Kommentar: Der Yahoo-Jahresrückblick – Zitate und Trends, die 2022 überdauern werden

Es war viel los. Die Welt begab sich 2022 in einen Cocktailshaker. Heraus kam ein ziemlich würziger Drink. Manches schmeckte alt, anderes wie nie zuvor. Doch eine Sache dominierte alle anderen.

Katalanische
Katalanische "Caganer"-Figuren stehen für wichtige Politiker dieses Jahres - als Symbol für Stuhlgang und Düngung der Erde. Das soll Glück fürs kommende Jahr bringen. (Bild: REUTERS/ Albert Gea)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wladimir Putin hat es geschafft, er ist die absolute Nummer Eins. An ihm kam keiner vorbei, in diesem Jahr 2022. Seinen Bekanntheitsgrad hat der Herrscher über Russland mächtig nach oben gedreht, nur wird ihm das nicht viel helfen: Nach seinem jetzigen Job wird er sich kaum für andere Tätigkeiten empfohlen haben. Dennoch nahm Putin beispielsweise Platz Eins der gesuchten Persönlichkeiten bei Google in Deutschland ein, noch vor Johnny Depp (Platz 2) und Amber Heard (Platz 3), die ihr Privates nach außen holten. Falls der verschlossene Putin also auch im Jahr 2023 die Rankings anführen will, sollte er entweder einen erneuten Krieg anfangen oder mehr aus sich herausgehen, in etwa: Ich und meine Hündin, mein Lieblingsfrühstück oder "Worüber ich am bitterlichsten weinte". Das würde sicher trenden.

Wolodymyr Selenskyi, Präsident der Ukraine (rechts), empfängt den sichtlich stolzen britischen Premierminister Rishi Sunak in Kiew (Bild: Ukrainian Presidential Press Service)
Wolodymyr Selenskyi, Präsident der Ukraine (rechts), empfängt den sichtlich stolzen britischen Premierminister Rishi Sunak in Kiew. (Bild: Ukrainian Presidential Press Service)

Das bekannteste Zitat des Jahres 2022 aber geht auf Putins ärgsten Widersacher wider Willen zurück: Zwei Tage nach dem Überfall russischer Truppen auf das Nachbarland Ukraine bot die US-Regierung dem Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an, ihn in Sicherheit außer Landes zu bringen. Seine legendäre Antwort: "I need ammunition, not a ride" – "Ich brauche Munition, keine Mitfahrgelegenheit".

Komik wurde zu Ernst

Und so entwickelte sich aus diesem wichtigsten Ereignis des Jahres das Duell des Jahres. Auf der einen Seite der Ex-Geheimagent, böse und mafiös, und auf der anderen ein Schauspieler und Komiker, eher ins Amt gestolpert, der nun die Rolle seines Lebens einnahm. Die Haltungspunkte gehen eindeutig nach Kiew.

Sam Bankman-Fried nach seiner Verhaftung in Nassau, Bahamas (Bild: REUTERS/Dante Carrer)
Sam Bankman-Fried nach seiner Verhaftung in Nassau, Bahamas. (Bild: REUTERS/Dante Carrer)

Es gab andere Zitate, die es im Gegensatz dazu wegen ihrer Lächerlichkeit in die vorderen Reihen der Aufmerksamkeit schafften. Da war etwa Sam Bankman-Fried, der Kryptobörsenguru, der noch am 7. November tweetete: "FTX is fine. Assets are fine" – "FTX geht es gut, den Vermögenswerten geht es gut" – FTX war die von ihm gegründete Börse für Kryptowährungen, die wenige Tage später Konkurs anmeldete; ein Zusammenbruch gigantischen Ausmaßes, der in der Allgemeinheit noch nicht richtig angekommen ist. Es geht um Milliarden Dollar, die verschwunden sind. Und die Welt rätselt immer noch, ob der junge Bankman-Fried nun der größte Betrüger oder der größte Scharlatan dieses Jahres 2022 ist; Fortsetzung folgt.

