EU-Gipfel auf der Suche nach Wettbewerbsfähigkeit

Um mit den USA und China mithalten zu können, will die EU die Größe ihres Binnenmarktes besser nutzen. Der Binnenmarkt habe "seine Potenziale und Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft", sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem EU-Gipfel. (Ludovic MARIN)
Um mit den USA und China mithalten zu können, will die EU die Größe ihres Binnenmarktes besser nutzen. Der Binnenmarkt habe "seine Potenziale und Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft", sagte Kanzler Olaf Scholz (SPD) nach dem EU-Gipfel. (Ludovic MARIN)

Um mit den USA und China wirtschaftlich mithalten zu können, will die EU die Größe ihres Binnenmarktes besser nutzen. Der Binnenmarkt habe "seine Potenziale und Möglichkeiten noch lange nicht ausgeschöpft", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag nach einem Gipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel. EU-weit einheitlichere Regeln für den Finanzmarkt sollen größere Investitionen für Unternehmen ermöglichen, eine Reihe kleinerer Mitgliedstaaten verhinderte allerdings eine Erklärung für eine Angleichung der Steuersysteme.

"Auf europäischer Ebene gibt es ein gigantisches Finanzvolumen", das es mit Blick auf den Klimawandel, die Digitalisierung und geopolitische Krisen zu nutzen gelte, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel. In der EU könnten "zusätzlich rund 470 Milliarden Euro pro Jahr an Finanzmitteln über die Kapitalmärkte" generiert werden, erklärte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der europäische Finanzmarkt sei "zu fragmentiert und nicht attraktiv genug", sagte der ehemalige italienische Regierungschef Enrico Letta. In Brüssel stellte er einen Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit der EU vor, den er im Auftrag der Mitgliedstaaten erarbeitet hatte.

Die Staats- und Regierungschefs sprachen sich dafür aus, die Gesetze für das Insolvenzrecht von Unternehmen EU-weit anzugleichen. Eine ähnliche Absichtserklärung für eine Vereinheitlichung des Steuerrechts für Unternehmen wurde auf Drängen kleinerer Mitgliedstaaten wie Estland, Irland und Luxemburg allerdings aus den finalen Schlussfolgerungen gestrichen.

"Als kleines Land haben wir nicht viele Wettbewerbsvorteile", erklärte Estlands Regierungschefin Kaja Kallas. Einer sei aber ein "sehr kompetitives Steuersystem", das die EU Estland nicht "wegnehmen" dürfe. Es gebe "breite Bedenken" gegen eine Vereinheitlichung des Steuerrechts für Unternehmen, betonte auch Irlands Regierungschef Simon Harris.

Die Finanzmarktreform soll für größere private und öffentliche Investitionen in der EU sorgen. Bislang gelten in den 27 EU-Ländern unterschiedliche Regeln für die Besteuerung und das Insolvenzrecht von Unternehmen. Investitionen über Grenzen hinweg sind deshalb häufig kompliziert.

Die kleineren EU-Staaten befürchten dadurch auch noch umfangreichere staatliche Hilfen für Unternehmen in großen Ländern wie Deutschland und Frankreich. "Das Rennen um Subventionen, in dem Staaten Subventionen zahlen und wir miteinander konkurrieren, ist schädlich für die Wettbewerbsfähigkeit", sagte Kallas.

Für Diskussionen unter den Staatenlenkern sorgte auch eine Zentralisierung der Überwachung der Finanzmärkte bei der europäischen Aufsichtsbehörde ESMA mit Sitz in Paris, wie sie Frankreich vorgeschlagen hatte. Luxemburgs Regierungschef Luc Frieden etwa warnte, die EU dürfe nicht "alles überbürokratisieren, überregulieren und auch überzentralisieren".

In ihrer Gipfelerklärung sprachen sich die Staats- und Regierungschefs nun dafür aus, die Kapazitäten der ESMA "unter Berücksichtung der Interessen aller Mitgliedstaaten" zu stärken. Erklärtes Ziel ist es demnach, die Finanzmarktaufsicht langfristig anzugleichen und effizienter zu machen.

Neben dem Finanzmarkt sprachen sich die EU-Staaten für einheitliche Regeln im Energie- und Telekommunikationssektor aus. Auf diesen Märkten gebe es "seit Jahren" Hindernisse für Unternehmen, erklärte Letta bei der Vorstellung seines Berichts. "Wir haben keine Zeit zu verschwenden", warnte der Italiener mit Blick auf den Wettbewerb mit den USA und China.

Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft in der EU nur leicht um 0,5 Prozent, in den USA waren es 2,5 Prozent. Die EU fürchtet vor allem, bei Technologien wie Wind- und Solarenergie, Batterien, Halbleitern und Künstlicher Intelligenz abgehängt zu werden.

jhm/jes