Hidden Headlines: Entstand die Sphinx nicht allein durch Menschenhand?

Sie ist eine der bekanntesten und monumentalsten Statuen der Welt: Seit Jahrtausenden wacht die Große Sphinx vor den Pyramiden von Gizeh. Bis heute gibt sie Forschenden Rätsel auf. Eines ihrer Geheimnisse ist nun gelüftet.

Sphinx
Auch nach Jahrhunderten der Forschung gibt die Große Sphinx von Gizeh ihre Geheimnisse nur nach und nach preis.

Neben den Pyramiden ist die Große Sphinx von Gizeh zweifellos das bekannteste Symbol des Alten Ägypten. Die Skulptur ist so hoch wie ein sechsstöckiges Gebäude. Sie ist über 70 Meter lang und ihr kolossaler Körper besteht aus einem einzigen Felsen.

Geschaffen durch die Kräfte der Natur

Doch offenbar waren es nicht die alten Ägypter, die der Skulptur ihre charakteristische Form gaben. Vielmehr scheinen die Kräfte der Natur eine Rolle bei der Entstehung gespielt zu haben. Das vermuten Forschende der New York University. Ihre Studienergebnisse wurden in einer Pressemitteilung der Universität veröffentlicht.

"Unsere Ergebnisse bieten eine mögliche 'Entstehungsgeschichte' dafür, wie durch Erosion sphinxartige Formationen entstehen können", so der Experimentalphysiker und Mathematiker Leif Ristroph von der New York University. "Unsere Laborexperimente haben gezeigt, dass überraschend sphinxartige Formen tatsächlich aus Materialien entstehen können, die durch schnelle Strömungen erodiert werden."

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Alte Theorie auf dem Prüfstand

Bereits seit den 1980er Jahren kursiert in der Wissenschaft die Vermutung des NASA-Geologen Farouk El-Baz, dass der Wüstenwind bei der Entstehung der Sphinx eine maßgebliche Rolle gespielt haben könnte. Diese Hypothese basierte wiederum auf führenden Arbeiten des Planetengeologen Ronald Greeley, der durch Simulationen in Windkanälen simuliert untersucht hatte, wie Winderosion Strukturen in der Wüste formen kann. Um die Hypothese von El-Baz zu überprüfen, baute ein Forscherteam das Gelände im Nordosten Ägyptens nach, auf dem die Sphinx steht. Dazu verwendeten sie "Hügel" aus weichem Lehm, in die härteres, weniger erodierbares Material eingebettet war. Anschließend ließen die Wissenschaftler*innen Wasser über diese "Landschaft" strömen. Das sollte den Wind in der Wüste simulieren. Das Ergebnis: Der Wasserstrahl formte die Lehmklumpen um, bis schließlich eine sphinxartige Formation entstand. Das härtere Material wurde zum "Kopf" des Löwen und weitere Merkmale wie ein "Hals", auf dem Boden ruhende "Pfoten" und ein gewölbter "Rücken" entstanden.

Der Verwitterungsprozess unter Laborbedingungen
Der Verwitterungsprozess unter Laborbedingungen. Die orangefarbenen Linien zeigen den Verlauf der Strömungen an.

Nutzten die alten Ägypter einen Yardang als Rohling?

"Unsere Ergebnisse liefern eine einfache Ursprungstheorie dafür, wie durch Erosion sphinxartige Formationen entstehen können", so Ristroph in einer Pressemitteilung. "Tatsächlich gibt es heute Yardangs, die wie sitzende oder liegende Tiere aussehen, was unsere Schlussfolgerungen stützt."

Yardangs sind langgestreckte, vom Wind geformte Landformen. Sie entstehen durch das Zusammenspiel von Wind, Sand und Staub. Ähnlich einem Sandstrahlgerät formt der Wind zusammen mit Sandkörnern und Staub die Oberfläche der Yardangs und schleift sie mit der Zeit in Form. Typisch sind langgestreckte Kuppen oder Rücken mit abgerundeten Kanten.

Yardang
Ein länglicher Yardang könnte als Grundform für die Sphinx gedient haben.

In der Wüste gebe es Yardangs, die von Natur aus wie sitzende oder liegende Tiere mit erhobenem Kopf aussehen, so Ristroph im Interview mit CNN. "Einige von ihnen ähneln so sehr einem sitzenden Löwen oder einer sitzenden Katze, dass sie manchmal 'Schlammlöwen' genannt werden. (…) Unsere Experimente könnten zum Verständnis der Entstehung dieser Yardangs beitragen", so Studienleiter Leif Ristroph. Ein Yardang könnte also der Ausgangspunkt für die kolossale Statue gewesen sein.

Kooperation aus Mensch und Natur

Die Forscher gehen jedoch nicht davon aus, dass der Mensch an der endgültigen Form der Sphinx völlig unbeteiligt war. Ähnlich wie das Wasser im Laborversuch könnte auch der Wind dazu beigetragen haben, die Felsen so zu erodieren, dass sie auf natürliche Weise die Grundform einer Sphinx annahmen. Die alten Ägypter hätten dann nur noch den Transport organisieren und die Feinarbeit, wie die Modellierung des Kopfes und die dekorativen Details, ausführen müssen. "Es ist nicht schwarz oder weiß. Niemand sagt, dass es etwas ist, das ausschließlich von Menschen gemacht wurde, und niemand sagt, dass es ausschließlich von der Natur gemacht wurde. Die Frage ist, wie viel davon auf natürliche Weise entstanden ist und dann vielleicht verändert wurde", sagte Ristroph gegenüber CNN. "Unsere Studie zeigt, dass ein großer Teil des Kopfes, des Halses und der Beine sehr wohl von der Natur, von der Erosion geschaffen worden sein kann.

Langlebigkeit der Sphinx hat einen Grund

Da in der Wüste auch heute noch starke Winde wehen, die für eine stetige Erosion der Sphinx sorgen, hat die Form der Sphinx einen entscheidenden Vorteil. "Hätten die alten Ägypter ihre Monumente in Form eines Würfels, eines Rechtecks oder gar eines Stadions gebaut, wären sie längst von der verheerenden Winderosion ausgelöscht worden", erklärt der NASA-Geologe El-Baz in einem Artikel der Campuszeitung der Boston University Bridge.

Bis die Sphinx also vollends im Wüstensand Ägyptens verschwindet, haben Forschende also noch Zeit, um auch ihre letzten verbleibenden Geheimnisse zu lüften.

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