Donald Trump erklärt in Palm Beach seine erneute Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen (Bild: REUTERS/Octavio Jones)
Donald Trump erklärt in Palm Beach seine erneute Kandidatur für die US-Präsidentschaftswahlen. (Bild: REUTERS/Octavio Jones)

Und dann gab es Jene, die in ihrer Verzweiflung nach vorne zu drängen versuchten, wie etwa Donald Trump, der nicht mehr Ex-Präsident sein will. "Massive fraud of this type and magnitude allows for the termination of all rules, regulations, and articles, even those found in the Constitution" – "Massiver Betrug dieser Art und dieses Ausmaßes erlaubt die Aufhebung aller Regeln, Vorschriften und Artikel, sogar derjenigen, die in der Verfassung stehen", so legte er Anfang Dezember nahe, dass er nach der verlorenen Präsidentschaftswahl von 2021 doch bittschön wieder ins Amt gehievt werde – oder es eine Wahlwiederholung gibt. Das erinnert uns an ein Zitat aus den ersten Tagen seiner katastrophalen Zeit im Weißen Haus, als Trumps Wahlkampfmanagerin Kellyanne Conway die Äußerungen seines Pressesprechers so erklärte: "Sean Spicer, our press secretary, gave alternative facts" – "Sean Spicer, unser Pressesprecher, hat alternative Fakten genannt". Spicer hatte zuvor falsch behauptet, Trumps Amtseinführung habe so viele Zuschauer angelockt wie keine Präsidenten-Vereidigung zuvor. Da wusste man schon Bescheid. Hoffen wir für 2023, dass sich nichts wiederholt.

Altes Leid, neues Leid

Manches beruhigte sich auch im Jahr 2022. Corona wütete zwar immer noch, aber schwächte sich ab. Die Impfungen zeigten Wirkung, allen Unkenrufen zum Trotz. Jedenfalls erkundigten sich die Menschen im Netz mehr über "Affenpocken" als über "Corona". Das lässt all jene, und das sind nicht wenige, die unter Long-Covid leiden, nur müde zurück; für sie geht der Mist ja vorerst weiter.

2022 war ein Jahr der Wetterkatastrophen. Der Vulkanausbruch des Hunga Tonga, Erdbeben in Afghanistan, Pakistan, Indonesien und nahe den Salomonen mögen erdgeschichtliches Schicksal sein. Dann kamen aber auch die Dürren, die Hitzewellen, die Überschwemmungen und Wirbelwinde: Sei es in Brasilien, in Europa oder wieder Pakistan – der Planet kommt seltener zur Ruhe, das Wetter reagiert auf den Klimawandel. Das Jahr 2022 ist eine weitere Wegstation einer ungewissen Reise, dir wir angetreten haben. Schlimmer wird es werden. Wie viel schlimmer, haben wir selbst in der Hand. Am 2. März 2022 war der 50. Jahrestag der Veröffentlichung des Berichts "Grenzen des Wachstums" vom "Club of Rome" – da stand eigentlich schon alles drin, was uns erwartet. Mit den entsprechenden echten Reaktionen darauf sollten wir uns weniger Zeit nehmen.

Ihr letzter Auftritt, wenige Tage vor ihrem Tod: Queen Elizabeth wartet im September auf die neu gewählte Premierministerin Liz Truss (Bild: Jane Barlow/Pool via REUTERS)
Ihr letzter Auftritt, wenige Tage vor ihrem Tod: Queen Elizabeth wartet im September auf die neu gewählte Premierministerin Liz Truss. (Bild: Jane Barlow/Pool via REUTERS)

In Erinnerung bleiben wird der Tod der britischen Queen. Elizabeth, gefühlt immer da, wird die Menschen auch 2023 beschäftigen, jedenfalls mehr als die aktuellen Querelen in ihrer Windsor-Familie, wer sich gegenüber wem fies, neidvoll oder sonstwie daneben benommen haben soll. Und ein weiteres Gesicht wird bleiben.

Aus Solidarität mit den Protesten im Iran gehen Kritiker auch in Istanbul auf die Straße. Das Plakat zeigt das Foto der ermordeten Mahsa Amini (Bild: REUTERS/Dilara Senkaya)
Aus Solidarität mit den Protesten im Iran gehen Kritiker auch in Istanbul auf die Straße. Das Plakat zeigt das Foto der ermordeten Mahsa Amini. (Bild: REUTERS/Dilara Senkaya)

Der Tod von Mahsa Amini, totgeprügelt von Schergen des iranischen Regimes, war etwas, das die Iranerinnen und Iraner nicht hinnehmen wollten. Seitdem begehren sie auf, für Freiheit und gegen ihre Diktatur. Welchen Lauf diese Revolution nehmen wird, wird das Jahr 2023 zeigen. Schon jetzt aber zeigen diese Beispiele: Tyrannei ist out. Das ist die Botschaft dieses Jahres.

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