Kommentar: Corona macht der AfD zu schaffen

Noch ist Social Distancing in Deutschland angesagt (Bild: Gallup/Getty Images)
Noch ist Social Distancing in Deutschland angesagt (Bild: Gallup/Getty Images)

Die Partei bemüht sich um einen einheitlichen Kurs durch die Pandemie. Doch von einer offenen Flanke droht Unheil.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Der AfD ergeht es gerade wie den Grünen. Opposition ist nicht wirklich angesagt in diesen Tagen, wo sich im Land die Hoffnung auf möglichst gutes Durchregieren ballt. Corona bedeutet Krise, und in solch einer gelten Themen der Kernkompetenz wenig – die Grünen dringen mit Klimawandel derzeit kaum durch, und die AfD kaum mit ihrem Krampf gegenüber Islam, Migration & Co. Daher rutscht sie in den aktuellen bundesweiten Umfragen auf zehn Prozent.

Das müsste die Rechtspopulisten nicht bekümmern, die ganze Situation ist nur eine Momentaufnahme. Was der AfD wirklich zu schaffen macht: Sie kriegt keine einheitliche Position im Schatten von Corona hin. Zwei Denkschulen belauern sich in der Partei argwöhnisch.

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Da ist die eine Gruppe um Fraktions-Cochefin Alice Weidel, welche die Gefährlichkeit des Virus herausstellen will und drastische Reaktionen fordert. Und dann gibt es jene, welche möglichst schnell eine Rückkehr zur „Normalität“ sehen wollen. Die erste Gruppe behält derzeit Oberhand. Doch die zweite bleibt nicht still.

Hin und her

Von Beginn an mehrten sich in der Partei jene Stimmen, die Hysterie und Panik am Werk sehen, die dem Virus nicht die Gefährlichkeit beimessen, wie es die Wissenschaft und die ihr folgende Politik tun; es lockt ja auch, in dem ewigen Reflex gegen „Altparteien“ und „Mainstream“ auch bei diesem Thema den Kamm gegen den Scheitel zu führen. Das ist natürlich wissensfremd, gemeingefährlich und bestenfalls crazy, aber es ist wirklich spannend zu sehen, wie viele Leute von Rechts plötzlich ihre Liebe für das Grundgesetz entdecken und eine dauerhafte Einschränkung von Bürgerrechten wittern.

Und so fährt die AfD einen Schlingerkurs. Gegen die Fördermaßnahmen der Bundesregierung hat sie nicht gestimmt. Eigene Pläne zur Wirtschaftsförderung stellte sie auch zusammen, aber stets zu spät – nämlich dann, als die Regierungspipeline schon selbst das ausspuckte, was die Rechtspopulisten als eigene Idee propagierten.

Den einzigen Punkt konnte die AfD bisher mit ihren Wortführungen rund um „Grenzschließungen“ führen. Die findet sie natürlich dufte, ignoriert aber dabei zwei Fakten: Zum einen ließ und lässt sich der Virus durch Grenzschließungen nicht aufhalten, es waren auch nicht die als potenzielle Infektionsquellen ausgemachten Asylbewerber, die den Virus in Deutschland verbreiteten, sondern eher Manager und Skiurlauber. Und zum anderen waren die Grenzen nie „dicht“, sondern es gibt Grenzkontrollen, stichpunktartig.

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Ansonsten leisteten sich ihre Fraktionen komische Darbietungen. In Sachsen verlangte man das Zusammenkommen des gesamten Landtags, nur um über den AfD-Antrag zu diskutieren, künftig im Bundesland keine Versammlungen mehr zuzulassen. Und die Bundestagsfraktion kam zu einer Sondersitzung zusammen, um über den eigenen Kurs zu diskutieren; dem Bonner „Generalanzeiger“ zufolge gab es Druck von den Corona-Kleinmachern, eine Rücknahme der Freiheitsbeschränkungen zu fordern – sie setzten sich nicht durch, und das Ergebnis dieses physischen Meetings war die Empfehlung: „Unternehmen sollen möglichst auf physische Meetings oder Firmenreisen möglichst verzichten.“ Wäre die Lage nicht so prekär, wäre dies ein großer Lacher.

Hallo Echo, wo bist du?

Wirklich schlimm aber ist für die AfD, dass sie gerade ihren Resonanzkörper in den Sozialen Medien nicht bedienen kann, wenn sie halbwegs vernünftig durch Corona schippern will. Die Partei hat eine offene Flanke zu einem Gebilde aus rechten Bloggern und selbst ernannten Nonkonformen, zu Leuten, für die Verschwörungsphantasien zum Nachtisch einfach dazugehören. All diese vom „Mainstream“ Verrückten, um es höflich auszudrücken, kann die Partei nicht wie sonst bedienen. Dieser Resonanzkörper wartet nur darauf, seine Zweifel an der Corona-Krise offiziell-parteilich sanktioniert verbreiten zu können. Würde sich die AfD darauf einlassen, würde sie sich lächerlich machen.

All diese Probleme, eine offene Flanke und innere Uneinigkeit, haben die Grünen nicht. Die nächste Zeit wird für die AfD: schwierig.

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