Organversagen und Verlust von Gliedmaßen - Achtung bei Kleinkindern: Infekt kann zu lebensbedrohlicher Sepsis werden - die Warnzeichen

Bei einer Sepsis fiebern die Kinder sehr hoch bis oft über 40° C.<span class="copyright">Getty Images/Tomwang112</span>
Bei einer Sepsis fiebern die Kinder sehr hoch bis oft über 40° C.Getty Images/Tomwang112

Ein Sepsis im Kindesalter ist ein echter Notfall. Sie ist nicht nur in hohem Maß für Todesfälle im Kindesalter verantwortlich, sondern auch für schwere chronische Beeinträchtigungen. Michael Sasse, leitender Oberarzt für Kinderintensivmedizin erklärt, wann Sie unverzüglich handeln müssen.

Die Sepsis im Kindesalter ist weltweit eines der bedeutendsten Probleme in der Kindermedizin und ist in einem hohem Maß für Todesfälle im Kindesalter und lebenslangen chronischen Einschränkungen verantwortlich.

Durch Impfprogramme, Hygienekonzepte und sozialen Wohlstand konnte die Sepsisrate in Europa deutlich gesenkt werden, gleichwohl stellt sie auch hier weiterhin eine große Gefahr für die erkrankten Kinder dar. Auch wenn die Sterblichkeit der Sepsis im Kindesalter deutlich niedriger als bei erwachsenen Patienten ist, so ist sie doch als Ursache für 11-15 Prozent der Todesfälle im Kindesalter verantwortlich.

In noch häufigerem Ausmaß ist die Sepsis für schwere chronische, lebenslange Einschränkungen wie mentale Defizite, chronisches Organversagen oder dem Verlust von Extremitäten verantwortlich.

Besonders Säuglinge und Kleinkinder können aufgrund ihrer noch vorhanden Unreife innerhalb von wenigen Stunden dramatisch schnell an einer Sepsis versterben. Der Verhinderung einer Sepsis und dem frühen Erkennen des kritisch kranken Kindes kommt daher besondere Bedeutung zu.

Schulungen der Familien in Bezug auf Infektionen und Sepsis und das Trainieren von medizinischen Teams in Diagnostik und Therapie der kindlichen Sepsis können die Sterblichkeit der Sepsis wesentlich verringern und die Lebensqualität nach einer Sepsis deutlich verbessern.

Die Sepsis-Checkliste für Kinder hilft, Risikofaktoren, Infektions- sowie Notfallzeichen schnell zu identifizieren.

Was sind die ersten Anzeichen einer Sepsis bei Kindern?

Zu Beginn einer Sepsis unterscheiden sich die Symptome der Erkrankung meist nicht von denen anderer Krankheiten oder üblicher Infektionen. Die Kinder fiebern sehr hoch bis oft über 40° C. Es können zum Beispiel Husten, Durchfall und Erbrechen hinzukommen. Das starke Krankheitsgefühl bei den Kindern führt zu Appetitlosigkeit. Sie sind schlapp und weniger aktiv.

Anzeichen für eine deutliche Verschlechterung der Infektion sind

  • sehr schnelle und angestrengte Atmung

  • eine sehr hohe Herzfrequenz

  • Teilnahmslosigkeit und Apathie

  • rote und größer werdende Flecken am Körper

  • eine kühle Haut

  • durch die mangelnde Flüssigkeitsaufnahme produziert die Niere keinen Urin mehr und zum Beispiel die Windel bei Babies und Kleinkindern bleibt auffällig lange trocken

Die Verschlechterung des Zustandes kann vor allem bei Säuglingen und Kleinkindern innerhalb weniger Stunden ablaufen.

Wie schnell muss bei Verdacht auf Kindersepsis gehandelt werden?

