Ukraine: Die Ereignisse vom Donnerstag

Die russische Anti-Kriegs-Aktivistin und Künstlerin Alexandra Skotschilenko ist von einem Gericht in ihrer Heimatstadt St. Petersburg zu sieben Jahren Straflager verurteilt worden. Derweil werden die Rufe nach Ukraine-Hilfen wieder lauter.

Die 33-Jährige, die in einem Lebensmittelladen Preisschilder durch Losungen gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine ersetzt hatte, musste sich wegen der Verbreitung angeblicher Falschinformationen über Moskaus Armee verantworten. Die Musikerin und Dichterin war nach der Aktion im April 2022 festgenommen worden und saß seither in Untersuchungshaft. Sie wies die Vorwürfe stets zurück.

Ihr Fall hatte international auch deshalb Entsetzen ausgelöst, weil sie trotz schwerer Krankheiten inhaftiert blieb. Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Straflager beantragt, maximal drohten ihr zehn Jahre Haft. Skotschilenko ist von den Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Memorial als politische Gefangene eingestuft worden.

Vor allem ihre Lebenspartnerin hatte immer wieder auf das Schicksal der politisch verfolgten Künstlerin aufmerksam gemacht. In einem ihrer Briefe schrieb Skotschilenko aus der Haft: «Wie sich herausstellt, verkörpere ich alles, was für Putins Regime unerträglich ist: Kreativität, Pazifismus, LGBT, psychologische Aufklärung, Feminismus, Humanismus und Liebe zu allem Hellen, Uneindeutigem und Ungewöhnlichem.»

Scholz betont Notwendigkeit von Hilfsleistungen für die Ukraine

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält die zahlreichen Spenden und Hilfen aus Deutschland für die Ukraine für entscheidend beim Wiederaufbau des Landes. «Deutschland wird nächstes Jahr die Wiederaufbaukonferenz durchführen, die international organisiert ist» sagte Scholz am Donnerstag in Teltow südlich von Berlin. «Aber die wird ja nur funktionieren, wenn es eben ganz viele solche Partnerschaften gibt, wie wir sie hier sehen.»

Der SPD-Politiker war dabei, als eine Hilfslieferung der Brandenburger Stadt Teltow in seinem Wahlkreis an die ukrainische Partnerstadt Khotyn übergeben wurde - darunter Krankenwagen und ein Schulbus. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine dauert seit Februar vergangenen Jahres an.

Es sei für ihn sehr beeindruckend zu sehen, dass die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Ukraine auf vielen Ebenen «ganz erfolgreich stattfindet», sagte Scholz. «Das ist auch notwendig.» Die Partnerschaft zwischen Teltow und Khotyn sei nicht nur konkrete Hilfe, «sondern eine Sache, die auch von Herzen getragen ist».

Im Juni 2024 ist eine internationale Wiederaufbaukonferenz in Berlin geplant. Die Bundesregierung hat der Ukraine neben privaten Investitionen mehr finanzielle Unterstützung für den Wiederaufbau zugesagt. Bisher hat der Bund auch geplant, die Haushaltsmittel für Militärhilfe für die Ukraine im kommenden Jahr zu verdoppeln.

Tschechien friert russische Staatsimmobilien ein

Die Regierung in Prag hat zahlreiche Immobilien in Tschechien eingefroren, die direkt einer Liegenschaftsverwaltung des russischen Präsidialamts von Kremlchef Wladimir Putin unterstehen. Das russische Staatsunternehmen für die Verwaltung von Auslandsimmobilien Gossagransobstwennost sei auf die nationale Sanktionsliste des EU-Mitgliedstaats gesetzt worden, teilte das tschechische Außenministerium am Donnerstag in Prag mit.

Außenminister Jan Lipavsky begründete den Schritt damit, dass Erlöse aus kommerziellen Aktivitäten wie Mieteinnahmen unmittelbar in den russischen Haushalt geflossen seien. Moskau stehe «hinter der Ermordung von Zivilisten in der Ukraine». Man wolle sich für EU-weite Sanktionen gegen Gossagransobstwennost als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg einsetzen.

Die Maßnahme betrifft den Angaben zufolge eine große Zahl an Immobilien vor allem in Prag und Karlsbad (Karlovy Vary) - mit Ausnahme diplomatischer Einrichtungen. Ziel des sogenannten Einfrierens von Immobilien ist es, die wirtschaftliche Verwertung durch Verkauf, Vermietung, Verpachtung und ähnliches zu verhindern.

Union bekräftigt Forderung nach Taurus-Lieferung an die Ukraine

Die Union hat im Bundestag die Forderung nach einer Lieferung deutscher Marschflugkörper vom Typ Taurus an die Ukraine erneuert. «Das notwendige Ziel, die territoriale Integrität wiederherzustellen, erreicht die Ukraine nur, wenn sie den Stellungskrieg mit unterschiedlichsten Waffensystemen aufbrechen kann und die russischen Truppen zum Rückzug zwingt», sagte Florian Hahn (CSU), der verteidigungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, die einen entsprechenden Antrag vorlegte.

Hahn kritisierte, trotzdem verweigere die Bundesregierung - speziell das Kanzleramt - der Ukraine die Lieferung von Taurus-Marschflugkörper seit mehr als sechs Monaten, während Partnernationen wie Frankreich, Großbritannien und die USA ähnliche Systeme bereits geliefert hätten. Er sagte: «Und der Bundeskanzler, er zaudert und zögert wie schon so oft in der Vergangenheit.»

