Netanjahu-Rivale Gantz tritt als Minister im israelischen Kriegskabinett zurück

Der israelische Oppositionschef Benny Gantz ist als Minister des israelischen Kriegskabinetts zurückgetreten und verlangt nun vorgezogene Neuwahlen. (JACK GUEZ)
Der israelische Oppositionschef Benny Gantz ist als Minister des israelischen Kriegskabinetts zurückgetreten und verlangt nun vorgezogene Neuwahlen. (JACK GUEZ)

Im Streit um eine Strategie für den Gazastreifen ist der israelische Oppositionschef Benny Gantz als Minister des Kriegskabinetts zurückgetreten und verlangt nun vorgezogene Parlamentswahlen. Gantz verkündete seine Rücktrittsentscheidung am Sonntagabend in einer Fernsehansprache, nachdem sein Ultimatum an Regierungschef Benjamin Netanjahu für einen Nachkriegsplan für den Gazastreifen verstrichen war. Es gilt als unwahrscheinlich, dass der Rücktritt zu einem Bruch von Netanjahus rechtsreligiösem Regierungsbündnis führt. Allerdings gerät Netanjahu damit noch stärker unter Druck.

"Netanjahu hält uns davon ab, zu einem echten Sieg voranzuschreiten", sagte Gantz in seiner Rede. "Deswegen verlassen wir die Einheitsregierung schweren Herzens." Da Netanjahu im Krieg gegen die Hamas versagt habe, müsse es nun Neuwahlen geben, forderte der 65-jährige Oppositionsführer. Diese sollten "endlich eine Regierung etablieren, die das Vertrauen der Menschen gewinnen und in der Lage sein wird, den Herausforderungen zu begegnen".

Gantz' zentristische Partei der Nationalen Einheit hatte vergangene Woche bereits einen Gesetzentwurf zur Auflösung des israelischen Parlaments vorgelegt und Neuwahlen gefordert. Gantz gilt als Netanjahus größter politischer Rivale. Umfragen zufolge hätte er gute Chancen, Netanjahu im Amt abzulösen, sollte die Regierung auseinanderbrechen. Mit einem Koalitionsbruch wird derzeit jedoch nicht gerechnet.

Allerdings verliere die Regierung ihr einziges "moderates Bestandteil", sagte Politik-Expertin Mairav Zonszein. Netanjahu stünden nun nur noch Rechtsaußen-Minister zur Seite "und es muss sich noch zeigen, welche Rolle sie spielen werden".

Einer von ihnen, Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, beanspruchte sofort nach Gantz' Rücktritt dessen Sitz im Kriegskabinett für sich. Auch sonst üben die rechtsradikalen Minister wie Ben Gvir und Finanzministr Bezalel Smotrich starken Druck auf Netanjahu aus: Sie drohen mit Koalitionsbruch, sollte Netanjahu einen Deal mit der Hamas zur Freilassung der israelischen Geiseln eingehen.

Mit seinem Rücktritt hatte Gantz bereits Mitte Mai gedroht, sollte Netanjahus Regierung bis zum 8. Juni keinen Nachkriegsplan für den Gazastreifen vorlegen. Eine für Samstagabend angesetzte Pressekonferenz sagte Gantz aber kurzfristig ab, nachdem die israelische Armee verkündet hatte, dass sie vier israelische Geiseln aus der Gewalt der Hamas befreit habe.

Der Ex-Verteidigungsminister und frühere Armeechef hatte nach dem Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober die Oppositionsrolle zurückgestellt und war dem israelischen Kriegskabinett als Minister ohne Ressort beigetreten. Wiederholt forderte Gantz, die Befreiung aller Geiseln zur Priorität zu machen und eine Vereinbarung dazu zu erzielen.

Vergangenen Monat verlangte Gantz einen Nachkriegsplan der Regierung für den Gazastreifen mit strategischen Zielen wie die Entmachtung der Hamas, die Entmilitarisierung des Gazastreifens und die Gewährleistung der israelischen Sicherheitskontrolle über das Gebiet. Darüber hinaus sollte nach Gantz' Willen eine "amerikanische, europäische, arabische und palästinensische Verwaltung" geschaffen werden, welche die zivilen Angelegenheiten im Gazastreifen regelt.

Netanjahu hatte Gantz vorgeworfen, ein solcher Plan werde zu einer "Niederlage für Israel, der Aufgabe der meisten Geiseln, einer weiterhin intakten Hamas und der Schaffung eines palästinensischen Staates" führen. Am Sonntag reagierte der israelische Ministerpräsident umgehend auf Gantz' Rücktritt: "Benny, dies ist nicht die Zeit, die Schlacht aufzugeben - es ist die Zeit, die Kräfte zu vereinen", erklärte Netanjahu im Onlinedienst X.

Der Krieg im Gazastreifen wurde am 7. Oktober durch den Großangriff der Hamas auf Israel ausgelöst, bei dem islamistische Kämpfer laut israelischen Angaben 1194 Menschen töteten und 251 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppten. 116 Geiseln befinden sich laut israelischer Armee noch in der Gewalt der Hamas. 41 von ihnen sollen bereits tot sein.

Als Reaktion auf den Hamas-Großangriff geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, wurden dabei bislang mehr als 37.000 Menschen getötet.

yb/ck