Kommentar: Prigoschin und Trump – unser irrer Tick mit "Typen"

Die Schlagzeilen werden zunehmend dominiert von Einzelpersonen. Wir schauen, was sie sagen, machen oder was mit ihnen gemacht wird – wie bei Donald Trump und Jewgeni Prigoschin. Das ist zu viel des Guten, oder genauer: des Schlechten. Wir geben diesen Typen zu viel Macht, selbst über den Tod hinaus.

Damals noch Buddys: Jewgeni Prigoschin (links) serviert Wladimir Putin (Mitte) ein Gericht in seinem Restaurant nahe Moskau im Jahr 2011 (Bild: REUTERS/Misha Japaridze/Pool/File Photo)
Damals noch Buddys: Jewgeni Prigoschin (links) serviert Wladimir Putin (Mitte) ein Gericht in seinem Restaurant nahe Moskau im Jahr 2011. (Bild: REUTERS/Misha Japaridze/Pool/File Photo)

Ein Kommentar von Jan Rübel

Wer sich einen morgendlichen Nachrichtenüberblick verschaffen will, braucht dafür immer weniger Zeit. Die Schlagzeilen von gestern: Prigoschin, Prigoschin, Prigoschin. Und die von heute: Trump, Trump, Trump. Klar, wenn der Chef der russischen Wagner-Söldner mit anderen Insassen in einem Flugzeug vom Himmel geholt wird, ist das nicht nur ein "Hingucker", sondern auch politisch bedeutsam. Ebenso relevant ist die Vorladung eines republikanischen Politikers bei einem Gefängnis – wenn er gerade die besten Chancen auf die Spitzenkandidatur seiner Partei für das Weiße Haus hat. Natürlich ist darüber in Breite zu berichten.

Doch etwas stört an diesem Bild. Es ist das Bild.

Wenn überall das erkennungsdienstliche Foto von Donald Trump veröffentlicht wird, der so genannte "Mugshot", steigert dies seinen Wert. Die einen wollen damit Trump schaden, die anderen ihn aufwerten. Und Trump wird es gelingen, damit noch eine Menge Geld zu verdienen: Er stilisiert sich zu einer Ikone des grimmig dreinblickenden Widerstands gegen… ja, gegen irgendetwas; bei Trump weiß man nie, wogegen er gerade wettert, in seinen Tiraden gibt es nur einen roten Faden: Es geht gegen alles, das ihm persönlich schaden könnte.

Einfach, blöd und erfolgreich

Auch bei Jewgeni Prigoschin hörte man in den vergangenen Monaten dreimal hin, wenn er sich äußerte – und der ehemalige Putin-Vertraute meldete sich häufig über Videobotschaften, plauderte drauflos. Interessant waren seine Worte deshalb, weil man sich von ihnen Aufschluss darüber erhoffte, wie der ansonsten sehr verschlossene Kreml tickt. Auch traute sich Prigoschin in seinem Allmachtswahn, gewisse Wahrheiten auszusprechen – wie etwa über die Motive der russischen Regierung für den Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dennoch ist offensichtlich, dass Trump und Prigoschin sich deshalb ständig in der Öffentlichkeit meldeten, um aus dem Widerhall einen Honig des Einflusses und der Macht zu saugen. Weniger Aufmerksamkeit wäre da angesagt.

Denn noch etwas haben die beiden Männer gemeinsam: Ihre Sprache war furchtbar. Unglaublich schlechtes Englisch und Russisch kam über ihre Lippen, die Abwendung von Bildung schien erklärtes Ziel. Trump macht aus seinen Unfähigkeiten ein Geschäftsmodell, indem er die noch Dümmeren damit anspricht. Prigoschin spricht nicht mehr.

Weniger ist nicht mehr

Beide profitierten von einem allgemeinen Trend zum Personenkult. Das ist merkwürdig, weil die Welt doch komplizierter wird. Es passiert immer mehr. Eigentlich sollte ein morgendlicher Nachrichtenüberblick immer länger dauern. Aber in den gesteigerten Informationsflüssen liegt vielleicht auch die Antwort auf die Frage nach dem Warum für die Begrenzung bei der geistigen Aufnahme von News. Wegen der zunehmenden Vielschichtigkeiten scheinen wir mehr zu filtern. Und suchen einfache Orientierungen. Menschen kann man leichter verstehen als Strukturen. Daher wenden wir uns ihnen verstärkt zu. Und das hebt Typen wie Trump und hob einen Typen wie Prigoschin auf einen Schild. Zeit, sich gedanklich etwas weniger mit diesen Kerlen zu befassen.

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