olympischen Spielen Gold gewann. “Er war der erste schwarze Mensch, den ich gesehen habe…Er war mein Held.”

Doch mit seiner Befehlsverweigerung macht er sich schuldig. Es ist deshalb ein kleines Wunder, dass Hardy Krüger heute überhaupt bei Lanz sitzen kann. Im Zweiten Weltkrieg wurde er von einem SS-Gericht zum Tode verurteilt. “Ich kann darüber nicht reden…” Die Stimme des Schauspielers bricht ab, als ihn Lanz auf sein Todesurteil anspricht, er kämpft mit den Tränen. Ein Vorgesetzter rettete ihm schließlich das Leben.

“Da werde ich richtig wütend!”

Genau aufgrund seiner Erfahrungen im Dritten Reich will Krüger heute Nazis und Rassisten „bekämpfen“ – mit seinen Geschichten, die er auch an Schulen unermüdlich erzählt, „seit 1957, als die ersten Hakenkreuze an die Synagoge von Köln geschmiert wurden.“ Mit Blick auf den wachsenden Extremismus appelliert er an die jungen Menschen: “Es ist eure Zukunft, euer Land, und ihr Schüler müsst mithelfen, dass es dazu nicht kommt.“

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Denn im Grunde ist die kleine Geschichtsstunde ganz aktuell: Volksverräter, Lügenpresse, Anfeindungen gegen Flüchtlinge: „Plötzlich sagt man wieder Dinge laut, die Jahrzehnte lang tabu waren“, stellt Markus Lanz fest. Genau darum ist es wichtig, dass es Menschen wie Krüger gibt, Zeitzeugen, die heute ihre Stimme erheben und immer wieder aufklären. „Die Tatsache, dass es seit diesem Jahr Nazis in Parteien gibt, die auch gewählt werden, ist für mich eine einzige Katastrophe“, wettert Krüger. „Da werde ich richtig wütend!“ Er wolle die „neuen Nazivereinigungen begreifen“ und dagegen „ankämpfen“.

„Es war ein großes Vergnügen“, sagt Lanz am Ende der Sendung. Das Wort will nicht so recht zum schweren Themader Diskussion passen. Doch es gilt dem Moderator Dank, dass er sich die Zeit genommen hat, eine Runde ganz dem Blick in die Vergangenheit zu widmen. Es ist eine Lanz-Sendung, die zum Nachdenken anregt und die nachklingt, weil sie zeigt, wie wichtig es gerade für unsere Gegenwart und Zukunft ist, immer wieder über die Vergangenheit zu reden.

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