Rückgrat unserer Wirtschaft - Dieser Aktien-Index zeigt, wie schwer der Mittelstand in Deutschland zu kämpfen hat

Der deutsche Mittelstand verliert im MDAX sein Kurshoch.<span class="copyright">Getty Images/ Hiroshi Watanabe</span>
Der deutsche Mittelstand verliert im MDAX sein Kurshoch.Getty Images/ Hiroshi Watanabe

Der MDax bündelt die Unternehmen, auf die die Deutschen besonders stolz sind: Die Mittelständler, die unbekannten Weltmarktführer, die Stabilitätsanker dieser Republik. Und jetzt das: Hatte der MDax einst den Dax regelmäßig geschlagen, ist er jetzt in eine nachhaltige Schwächephase gerutscht.

Viele der im MDax##chartIcon der Deutschen Börse notierten mittelgroßen Aktiengesellschaften notieren derzeit weit unter ihren Bestwerten. Der Index insgesamt macht im ersten Halbjahr die optimistische Bewegung bei den international orientierten Großkonzernen nicht mit. Dabei überrundete der Mdax seinen großen Bruder, den Dax##chartIcon , in der Vergangenheit schon einige Male deutlich. Ist die Schwäche des Mittelstandsegments ein Zeichen dafür, das die Krise nun auch das Rückgrat der Wirtschaft, eben den Mittelstand trifft?

Ein Tief wie zuletzt im Januar

Anleger von Indexfonds auf den MDax sehen zum Ende des ersten Halbjahres 2024 schwache Wertentwicklungen. Von den überragenden 36.000 Indexpunkten im September 2021 ist in nicht einmal drei Jahren fast ein Drittel verschwunden, bei nur gut über 25.300 notiert der Index zum Halbjahr. Das Tief vom Januar 2024 ist damit wieder erreicht und eine Schadensbilanz von minus 5 Prozent steht zu Buche. Auf der anderen Seite ist der Dax unverdrossen in der Gegenrichtung unterwegs: Mit gut über 18.000 Punkten erzielte er eine glänzende Performance seit Jahresbeginn, das entspricht gut zehn Prozent Zuwachs.

Analysten rätseln über beides: Die Dax-Stärke ebenso wie über die Schwäche des kleinen Bruders. Die Deutschland-Niederlassung der St. Gallener Kantonalbank (SGK) verweist auf jüngste, erneute Negativsignale vom Ifo-Index. Die Münchener Wirtschaftsforscher sehen Deutschland nicht auf einem wirtschaftlich guten Weg. Diese Einschätzung müsste allerdings auch den Dax bremsen, streng genommen. Der aber spiegelt inzwischen vor allem Unternehmen, die ihre Gewinne zu großen Teilen im Ausland erwirtschaften, und da vor allem in Wachstumsregionen.

Hausgemachte Herausforderungen

Die MDax-Mitglieder sind zwar teils auch international engagiert, dabei allerdings nicht so sehr im Fokus der internationalen Investoren, denen immerhin rund 70 Prozent an den Dax-Firmen sogar gehören. Für die mittelgroßen Aktiengesellschaften sehen die Analysten eine Reihe von hausgemachten Herausforderungen, und nennen auch Beispiele.

So ging es mit dem Bekleidungskonzern Hugo Boss##chartIcon seit Januar kontinuierlich bergab. Rund ein Drittel des Börsenwerts sind vernichtet. Die Auslöser sieht SGK-Analyst Michael Winkler in der Rücknahme der Umsatzziele für 2024 und in der Aussicht auf nur noch einstelliges Umsatzwachstum 2024, was CEO Daniel Grieder zum Entsetzen der Anleger mit einer vorsichtigen Bewertung der Unternehmensaussichten für 2025 verbunden hatte. Unlängst verkündete Hugo Boss, wieder mehr in Europa und Amerika zu produzieren, jeweils näher am Endkunden, „auch wenn es in Asien günstiger wäre”, so Grieder: „Das Verschicken über Kontinente hinweg ist nicht mehr zeitgemäß”. Die Botschaft des Chefs konnte den Börsentrend allerdings nicht wenden.

