Neue Autokraten gegen alte Parteien: Sexy, aber arm

Die Nominierung Donald Trumps war für viele Kritiker der Moment, in dem die Republikaner ihren Untergang besiegelten (Bild: AP Photo/Patrick Semansky)
Die Nominierung Donald Trumps war für viele Kritiker der Moment, in dem die Republikaner ihren Untergang besiegelten (Bild: AP Photo/Patrick Semansky)

Weltweit geraten Parteien unter Beschuss, und zwar von innen. Sie werden von starken Männern übernommen und zu Wahlvereinen umgewandelt. Das klingt vielleicht schick. Eine Lösung aber sieht anders aus.

Ein Kommentar von Jan Rübel

Gäbe es eine globale Nachrichtenagentur für Parteien, ihre Korrespondenten stünden mannschaftlich kurz vorm Herzinfarkt. Sie sammelten Meldungen zusammen, in denen es den Parteien schlechtgeht, genauer: Sie zerbersten durch inneren Druck.

Erstens: Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan besucht heute seinen US-Kollegen Donald Trump in Washington D.C. Beide haben die Parteien, die hinter ihnen stehen, entweder massakriert oder in Geiselhaft genommen.

Zweitens: Heute bastelt Emmanuel Macron in Frankreich weiter an seinem Kabinett. Der 39-Jährige ist gegen die Parteien zum Präsidenten gewählt worden, mit einer sogenannten Bewegung.

Drittens: Heute streitet sich die Regierung von Österreich, wer Vizekanzler werden soll. Der eigentliche nämlich will nicht: Sebastian Kurz, 30, hat am Montag den Parteivorsitz der ÖVP übernommen und trimmt sie zu einer „Liste“ um. Mit der tritt er bei den Neuwahlen an, möglichst frisch und möglichst wenig parteilich.

Viertens: In Peking zeigte sich Russlands Präsident Wladimir Putin im Wartezimmer bei seinem Amtskollegen nicht nur bestens mit der Klaviatur der Macht vertraut, er klimperte auch Taste für Taste auf einem etwas verstimmten Piano. Es gab einmal eine Partei in Russland, sie hieß Einiges Russland. Seit ihrer Gründung 2001 war sie eine reine Regierungspartei, unideologisch und auf Macht hin ausgerichtet. Heute redet kaum jemand über sie. Putin braucht sie fast nicht mehr.

Nimm mich mit, irgendwohin, aber nimm mich mit

Die Liste ließe sich erweitern. An den Anfängen der meisten dieser Entwicklungen stehen demokratische Entscheidungen. Sie erfüllen die Sehnsucht nach einfachen Antworten, nach einem Gesicht, dem man sich zuwenden und vertrauen kann. Es ist die Suche nach etwas Neuem, mit dem sich die Hoffnung auf einen Motor verbindet, der die Karre aus dem Sumpf zieht, egal wohin. Dies macht unsere Zeitläufte so verzweifelnd.

Denn Parteien sind viel besser als ihr Ruf. Sie gelten im Klischee als Ränkehaufen und den Staat hemmend, als würde jede Entscheidung vorher zerredet und eine Nichtlösung als Kompromiss verkauft. Tatsächlich aber sind sie Instrumente der Meinungsbildung, und ihre ausgehandelten Kompromisse sind meist das Beste, was einer demokratischen Gesellschaft passieren kann.

Ein Zauber, der rasch verfliegt

Im Gegensatz dazu präsentiert sich das Autokratenmodell. In ihm tummeln sich Männer, die sich als stark gebärden. Als durchsetzungsfähig. Als „ich könnte ja, wenn man mich nur ließe“. Das Ergebnis: Trump regiert gegen die Republikanische Partei und taumelt von einem Desaster zum nächsten, Erdogan und Putin haben ihre Parteien in Vereine umgewandelt und wandeln von Krieg zu Krieg, Macron versucht sich alle Parteien durch mentales Poweryoga wegzudenken und Kurz hat die ÖVP erpresst: Damit er die am Boden liegende Partei übernimmt, bestimmte er, müsse sie sieben Bedingungen erfüllen. Diese reichten von der Hoheit über Listenaufstellungen und das inhaltliche Profil hin zu einer Entmachtung der Landesorganisationen.

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Auf die Dauer zeigt sich, dass die Verunstaltung von Parteien keine blendende Perspektive für ein Land bietet. Wer durch eine Gruppe weniger kontrolliert wird, agiert nicht nur pragmatischer und machtorientierter, sondern auch egoistischer und weniger rücksichtsvoll gegenüber anderen. Letztlich handelt man dann unpatriotisch, stellt man sich selbst doch über das Land. Denn das politische System ist das Land. Und eine erste Bilanz der jüngeren Menschheitsgeschichte zeigt: Wer als Anführer nach oben kommt, ist bestimmt nicht der beste. Diplomatisch ausgedrückt.

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