Kommentar: Wie zwei Feinde die CSU retten wollen

Neues Spitzenduo der CSU: Markus Söder und Horst Seehofer sind sich in herzlicher Abneigung verbunden (Bild: dpa)
Neues Spitzenduo der CSU: Markus Söder und Horst Seehofer sind sich in herzlicher Abneigung verbunden (Bild: dpa)

Horst Seehofer und Markus Söder heißt das neue Dreamteam der Christsozialen. War da nicht mal was? Der eine traut nicht dem anderen – und Horst bleibt als eine Art Rückversicherung, wenn es mit Markus arg schiefgeht.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Alles umsonst, wird sich Horst Seehofer am vergangenen Wochenende in den Schlaf gemurmelt haben. Über Jahre hinweg hatte er den Aufstieg von IHM zu verhindern versucht und ist dennoch gescheitert. Obwohl Seehofer doch in der gleichen Zeit wie ein Sonnenkönig regierte, so dankbar lasen ihm die Christsozialen von den Lippen, weil er sie mit seinem Amtsantritt 2008 von einer schweren innerparteilichen Krise um schwache Bosse erlöste.

Nun ist Seehofer selbst ein schwacher Boss, zumindest nach gefühlter Faktenlage. Doch dazu später. Jetzt ist ER am Zug – Markus Söder erhält im Frühjahr von Seehofer das Zepter des Ministerpräsidenten.

Seehofer hatte gleich mehrere Kandidaten aufgebaut, um Söder nicht nach oben zu lassen, ihn schüttelt nämlich eine herzliche Abneigung gegenüber dem Jüngeren. Doch ob Ilse Aigner, Alexander Dobrindt, Manfred Weber, Karl-Theodor zu Guttenberg oder zuletzt Joachim Herrmann – vielleicht hielt Seehofer all diese Bälle zu lange in der Luft. Denn dies machte sich Söder zunutze.

Eine Therapie ist ratsam

Markus zermürbte Horst. Es war unerwiderte Liebe, die ihn antrieb. Markus versteht bis heute nicht, warum der Horst ihn nicht will. Wie geht man damit um? Womöglich sollte er, bevor er die Staatskanzlei bezieht, am besten noch vor Weihnachten, rasch eine Intensiv-Partnerschaftstherapie absolvieren. Denn Seehofer ist nicht weg. Der Alte kann den Jüngeren auch weiterhin piesacken, wie er es über die Jahre hinweg genüsslich tat.

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Eine Kostprobe? Der „Merkur“, eine gut unterrichtete Quelle in der Historie christsozialer Kabalen, hat eine kurze Sammlung erstellt. „Manche Minister muss ich schon am Montagmorgen anrufen und sagen, es reicht jetzt für diese Woche“, spottete der Ministerpräsident 2009 über Söder. Der galt bei ihm als zu ehrgeizig. „Und bei anderen muss ich am Wochenende anrufen und nachfragen, ob sie noch am Leben sind.“

Legendär auch sein Wutausbruch bei einer Weihnachtsfeier im Jahr 2012. Da grantelte er vor Journalisten: „Von Ehrgeiz zerfressen (…) charakterliche Schwächen (…) zu viele Schmutzeleien.“ Mit letzterem deutete Seehofer womöglich einen Verdacht an, es sei Söder gewesen, der Details aus Seehofers Privatleben an die Presse durchgestochen habe.

Weiter in der Tour de Tortur: „Ich mache Fehler, Markus Söder macht Fehler. Ich geb’ sie zu – manchmal. Markus Söder gibt sie zu – neuerdings.“ So fasste Seehofer sein Verhältnis zu Söder beim CSU-Parteitag im Jahr 2015 zusammen. Und schließlich, im November 2017, gewohnt mit Stock im Hals: „Die Atmosphäre war ernsthaft und gut.“

Unter Sonnenkönig Seehofer musste sich Söder lange im Hintergrund halten (Bild: dpa)
Unter Sonnenkönig Seehofer musste sich Söder lange im Hintergrund halten (Bild: dpa)

Söder konnte darüber nur gequält lächeln. Seehofer saß am Steuer. So viele Hände hatte Söder geschüttelt, so viele Freundschaften geschlossen, so viele Termine absolviert, während seine Kontrahenten noch in der Nase bohrten – aber die Seehofersche Festung ließ sich partout nicht einnehmen. Über die Jahre hinweg kommentierte er es so, zum Beispiel bei einem Kabarettauftritt 2014:

„Der Horst hat ja mal gesagt, er hört 2018 auf, dann hat er gesagt, er traut sich auch mehr zu, und jetzt ist eine geheime SMS veröffentlicht worden, (…) da steht drin: Ich bleibe solange im Amt, bis der Berliner Flughafen eröffnet wird (…) Unsere Sorge ist nicht, wann er aufhört. Unsere Sorge ist, ob er überhaupt irgendwann aufhören sollte.“

Es muss den Söder gejuckt haben, all die Gemeinheiten heimzuzahlen. Doch die Rechnung beschrieb er 2015 derart: „Ich habe immer die Wahl zwischen einer halben Stunde Spaß und einem halben Jahr Ärger.“

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Da Seehofer oft allein Entscheidungen traf, inszenierte sich Söder als Teamplayer. 2017 sagte vor der CSU-Landtagsfraktion in Anwesenheit Seehofers: „Ich war schon vor der Wahl gegen Personaldebatten. Wir schaffen es nur gemeinsam, nicht einsam.“ Und nun, im Zuge seines Triumphs: „Jetzt ist eine existenzielle Herausforderung, die kann man nur gemeinsam meistern.“

Es entschied die Kraft des normativen Faktischen

Nun sind Seehofer die Bälle auf den Boden gefallen und weggerollt. Nur einer blieb liegen. Seehofer zieht sich in seine Festung zurück, vorerst. Die Entscheidung über seine Nachfolge hat er zu lange hinaus gezögert, das war sein Fehler. In der Zwischenzeit konnte Söder weiter Hände schütteln und Schützenfeste besuchen, seinen Anspruch unausgesprochen zementieren – und dann nach dem schlechten CSU-Ergebnis bei der Bundestagswahl die politischen Daumenschrauben hervorholen: Seehofer wurde das Resultat angelastet. Und die Debatte um seine Nachfolge als zunehmend quälend empfunden. Genau dies hinderte Seehofer nun daran, noch einmal einen seiner Kandidaten gegen Söder in Stellung zu bringen; solch eine Volte wäre als Verlängerung eines Lähmungszustands in der Partei empfunden worden. So rettet sich Seehofer zumindest in den Parteivorsitz.

Dort wird er bleiben. Er wird schauen, wie sich Söder als Regent schlägt. Jetzt hat der nicht nur Geld zu verteilen, Hände zu schütteln und gegen Berlin zu stänkern – nun muss Söder liefern. Seehofer wird auf Fehler lauern. In seinem Blatt, ganz hinten, versteckt sich eine Karte mit einem weißen Ritter drauf. Die wird er spielen, wenn Söder es verbocken sollte. Dass er es tut, erwartet Seehofer bestimmt.

Seehofer findet sich mit 68 Jahren nicht zu alt für Aufgaben. Er hat eine feste Schar Anhänger, die zu ihm halten werden. Er hat seine Kompetenz und vor allem sein Selbstbewusstsein. Sollte Söder schwächeln, ist Seehofer keine lame duck mehr, sondern ein Joker. Dann wird er die Partei ein zweites Mal retten wollen, wie 2008.

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