Kochbuch des Populismus: Wie Seehofer und von der Leyen daran scheitern, kleine Trumps zu werden

Horst Seehofer (l.) und Ursula von der Leyen (r.) wollen sich Donald Trump zum Vorbild nehmen (Bild: dpa/AP Photo/Montage)
Horst Seehofer (l.) und Ursula von der Leyen (r.) wollen sich Donald Trump zum Vorbild nehmen (Bild: dpa/AP Photo/Montage)


In CDU und CSU wird überlegt, was man von Donald Trump lernen kann. Schließlich ist er ein Siegertyp. Das kann nur jämmerlich werden.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Horst Seehofer redet, als hätte er auch gern ein bisschen von dieser Macher-Mentalität. Donald Trump, das ist doch dieser Unternehmer, der auch mal in den Wrestlingring steigt und schöne Frauen castet – „mir gefällt, dass er die Menschen direkt anspricht und ihre Lebensrealität berücksichtigt. Nicht abstrakt, nicht verschwurbelt, sondern mit konkreten Antworten. Das finde ich gut“, sagte Bayerns Ministerpräsident der „Passauer Neuen Presse“.

Nun verriet der CSU-Vorsitzende nicht, welche konkreten Antworten Trumps er konkret meint, vielleicht meinte er den Bau einer Mauer nach Mexiko (ginge auch an der Grenze zu Thüringen) oder Trumps Überzeugung vor seiner Wahl am 8. November, gegen seine Rivalin Hillary Clinton solle strafrechtlich ermittelt werden (bei Sigmar Gabriel findet man sicherlich auch was).

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Aber Seehofer ist nicht allein. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen zerbricht sich auch den Kopf, welche Lehren für Deutschland aus Trumps Wahlerfolg zu ziehen sind. „Ja, die Political Correctness ist überzogen worden. Der soziale Druck, homogen zu antworten, war zu hoch“, vertraute sie dem „Spiegel“ an. Und Seehofer quasi im Duett: Die Menschen hätten „die ausdruckslose Lyrik satt, die in Deutschland verwendet wird, nur damit man keine hohen Wellen schlägt“, die Leute wollten „heraus aus dem Ungefähren ins Konkrete.“

Es geht also um die Sprache. Da können sich die beiden tatsächlich an die eigene Nase fassen.

Der Rotstift schreibt stets mit

Wer von der Leyen und Seehofer einmal interviewt hat, reibt sich nämlich die Augen. Gespräche mit der Merkel-Nachfolgerin im CDU-Dauerwartestand hangeln sich von Floskel zu Floskel. Aalglatt formuliert von der Leyen, stets bemüht, so wenig zu sagen, dass sie möglichst nicht aneckt. Von der Leyen ist eine Politikerin, die gut ankommen will, indem sie sich keine inhaltlichen Feinde macht. So leer sind auch ihre Interviews. Seehofer dagegen spricht schon freier und ehrlicher heraus. Nur wenn das Interview beendet ist und in die schriftliche Autorisierung geht, bleibt von den eher kräftigen Worten kaum etwas übrig – die Pressereferenten streichen und setzen ein, dass das ursprüngliche Gespräch wie ein anderes erscheint. Bei Seehofers Vorvorgänger Edmund Stoiber übrigens ging die Pressebetreuung der Staatskanzlei so weit, dass einem nach einem Interview eine Mappe mit den vorab präparierten Statements überreicht wurde – damit die Verschriftlichung auch hübsch entlang der überlegten Inhalte spaziert. Genau dies ist abstrakt und verschwurbelt, es ist das Gegenteil von konkret. Ausdruckslose Lyrik auch.

Womöglich haben von der Leyen und Seehofer tatsächlich von Trump gelernt. Der mag sich seinen Wählern direkt zugewandt haben – aber welche Antworten bietet er den amerikanischen Industriearbeitern? Keine. Trump inszenierte perfekt die Oper „Schein statt sein“, und ähnliches schwant seinen deutschen Schülern.

Dabei haben die beiden das gar nicht nötig. Von der Leyen und Seehofer haben mehrmals bewiesen, dass sie als Politiker entscheiden können, dass sie zu Überzeugungen stehen und sie öffentlich durchzufechten versuchen. Seehofer ist auch kein Wrestlingtyp, er kann seine Worte abwägen, sich und andere kritisch hinterfragen. Und von der Leyen inszeniert ihre Auftritte als Verteidigungsministerin auch nicht so schrill wie einst Guttenberg, von dem nur sein Dauerlächeln in Erinnerung bleibt. Sie können und müssen und sollten nicht so sein wie Trump.

Also, ab jetzt ehrlich

Daher brauchen sie gar nicht erst seinen Leim auf die Straße schmieren. Wo gibt es eine überzogene Political Correctness in Deutschland? Wird etwa zu wenig über die Flüchtlingspolitik diskutiert, wird irgendeine Angst irgendwo nicht berücksichtigt und breit getreten? Political Correctness ist ein Papiermonster. Es existiert nicht. Deutschland ist ein freies Land mit freier Rede, da wird gar Neid, Missgunst und Hass breiter Raum gegeben.

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Die deutschen Politiker könnten nur dieses von Trumps Wahlerfolg lernen: Werte und Liberalität müssen sich überall beweisen. Natürlich müssen die Leute direkter angesprochen werden, auch ehrlicher. Zu wenig Politiker stehen vor Fabriktoren und Jobcentern. Sie stellen sich zu selten Debatten in den Sozialen Medien, sie nehmen die Sorgen der so vielen im Prekariat Lebenden, seien es Wissenschaftler oder Leiharbeiter, nicht ernst genug. Sie wenden sich zu wenig jenen zu, die auf der Verliererseite der sozialen Spaltung in Deutschland stehen. Würden sie das tun, könnten sie alle, gleich welcher Partei sie angehören, den Menschen klarmachen: Lösungen und Antworten haben Populisten wie Trump für euch jedenfalls keine.

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