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth wies Kritik an der Bundesregierung zurück. In der umstrittenen Fragen der Taurus-Lieferung gebe es unterschiedliche Ansichten in mehreren Parteien, sagte Roth, der Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses ist. Die stockende Entwicklung in der Ukraine stimme sorgenvoll, aber Müdigkeit stelle er «eher auf den bequemen Sofas in manchen europäischen Hauptstädten fest». «Ich sehe sie aber nicht in der Ukraine», sagte er.

Roth mahnte, verstärkte Waffenlieferungen könnte nicht Deutschland allein leisten. «Ich bin von der EU enttäuscht. Was ist nicht alles von einer europäischen Allianz der Leopard-Panzer gesprochen worden. Was ist nicht darüber gesprochen worden, dass bis März die Ukraine eine Million Schuss Munition erhält. Von diesen Versprechungen ist nicht mehr viel übrig geblieben», sagte Roth. Die Bundesregierung habe vielleicht noch nicht alles versprochen, aber sie habe alles gehalten. Roth: «Wir sind ein verlässlicher Partner an der Seite Ukraine und wir werden es auch bleiben.»

EU zielt auf Russlands Diamantenexport

Russland muss wegen seines Krieges gegen die Ukraine mit weiteren Strafmaßnahmen der EU rechnen. Dazu zählt nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auch der Vorschlag, den Handel mit Diamanten aus Russland zu beschränken. Wie der Auswärtige Dienst der EU mitteilte, wurde den 27 Mitgliedstaaten ein Vorschlag für ein zwölftes Sanktionspaket übermittelt. Es wird nun von Regierungsvertretern geprüft und soll im Idealfall bis Ende des Jahres in Kraft gesetzt werden.

Nach fast 21 Monaten des russischen Angriffskrieges appellierte Präsident Wolodymyr Selenskyj gestern an den Kampfeswillen seiner Landsleute. Die Ukrainer könnten es sich nicht leisten, vor dem Krieg die Augen zu verschließen, sagte er in Kiew: «Wir müssen kämpfen.» Das ukrainische Militär zählt heute den 631. Tag des Krieges.

In Russland wird der von Präsident Wladimir Putin befohlene Krieg von vielen Menschen unterstützt. Allerdings wurden als Zeichen des Protests in den vergangenen Tagen wieder mehrere Anschläge auf Musterungsämter der Streitkräfte verübt.

EU bringt zwölftes Sanktionspaket auf den Weg

Den Angaben aus Brüssel zufolge will die EU Aus- und Einfuhrverbote für weitere Güter aus Russland beschließen. Auch soll der zuletzt kaum noch wirksame Preisdeckel für russische Ölexporte in Drittstaaten verschärft werden. Anders als Großbritannien hat die EU bislang kein Importverbot für Diamanten und Aluminium aus Russland angekündigt.

Grund war bis dato vor allem der Widerstand Belgiens, wo die flämische Hafenstadt Antwerpen seit dem 16. Jahrhundert eines der bedeutendsten Diamantenzentren der Welt ist. Russland gilt wiederum als weltweit größter Produzent von Rohdiamanten. 2021 hatte der staatliche Diamantenförderer Alrosa Einnahmen in Höhe von 332 Milliarden Rubel (rund 3,38 Milliarden Euro).

Das elfte EU-Sanktionspaket war im Juni in Kraft getreten. Es umfasste unter anderem ein Instrument gegen das Umgehen bereits erlassener Sanktionen. Schon länger gibt es Einfuhrverbote für Rohöl, Kohle, Stahl, Gold und Luxusgüter sowie Strafmaßnahmen gegen Banken und Finanzinstitute. Die Liste der wegen des Ukraine-Konflikts sanktionierten Personen, Organisationen und Firmen umfasst mittlerweile rund 1800 Einträge.

Ukraine macht Kriegsrisikoversicherungen für Schiffe günstiger

Die Ukraine senkt mit britischer Hilfe die Versicherungsprämien für Schiffe, die trotz des Krieges ukrainische Schwarzmeerhäfen anlaufen. Dies solle Getreideexporte aus der Ukraine unterstützen, sagte Ministerpräsident Denys Schmyhal.

Es gebe eine Kriegsrisikodeckung von 50 Millionen US-Dollar (46,1 Millionen Euro) für jedes Schiff. Dazu kämen weitere 50 Millionen Dollar an Schutz- und Haftpflichtversicherung je Reise in die Ukraine. Von ukrainischer Seite garantieren die staatlichen Banken Ukreximbank und Ukrgasbank die Summen, von britischer Seite die Rückversicherer Marsh McLennan und Lloyd's of London. Auch die deutsche DZ Bank ist beteiligt.

Russland hatte seine Sicherheitszusage für ukrainische Getreideexporte im Juli zurückgezogen. Deshalb richtete die Ukraine einen eigenen Schiffskorridor zu ihren Häfen am Schwarzen Meer ein. Etwa 100 Schiffe haben seitdem die riskante Passage gewagt; es wurde wieder mehr Getreide ausgeführt. Vergangene Woche beschoss die russische Luftwaffe aber einen Frachter unter der Flagge von Liberia, der in einem Hafen bei Odessa lag. Ein ukrainischer Lotse wurde getötet, drei philippinische Seeleute wurden verletzt.

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