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Kommentar: Polens neues Holocaustgesetz - oder, wie man es besser nicht macht

Die PiS-Regierung will verhindern, dass Auschwitz als “polnisches Lager” bezeichnet wird (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)
Die PiS-Regierung will verhindern, dass Auschwitz als “polnisches Lager” bezeichnet wird (Bild: AP Photo/Matthias Schrader)

Die Regierung in Warschau will verbieten, dass der Völkermord an den Juden Polen in die Schuhe geschoben wird. Da ist etwas dran. Und hilft dennoch nicht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki schrieb eine Wahrheit auf, als er jüngst twitterte: “Auschwitz-Birkenau ist kein polnischer Name, und ‘Arbeit macht frei’ ist kein polnischer Satz.” Die Todeslager auf polnischem Boden waren von Deutschen ersonnen, verwaltet und beaufsichtigt worden. Niemand käme auf die Idee, dass Hans Frank, der Generalgouverneur des besetzten Polen im Zweiten Weltkrieg, ein Pole gewesen wäre; der deutsche Nazi trug die Spitznamen “Schlächter von Polen” und “Judenschlächter von Krakau”. Er war mitverantwortlich für die Ermordung hunderttausender Polen und für das Einsperren polnischer Juden in Ghettos.

Es ist verständlich, wenn sich Polen daran stören, wenn die Rede von “polnischen Todeslagern” ist, wie es immer wieder geschieht – doch meist aus Unachtsamkeit, aus sprachlicher Schlamperei, gemeint ist die geografische Lage der Mordstätten. Seit einigen Jahren schon geht die polnische Regierung gegen diese Schlamperei vor, interveniert bei Zeitungen und verlangt Korrekturen.

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Das Motiv liegt nicht unbedingt darin, dass die Kabinettsmitglieder allesamt promovierte Linguisten oder Philologen wären. Es geht ihnen um die Angst, dass der Holocaust den Polen angelastet wird. Dies wäre geschichtsvergessen, aber wer tut dies im Ernst?

Nun liegt ein neues Gesetz auf dem Tisch, und es verschärft einen unguten Eindruck, nämlich: Dass die polnische Regierung eine öffentliche Debatte über die Mitschuld von Polen an der massenhaften Mörderei unterbinden will, aus dem Grund, es könnte dem Ruf schaden.

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Das Gesetz sieht vor, dass mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldzahlung bestraft wird, wer öffentlich dem polnischen Volk oder dem polnischen Staat die Verantwortung oder Mitverantwortung für vom “Dritten Reich” begangene Nazi-Verbrechen zuschreibt oder für andere Verbrechen gegen den Frieden oder die Menschheit oder für Kriegsverbrechen. Dies ist hinreichend ungenau formuliert und daher nur ein Fall für den Papierkorb.

DAS polnische Volk und DER polnische Staat erscheinen in diesem Gesetz wie feste Körper, was natürlich Quatsch ist, weil es in seiner Absolutheit keine Graustufen zulässt, aber so reden halt Rechtspopulisten, wie es die polnischen Minister sind; wir kennen es von der AfD.

Wird dieses Gesetz Wirklichkeit, so könnte jener Fall eintreten, den schon die israelische Zeitung “Haaretz” als Szenario entworfen hat: Theoretisch könne ein in Israel lebendes Familienmitglied eines jüdischen Holocaust-Überlebenden wegen der Aussage “Polen waren im Holocaust an der Ermordung meines Großvaters beteiligt” oder “Meine Mutter wurde in einem polnischen Vernichtungslager ermordet”, in Polen ins Gefängnis kommen. Israelische Führer von Reisegruppen zu den Gedenkstätten in Polen äußerten die Sorge, sie könnten dort künftig strafrechtlich verfolgt werden.

Ehrlichkeit sieht anders aus

Motiv der polnischen Regierung könnte sein, und diese Vermutung liegt nahe, dass eine kritische Geschichtsaufarbeitung verhindert werden soll. Rechtspopulisten neigen zu Wagenburgdenken, zu einer Weltsicht, die da draußen ganz viele böse Menschen erblickt, die einem ans Leder wollen. In diesem Fall mutmaßt die Regierungspartei eine Verschwörung von Journalisten, welche die deutsche Verantwortung für den Holocaust an DIE Polen delegieren will.

Diese Bemühungen gibt es natürlich nicht, aber wer sagt, dass Rechtspopulisten Experten in Sachen Realität sind?

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Der Warschauer Regierung geht es um eine reine Weste, denn natürlich haben Polen am Holocaust mitgewirkt, sie waren Handlanger. Teils zwang man sie, teil handelten sie aus Opportunismus, teils aus Antisemitismus. Pogrome an Juden gab es in Polen auch, als der Krieg zu Ende und jeder deutsche Nazi weit weg war. Dies verkleinert nicht im Geringsten die deutsche Verantwortung für die Shoa. Sie beschreibt nur, was war.