Grundsätzlich haben Kinder, vor allem Säuglinge und Kleinkinder, weniger Reserven als Erwachsene. Ihre Lunge ist noch nicht voll entwickelt, die Muskeln und auch die Herzkraft sind noch nicht so ausgeprägt wie im späteren Alter. Auch ihr Immunsystem kann noch nicht optimal arbeiten. Der Krankheitsverlauf ist daher viel rasanter als bei Erwachsenen und bedarf sehr schnell einer effektiven Therapie. Mit jeder Stunde Verzögerung der Therapie verschlechtert sich die Prognose erheblich. Treten oben beschrieben Symptome einer schweren Erkrankung auf, muss unverzüglich gehandelt werden.

Welche Komplikationen können bei einer unbehandelten Sepsis auftreten?

Die Sepsis ist eine Reaktion unseres Immunsystems auf eine Infektion und betrifft den ganzen Körper. Es können daher unabhängig von der Lage des Infektionsherdes alle Organe in Mitleidenschaft gezogen werden. Sehr häufig kommt es zu einem akuten Versagen der Lunge, des Kreislaufes und der Niere.

Wenn der Kreislauf nicht mehr für den ganzen Körper ausreichend ist, kommt es zur Zentralisierung der Blutzirkulation auf die überlebensnotwendigen Organe und zu einer Minderdurchblutung von Haut und Muskeln. Im extremen Fall kann dies zum Untergang von Haut und Muskeln führen mit einer erforderlichen Amputationen von Gliedmaßen.

Reicht auch die Durchblutung des Gehirns nicht mehr aus, kann es zum Untergang von Hirnzellen und lebenslangen mentalen Einschränkungen kommen. Je nach dem Schweregrad des Organversagens können die Kinder an einer Sepsis sehr schnell versterben. Bleibende Einschränkungen von Organfunktionen sind häufig die Folge einer unzureichend behandelten Sepsis.

 

Gibt es Altersgruppen, in denen Kinder besonders anfällig für Sepsis sind?

Vor allem Früh- und Neugeborene und Kleinkinder sind besonders gefährdet an einer Sepsis zu erkranken. Ihr Immunsystem ist noch nicht voll ausgebildet und sie können sich gegen Krankheitserreger noch nicht optimal wehren. Um die Geburt herum können Keime auf sie übertragen werden und zu lebensbedrohlichen Infektionen führen.

Besonders hoch infektiöse Bakterien und Viren wie Pneumokokken, Hämophilus Influenza B und Meningokokken können im Kleinkindesalter zu einer Sepsis führen. Chronisch schwerkranke Kinder haben zeitlebens ein erhöhtes Risiko an einer Sepsis zu erkranken. Ebenso sind Kinder unter einer Chemotherapie hoch gefährdet. Im Teenageralter entsteht eine Sepsis häufig über infizierte Wunden.

Ein besonderes Risiko eine Sepsis zu erleiden, haben folgende Gruppen von Kinder:

  • Frühgeborene und Neugeborene

  • Kinder mit einer Krebstherapie

  • Knochenmark Transplantierte

  • Kinder mit geschwächtem Immunsystem, angeboren oder erworben

  • Kinder mit schweren chronischen Vorerkrankungen

  • Kinder mit reduzierter Kreislauffunktion

  • Chronisch pathologisch besiedelte Patienten wie Kinder mit Mukoviszidose u.a.

  • Alle kritisch kranken Patienten und Kinder auf Intensivstationen

  • Kinder mit künstlichen Fremdkörpern wie Drainagen, Shunts, Venen- und Blasenkathetern usw.

Wie häufig kommt Sepsis bei Kindern vor?

Grundsätzlich kann aus jeder Infektion eine Sepsis entstehen. In Deutschland treten bei Kindern von Geburt bis zum 19. Lebensjahr 14 Fälle von Sepsis bei 100.000 Kindern auf. Bei Neugeborenen ist die Rate mit 1006 Fällen auf 100.000 Lebendgeborene wesentlich höher und nimmt mit zunehmendem Alter beständig ab.

Besonders häufig betroffen sind frühgeborene Babies. Von allen Kindern, die eine Sepsis erleiden, versterben 16,6 Prozent an dieser schweren Erkrankung. Die Sepsis ist damit für bis zu 15 Prozent aller Todesfälle von Kindern in Krankenhäusern verantwortlich.

