Postings machen HAARP-Forschungsprojekt fälschlich für Polarlichter verantwortlich

Ein starker Sonnensturm löste im Mai 2024 spektakuläre atmosphärische Polarlichter aus, die auf der ganzen Welt zu sehen waren. In sozialen Medien wurde jedoch behauptet, dass die Lichterscheinungen von einem US-amerikanischen Forschungsprojekt herrührten. Das ist falsch. Das geomagnetische Phänomen war gut dokumentiert. Fachleute erklärten zudem, dass die als HAARP bekannte Forschungsanlage nicht in der Lage sei, ein Phänomen in diesem Ausmaß zu erzeugen.

"HAARP, 8.5. - 10.5. Die letzten drei Tage wurde mittels riesigen HAARP-Anlagen in Alaska die Atmosphäre sehr stark Ionisiert, welches die künstlichen Nordlichter Europaweit erzeugt hat", schrieb ein User am 11. Mai 2024 auf Facebook. Postings mit der Behauptung wurden hundertfach geteilt. Auch auf Telegram kursiert die Aussage.

In den Beiträgen werden Bilder und Videos von grünen und rosa Polarlichtern am Himmel gezeigt. User behaupten, dass HAARP – ein ehemaliges US-Militärprojekt, das heute an der University of Alaska Fairbanks angesiedelt ist und die Ionosphäre mit Hilfe von Hochfrequenzsendern erforscht – für die Polarlichter Anfang Mai 2024 verantwortlich gewesen sei.

In anderen Sprachen wie EnglischSpanisch und Griechisch wird die Aussage ebenfalls geteilt.

<span>Facebook-Screenshot der Behauptung: 24. Mai 2024</span>
Facebook-Screenshot der Behauptung: 24. Mai 2024

Spektakuläre Polarlichter erhellten den Nachthimmel in vielen Teilen der Welt am 10. und 11. Mai 2024. Sie wurden durch den stärksten Sonnensturm seit mehr als zwei Jahrzehnten ausgelöst. Sich verändernde Magnetfelder, die mit geomagnetischen Stürmen einhergehen, verursachen elektrische Ströme in etwa Stromleitungen, was zu Stromausfällen führen kann. Auch lange Pipelines können unter Strom stehen, was zu technischen Problemen führt.

Die geteilten Behauptungen sind jedoch irreführend. Das weltweite Phänomen hat nichts dem HAARP-Forschungsprogramm (High-Frequency Active Auroral Research Program) zu tun.

HAARP-Experiment befeuert Falschbehauptungen

Obwohl die HAARP-Forschung laut ihrer Website zu einem "schwachen, leuchtenden, Aurora-ähnlichen Leuchten" führen kann, kann sich ihre Wirkung nicht über ein kleines Gebiet hinaus erstrecken, sagen Wissenschaftler.

Dennis Papadopoulos, Professor für Plasmaphysik an der University of Maryland und einer der Wissenschaftler, die an der Entwicklung von HAARP beteiligt waren, hält die geteilten Behauptungen für unbegründet. "Während wir in der Vergangenheit künstliche Polarlichter erzeugt haben, ist dies auf das Gebiet um Gakona beschränkt und um Größenordnungen schwächer als das, was beobachtet wird", schrieb er in einer E-Mail vom 13. Mai 2024. "HAARP kann keine globalen Effekte hervorrufen."

Angeheizt wurden die Behauptungen durch die Meldung, dass HAARP vom 8. bis 10. Mai 2024 Forschungen durchführte. In mehreren verbreiteten Beiträgen wurde eine echte Mitteilung über das Projekt als angeblicher Beweis dafür angeführt, dass HAARP für die Polarlichter verantwortlich sei.

Ein Sprecher der in Alaska ansässigen Einrichtung erklärte jedoch am 13. Mai 2024 gegenüber AFP, das Experiment habe "Mechanismen zur Erkennung von Weltraummüll in der Umlaufbahn untersucht" und habe nichts mit dem geomagnetischen Sturm zu tun.

Die University of Alaska Fairbanks gab am selben Tag eine Erklärung mit zusätzlichen Details zu ihrer Forschung heraus. "Wir haben auf viele Anfragen von Medien und Öffentlichkeit geantwortet", wird Jessica Matthews, HAARP-Direktorin, in der Erklärung zitiert. "Die wissenschaftlichen HAARP-Experimente standen in keinem Zusammenhang mit dem Sonnensturm oder der hohen Polarlichtaktivität, die rund um den Globus zu beobachten war."


