Kommentar: Antisemitismus aus dem Nahen Osten - Die AfD entdeckt eine Lovestory

Beatrix von Storch will den antisemitischen schwarzen Peter an die muslimische Community weiterreichen (Bild: dpa)
Beatrix von Storch will den antisemitischen schwarzen Peter an die muslimische Community weiterreichen (Bild: dpa)

Geht es nach den Rechtspopulisten, ist der Antisemitismus in Deutschland kein Problem der Deutschen. Was haben die in ihrem Tee?

Ein Kommentar von Jan Rübel

Gestern gab es Märchenstunde im Bundestag, da trat Beatrix von Storch ans Rednerpult und gab sich ganz besorgt. In der Debatte ging es um Antisemitismus in Deutschland – ein heikles Thema für die AfD, deren Rednerin wie aus Tausend und einer Nacht rezitierte. Opfer antisemitischer Angriffe sagten meist aus, dozierte von Storch, die Angreifer seien mutmaßlich Muslime. Zudem seien Links- und Rechtsextreme gleichermaßen in der Statistik vertreten. „Natürlich“, fügte sie hinzu, „sind nicht alle Täter Muslime. Aber es sind zu viele“.

Dem letzten Satz ist zweifellos zuzustimmen. Der vorletzte Satz hat einen Wahrheitsgehalt im Sinne von „Eier sind weiß oder braun“ und daher richtig, wobei die Betonung auf dem „natürlich“ liegen sollte. Woher indes von Storch die Erkenntnis nimmt, in der Statistik antisemitischer Angriffe seien Linksextreme so stark vertreten wie Rechtsextreme – dieses Geheimnis wird sie wahrscheinlich in den nächsten Keller nehmen und dort kräftig drüber lachen.

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Kommen wir also zum ersten Satz, wonach es „Aussagen“ über „mutmaßliche“ Muslime gebe. Wachsweich ist er formuliert, schließlich muss von Storch die Fakten irgendwie vermeiden, dass 90 Prozent der antisemitischen Attacken nach Angaben der Expertenkommission des Bundestags aus den rechten Milieus kommen, also mehr oder weniger der AfD-Klientel. Das ist ein Problem für von Storch. Also fabuliert sie.

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Natürlich ist es gut, wenn auch die AfD über Antisemitismus redet, den es unter Muslimen gibt. Darüber kann nicht genug geredet werden, und obwohl er in der Öffentlichkeit immer öfter thematisiert wird, kommt es erstaunlicherweise zu wenigen Konsequenzen, wenn sich dieser Antisemitismus offen zeigt – dann bleiben die Opfer wieder allein, erhalten nur warme Worte; als wäre es wichtiger, mit dem Finger auf die antisemitischen Täter aus den Einwanderercommunities zu zeigen.

Es ist hübsch einfach, sich besorgt zu zeigen, wenn es um andere geht. Darin sind wir echt gut. Am liebsten würden wir das ganze Gerede über Antisemitismus auslagern, oder genauer: bei den weniger Bleichgesichtigen in unserem Land abladen. Es wäre zu schön. Dann wäre das Mahnmal für die ermordeten Juden Europas in Berlin kein „Denkmal der Schande“ mehr, wie AfD-Frontmann Björn Höcke beklagt, weil der Deutsche an und für sich dann für Scham nicht mehr zur Verfügung stünde, nach erfolgreichem Outsourcing.

Leider klappt es noch nicht ganz mit diesem Taschenspielertrick. Dass jüdische Friedhöfe verschlossen sind und zum Teil bewacht werden, liegt nicht an Ali und Mehmet, sondern an Hänsel und Gretel.

Gleichwohl muss viel mehr gegen den zunehmenden Antisemitismus in den Einwanderermilieus unternommen werden, welcher übrigens nicht rein islamischer Natur ist. Christliche Araber zum Beispiel sind nicht weniger dem Antisemitismus zugetan, nur weil sie Christen sind. Regime wie jenes von Assad in Syrien erziehen ihre Bürger ausnahmslos darin, in Israel alles Üble in der Region zu sehen, und christliche Palästinenser sind auch nicht als Besatzungsfans bekannt.

Viel mehr Sensibilität muss her, und mehr konkrete Arbeit, denn mit beharrlicher Aufklärung, das zeigen die Erfahrungen, kann Antisemitismus in diesen Communities sehr effektiv angegangen werden.

In Deutschland gibt es eine unselige Tradition. Passiert irgendein Mist unter den „Gastarbeitern“, ihren Kindern und Kindeskindern, belässt man ihn dort. Rechte gehen ihn nicht an, weil sie sich schlicht nicht für die Menschen interessieren. Und Linke meiden Konflikte, weil sie die Familien Eingewanderter als Opfer stigmatisieren und romantisieren. Inklusion aber geht anders.

Wir müssen reden

Besonders hartnäckig zeigen sich die Besserwisser, die sich für die Guten halten, stolz auf das Bücherregal daheim und NATÜRLICH keine Antisemiten sind, wenn man sie fragt. Sie verstecken sich hinter „Israelkritik“, was schon ein Murks an sich ist; als wäre es ohne moralische Verkrümmung möglich, ein ganzes Land an sich zu kritisieren. Isländer würden zurecht blöd gucken, käme man ihnen mit „Islandkritik“. Jedenfalls sind manchem Linken die tatsächlich schlechten Umstände für Palästinenser, ihre fehlenden Rechte und Freiheiten, die ganze Ungerechtigkeit, unheimlich wichtig, wenn er Juden dafür kritisieren kann. Er nennt es halt Antizionismus, was den Palästinensern bei ihren Bemühungen für ein selbstbestimmtes Leben auch nicht wirklich hilft.

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Es gibt also viel zu tun. Viele haben sich an die Nase zu fassen. Die AfD könnte langsam damit anfangen und die schlimmsten und offensten Antisemiten vor die Tür setzen. Sie sollte sich mit dem an sie heranzutragenden Verdacht auseinandersetzen, sie sorge sich nur um Antisemitismus, wenn sie auf Muslime zeigen kann. Muslimische Gemeinschaften, ihre Verbände und Organisationen, müssen viel selbstkritischer ihre Bilder von Juden überprüfen. Und Linke sollten dies beharrlich einfordern und nicht darüber hinwegsehen – wie sie auch den eigenen Antisemitismus bei ihrem Expertentum in Sachen Naher Osten öfters hinterfragen müssen.

Da tut es gut, dass der Bundestag heute endlich einen Beauftragten einsetzt, um den übrigens seit Jahren erfolglos gerungen wurde, Stichwort warme Worte. Dass die Fraktion der Linken sich bei der Abstimmung über den Antrag enthielt, ist keinen Aufreger wert. Sie wurde von der Union bei der Ausarbeitung schlicht übergangen. Nun müssen einfach alle an die Arbeit.