In bestimmten Altersstufen erkranken Kinder häufig an weit verbreiteten Sepsiserregern wie Pneumokokken oder Meningokokken. Diese Keime sind hoch ansteckend und befallen daher meist bereits bei einem ersten Kontakt Säuglinge und Kleinkinder. Durch frühzeitige Impfungen konnte die Anzahl der Sepsis die durch diese Bakterien ausgelöst werden, deutlich reduziert werden.

Wann sollte man wegen einer möglichen Sepsis den Notarzt rufen?

Kinder haben vor allem in den ersten zwei Lebensjahren bis zu mindestens zehn Infekte jährlich. Danach nimmt die Infekthäufigkeit ab um bei Eintritt in den Kindergarten erneut wieder anzusteigen. Die Kinder wirken dabei oft recht krank mit hohem Fieber und Schlappheit. Fast immer stellt dies aber keinen Notfall dar.

Wichtige Unterscheidungsmerkmale zu einem normalen Infekt und der notwendigen Hinzuziehung eines Notarztes sind folgende:

  • Anhaltend hohes Fieber das durch fiebersenkende Medikamente kaum oder nicht beeinflussbar ist

  • Eine zunehmend schnelle und angestrengte Atmung und Luftnot

  • Ein rasender Puls

  • Dunkle, nicht wegdrückbare und größer werdende Flecken auf der Haut

  • Keine Nahrungsaufnahme mehr über 24 Stunden, bei Säuglingen und Kleinkindern anhaltend trockene Windeln. Bei kleinen Säuglingen sind diese Zeiten noch kürzer zu halten.

  • Mangelnde Interaktion mit der Umwelt und Apathie

  • In jedem Fall von Bewusstlosigkeit und einer blauen Verfärbung der Zunge und der Schleimhäute muss sofort der Notarzt hinzugezogen werden.

Mit welchen anderen Krankheiten kann Sepsis verwechselt werden?

Grundsätzlich sind die Symptome einer Sepsis oft nicht von Symptomen anderer schwerer Erkrankungen am Beginn der Erkrankung zu unterscheiden. Vor allem im Neugeborenenalter ist die Unterscheidung zu einer angeborenen Stoffwechselerkankung nur sehr schwer zu treffen.

Hier kann oft nur durch eine Blutuntersuchung die richtige Diagnose gefunden werden. Auch andere Erkrankungen wie angeborene Herzfehler, Lungen- oder Leberkrankungen oder auch Vergiftungen sind gelegentlich nur durch eine erweiterte Diagnostik von einer Sepsis zu unterscheiden.

Wichtige Informationen ergibt oft die Krankengeschichte mit zum Beispiel einer längeren Phase von Fieber, entzündeten Wunden oder anderen Symptomen wie Husten oder Durchfall.

Wie können Eltern einer Sepsis bei Ihren Kindern vorbeugen?

Die wichtigste Maßnahmen liegen im Bereich einer ausreichenden Hygiene. Regelmäßiges Hände waschen und eventuelle Händedesinfektion, gute Zahnhygiene, das intensive reinigen und abdecken von offenen Wunden und die Vermeidung von Kontaktinfektionen durch andere kranke Kinder in der Schule oder dem Kindergarten. Das ausreichende Waschen von Nahrungsmitteln wie Obst und Salat kann die Aufnahme von Erregern wie Salmonellen und Staphylokokken deutlich verringern.

Die Erziehung bezüglich der Wichtigkeit dieser Hygienemaßnahmen in den Familien ist von großer Wichtigkeit.

Ein weiterer bedeutender Faktor ist das Impfen nach den Empfehlungen der ständigen Impfkommission. Besonders durch die Impfungen gegen HIB, Pneumokokken und Meningokokken konnte das Auftreten schwerer, lebensbedrohlicher Infektionen und Sepsis durch diese Erreger deutlich verringert werden.

Bei Immungeschwächten, wie Kindern ohne eine Milz, sollten Notfallausweise angelegt und prophylaktische Antibiotikaverordnungen festgelegt werden. Dies sollte den Familien, BetreuerInnen wie LehrerInnen und ErzieherInnen und den KinderärztInnen bekannt sein.