<span>Das Nordlicht oder Aurora Borealis erhellt den Nachthimmel in Grand Bend in der kanadischen Provinz Ontario während eines geomagnetischen Sturms am 12. Mai 2024</span><div><span>Geoff Robins</span><span>AFP</span></div>
Das Nordlicht oder Aurora Borealis erhellt den Nachthimmel in Grand Bend in der kanadischen Provinz Ontario während eines geomagnetischen Sturms am 12. Mai 2024
Geoff RobinsAFP

Jeffrey Hughes, Professor für Astronomie mit Schwerpunkt Weltraumphysik an der Boston University, stimmte dem zu und teilte AFP in einer E-Mail vom 13. Mai 2024 mit, dass die von HAARP ausgestrahlten Radiowellen "die lokale Ionosphäre (über eine Region von ungefähr 100 Meilen Breite) verändern können, aber nicht weiter weg. Sie könnten kein Nachthimmelleuchten außerhalb von Alaska verursachen". 100 Meilen entspricht rund 160 Kilometern.

Der auf die Ionosphäre spezialisierte emeritierte Professor Umran Inan von der Stanford University schrieb AFP am 13. Mai 2024, dass die Behauptungen wenig Sinn ergeben würden. "Die elektromagnetische Energie, die von der HAARP-Anlage an die Ionosphäre abgegeben wird, ist winzig im Vergleich zu der Energie, die von intensiven Blitzen abgegeben wird, die etwa 50 bis 60 Mal pro Sekunde auf unserem Planeten auftreten", erklärte er in einer E-Mail. "Dementsprechend ist jede Andeutung, dass ein globales Ereignis wie dieses mit HAARP zusammenhängt, wirklich lächerlich."

Tuija Pulkkinen, Inhaberin des Lehrstuhls für Klima- und Weltraumwissenschaften und -technik an der University of Michigan, wies die Behauptungen am 13. Mai 2024 in ähnlicher Weise zurück. "HAARP ist ein Funksender, der Signale an die obere Atmosphäre sendet und eine Elektronenheizung erzeugt. Es hat die Fähigkeit, ein künstliches Leuchten in der Luft zu erzeugen, das Polarlichtern ähneln könnte, aber nur in einer sehr lokalen Region", sagte sie gegenüber AFP. "Das Auftreten des Sonnensturms wurde durch Sonnen- und Sonnenwindbeobachtungen in 1,5 Millionen Kilometer Entfernung von der Erde zur Sonne bestätigt."

Plasmaphysiker Jan Egedal von der University of Wisconsin bezeichnete die Behauptungen am 13. Mai 2024 als "Unsinn" und fügte hinzu: "Die HAARP-Anlage hat nicht annähernd die Energie, die zur Erzeugung des Polarlichts erforderlich ist."

Was sind Polarlichter?

Polarlichter entstehen, wenn energiereiche, geladene Teilchen von der Sonne in Form von Sonnenwind die Erde erreichen und mit Gasmolekülen in der oberen Atmosphäre wechselwirken.

Wenn die Teilchen auf die Erde zufliegen, treffen sie auf den Rand der Magnetosphäre – das Magnetfeld des Planeten –, das sie normalerweise in Richtung der Pole lenkt. Dort treten sie in Wechselwirkung mit der Erdatmosphäre und strahlen Licht ab. Dabei entsteht Strahlung verschiedener Wellenlängen, die die Farben von Polarlichtern erzeugt.

Die Wechselwirkung tritt zwischen 80 und 250 Kilometern über der Erdoberfläche auf, am häufigsten um die Arktis und den Polarkreis. Starke Sonnenaktivität kann jedoch dazu führen, dass sich Polarlichter bis in die mittleren Breiten ausstreckt. In Mitteleuropa, darunter Deutschland, Österreich und der Schweiz, können dann Polarlichter beobachtet werden.

Der Sonnensturm, der die Erde im Mai 2024 heimsuchte, erzeugte auch in beispielsweise Griechenland oder den USA und Kanada gut sichtbare Polarlichter, wie Medien berichteten.

AFP hat bereits mehrfach Falschbehauptungen zu HAARP überprüft. HAARP wurde in der Vergangenheit etwa fälschlicherweise für Unwetter, Erdbeben oder Vulkanausbrüche verantwortlich gemacht. Auch Wettermanipulation wurde HAARP fälschlich vorgeworfen.

Fazit: In sozialen Medien wurde fälschlich behauptet, dass die von einem starken Sonnensturm im Mai 2024 ausgelösten Polarlichter von einem US-amerikanischen Forschungsprojekt ausgingen. Fachleute erklärten, dass die als HAARP bekannte Forschungsanlage nicht in der Lage sei, ein Phänomen in diesem Ausmaß zu erzeugen.