Weiteres Beispiel: Aixtron##chartIcon , innovativer Hersteller von Anlagen zur Chipproduktion, verlor 2024 gar mehr als die Hälfte seines Börsenwertes. Anlagespezialist Winkler sieht da übertriebene Erwartungen enttäuscht und geopolitische Unsicherheiten als Mit-Auslöser des Kursrutsches.

Überall niedriges Kursniveau

Aixtron gehört zu den innovativsten Nano- und Optoelektronik-Unternehmen seiner Branche und ist eines der wenigen Mitglieder des früheren Neuen Marktes der Frankfurter Börse, das nicht unter die Räder kam. Gemessen am Kursniveau 2020/2021 sind immer noch Gewinne beim Anleger, aber eine Halbierung des Börsenwertes in nur einem halben Jahr ist schon ungewöhnlich. Und eine Trendwende, auch beim Auftragseingang, sei nicht in Sicht, urteilten gerade die Analysten der britischen Barclays Capital und nahmen ihr Kursziel zurück auf 22 Euro. Von Ende Juni aus gesehen wären das immer noch ehrgeizige 20 Prozent Kurszuwachs - von den momentanen rund 18 Euro. Derzeit steht das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für 2025 bei 14 – ein Wert, der als sehr moderat gilt. Wenn denn die Erholung absehbar wäre.

Bislang haben die Einbrüche im MDax auch nicht dazu geführt, dass Anleger grosso modo frische Einstiegschancen gewittert hätten, dafür ist auch wieder Hugo Boss mit einem KGV von gerade einmal 9 ein Beispiel. Auch die gerade in den MDax aufgenommene TUI##chartIcon hat in den letzten Monaten nicht vom sich bessernden Reisemarkt profitiert, nicht einmal vom Ausfall des Konkurrenten FTI, der in die Insolvenz rutschte. Jeder Erholungsversuch der Aktie verflüchtigte sich nach kurzer Zeit. Auch TUI ist an der Börse keineswegs hoch bewertet.

Fehlende Internationalität ein Nachteil

Generell leidet der MDax unter einigen systembedingten Nachteilen, die er in guten Zeiten spielend ausgleichen konnte. Der Index verliert regelmäßig bis zu viermal im Jahr seine Größten und Besten, die nämlich beim regelmäßigen Screening der Deutschen Börse als DAX-40-Kandidaten ermittelt werden und in die große Börsenliga aufsteigen. Weit weniger bedeutsam in den Auswirkungen ist der Abstieg schwächerer Werte vom MDax in den SDax, schon wegen des geringeren prozentualen Gewichts der jeweiligen Unternehmen. Das gilt etwa gerade für die Sixt##chartIcon -Aktie, die den MDax verlassen musste.

Außerdem weist der MDax, und nochmals stärker der SDax der kleineren Nebenwerte, eine derzeit nur als Schwäche zu bezeichnende Eigenschaft seiner Mitgliedsunternehmen auf: Über 30 Prozent der Umsätze generieren die Firmen (noch) in Deutschland. Beim Dax sind es gerade einmal die Hälfte davon. Während also die Orientierung auf das vor allem außereuropäische Ausland einen echten Vorteil verschafft, bleiben jene Unternehmen, die man gemeinhin als Rückgrat der deutschen Wirtschaft bezeichnet, zu einem bedeutenden Teil den deutschen und den EU-Verhältnissen unterworfen.

Was das im einzelnen bedeutet, lässt sich an den jüngst wieder veröffentlichten dramatischen Insolvenzzahlen ablesen: In vielen Fällen dürfte es sich um Auswirkungen hoher Energiepreise, flauer Verbraucherstimmung und der sprichwörtlich erstickenden Bürokratie handeln, die nicht nur Geld verschlingt, sondern auch Kapazitäten bindet, die der Mittelstand dringend im realen Wettbewerb einsetzen müsste. Berüchtigt inzwischen: das “Lieferkettensorgfaltsgesetz” mit seinen teils unerfüllbaren Vorgaben (wenn man denn im Geschäft bleiben will). Selbst wer nicht gleich pleitegeht, sieht die Bremsspuren der EU-Regulierung jeweils spätestens im Zahlenwerk des Folgejahres. So jedenfalls charakterisieren es nicht nur die entsprechenden Unternehmerverbände, sondern auch maßgebliche Wirtschaftsforschungsinstitute.