"Hat mich wirklich verletzt": Lanz und Precht wehren sich gegen Antisemitismus-Vorwürfe

"Das ist falsch, das war salopp dahergeredet": Richard David Precht und Markus Lanz haben Fehler in ihrem jüngsten Podcast zum Krieg in Israel eingeräumt. Die Antisemitismusvorwürfe hätten sie jedoch hart getroffen. Beide sehen eine "Unsitte" der Medienlandschaft am Werk.

Richard David Precht und Markus Lanz lösten mit ihrem gemeinsamen ZDF-Podcast heftige Kritik aus. (Bild: ZDF / Christian Bruch)
Richard David Precht und Markus Lanz lösten mit ihrem gemeinsamen ZDF-Podcast heftige Kritik aus. (Bild: ZDF / Christian Bruch)

Als Reaktion auf die Kritik an ihrem Podcast über den Krieg in Israel haben sich Markus Lanz und Richard David Precht in einer Sonderausgabe ihrer vom ZDF produzierten Gesprächsreihe zu Wort gemeldet. Es seien im Zusammenhang mit ultraorthodoxen Juden "ein paar Sätze gefallen, die mindestens missverständlich waren", wie Lanz in seiner Anmoderation gleich einräumte.

Zugleich betonte er, die Heftigkeit der Anwürfe habe ihn getroffen. Gerade in Bezug auf seinen Freund und Diskussionspartner Precht. "Es hat mich getroffen, dass du in Windeseile - und ich nebenbei gleich mit - zum Antisemiten umetikettiert worden bist", sagte Lanz. Er wisse aus persönlichen Gesprächen mit Precht, dass er alles andere als ein Antisemit sei und ihm die Aufarbeitung der Shoah immer "ein Herzensanliegen" gewesen sei. Das gelte auch für ihn selbst, betonte Lanz, der unter anderem auf viele Ausgaben seines ZDF-Talks verwies, in denen Holocaust-Überlebende zu Gast waren. "Deswegen hat mich das wirklich verletzt."

Precht: "Das ist falsch, das war salopp dahergeredet"

Den Eklat ausgelöst hatten verschiedene Äußerungen Prechts über die Gesellschaft in Israel. Insbesondere jene, in welcher der promovierte Germanist und Philosophie-Talk-Gastgeber ("Precht", ZDF) unterstellt hatte, die Religion verbiete es streng orthodoxen Juden zu arbeiten. Zitat Precht: "Ein paar Sachen, wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen." Nach heftiger Kritik aus Politik, Medien, Verbänden und sogar der israelischen Botschaft wurde der Passus vom ZDF nachträglich gelöscht.

"Das ist falsch, das war salopp dahergeredet, und das entspricht einfach nicht den Fakten", nahm Richard David Precht jetzt die Aussage zurück und ließ eine Entschuldigung folgen bei all jenen, "die darin etwas Antisemitisches gesehen haben." Antisemitismus sei ihm "so fern wie kaum irgendetwas anderes".

Markus Lanz war gedanklich "schon beim nächsten Gedanken"

Precht stellte klar: Es gebe "kein religiöses Gebot, nicht zu arbeiten", sondern es geschehe "quasi freiwillig". Der Bestsellerautor weiter: "Der Hauptgrund, warum Juden nicht gearbeitet haben, und das lernt man in der Oberstufe in der Schule (...), ist natürlich, dass sie ausgeschlossen waren aus den Zünften, aus den Gilden im Mittelalter, dass sie aus den Handwerksberufen herausgedrängt oder gar nicht zugelassen worden sind und dass sie dann ausgewichen sind in mehrere Tätigkeiten, unter anderem in Finanzgeschäfte."

Markus Lanz nimmt Richard David Precht in Schutz: "Sie können ihm mangelndes Wissen vorwerfen"

Das alles sei ihm jederzeit klar gewesen, er habe den kritisierten Satz "lax eingeworfen" unter den Eindrücken einer kürzlich unternommenen Reise nach Antwerpen, wo er sich näher mit Diamantenhandel beschäftigt habe. Den historischen Sachverhalt habe er "durch die Verkürzung falsch und schief dargestellt". Precht bat noch mal um Verzeihung: "All die Menschen, deren religiöse Gefühle ich verletzt habe, oder die sich verzerrt dargestellt gesehen haben oder die das an antisemitische Klischees erinnert hat, bei denen entschuldige ich mich ganz und gar, denn nichts liegt mir ferner."

Dass sein Gegenüber an der Stelle nicht eingehakt habe, erklärte Markus Lanz damit, dass er "schon beim nächsten Gedanken war" und die Ausführung Prechts deshalb "nur halb wahrgenommen" habe. Zugleich relativierte Lanz die Kritik. Prechts Ausführung sei bei näherer Betrachtung "ein bisschen richtig, ein bisschen falsch".

Lanz und Precht fühlen sich an den Pranger gestellt

Nach einem Austausch mit der unter ultraorthodoxen Juden aufgewachsenen Bestsellerautorin Deborah Feldman könne er wiedergeben, dass zwar kein religiöses Arbeitsverbot im Judentum bestehe, bei den Ultraorthodoxien die Arbeit jedoch ausschließlich "dem Ziel des notwendigen Unterhalts" gewidmet sei, nicht aber "zur eigenen Bereicherung oder dem Genuss irdischer Dinge vorgesehen". Zu viel weltliche Arbeit werde "kritisch beäugt", da sie zulasten der spirituellen Arbeit gehen könne.

Durch die moderne Errungenschaft der Sozialhilfe, so Lanz weiter unter Berufung auf die deutsch-amerikanische Schriftstellerin, sähen sich Ultraorthodoxe erstmals "mit der Schwierigkeit konfrontiert, eine weltliche Arbeit religionsbedingt als unerlässlich einzuordnen". Denn wenn sie ausfalle, folge nicht unbedingt die Hungersnot. Aus diesem Grund würden sich "Teile der ultraorthodoxen Welt" auch in Israel für das religiöse Studium entscheiden, "weil sie nicht mehr argumentieren können, das sie Arbeit überlebensnotwendig wäre".

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Zuletzt prangerten Lanz und Precht den medialen Umgang mit ihnen an. Lanz erinnerte an das Beispiel des Linken-Politikers Gregor Gysi, der unlängst in seiner Sendung das N-Wort ausgesprochen habe. Er habe dann als Moderator mittels eines "Kunstgriffs" das sprachliche Verrutschen korrigiert und nicht skandalisiert, im Wissen, dass im Falle Gysis keine rassistische Gesinnung dahinterstehe. Solche Fairness vermissen Lanz und Precht gleichermaßen.

"Wir haben das große Problem in unserer Medienlandschaft, Dinge zu dekontextualisieren, um sie an den Pranger zu stellen", monierte Richard David Precht. Er sprach von einer "Unsitte", einer "Art der Kultur, wie wir nicht miteinander umgehen sollten". Markus Lanz prognostizierte: "In zehn Jahren werden wir dasitzen und die Gräben beklagen, die durch diese Art des Diskurses entstanden sind und uns fassungslos ansehen."

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