So arbeitet Chinas berüchtigtes "Erstes Büro": Chinesischer Spion packt über Xi Jinpings Geheimpolizei aus

Chinas Geheimdienst operiert weltweit gegen Dissidenten. Nun hat ein ehemaliger Spion im australischen Exil öffentlich über die Arbeit des "Ersten Büros" gesprochen. - Copyright: picture alliance/AssociatedPress/Andy Wong
Chinas Geheimdienst operiert weltweit gegen Dissidenten. Nun hat ein ehemaliger Spion im australischen Exil öffentlich über die Arbeit des "Ersten Büros" gesprochen. - Copyright: picture alliance/AssociatedPress/Andy Wong

Der Spion, er nennt sich Eric, spricht Klartext. "Es ist die düsterste Abteilung der chinesischen Regierung", sagt Eric dem australischen Sender ABC. "Das Büro – sie sind ein bisschen wie der KGB, die Stasi, die Gestapo."

Eric ist laut ABC 39 Jahre alt, und er ist, das sagte er dem Sender als auch den australischen Regierungsbehörden, ein Agent und Spion für die chinesische Geheimpolizei. Eine Institution des Ministeriums für Staatssicherheit, die so geheim operiert, dass sie nicht einmal einen Namen hat. Kein markantes Kürzel, keine CIA, kein MI6, kein FSB. Nur ein ominöser Spitzname: das "Erste Büro".

Die Agenten des Ersten Büros operieren weltweit. Sie jagen Menschenrechtler, Regierungskritiker, Dissidenten. Jede und jeden, die es wagen, offen die Kommunistische Partei Chinas und den autoritären Präsidenten Xi Jinping zu kritisieren. Eric, so berichtet es ABC, unter Berufung auf Erics Aussagen und von ihm ausgehändigte Dokumente und Chatverläufe, war so ein Agent.

Wie die chinesische Geheimpolizei ihre Feinde in Fallen lockt

Aber nicht immer, so sagt es Eric dem Sender. Als Student sei er einer Demokratiebewegung, der in den USA gegründeten China Social Democratic Party, beigetreten. Kurz darauf hätten ihn Polizisten festgenommen und nach tagelangen Verhören vor eine Wahl gestellt: Gefängnis – oder ein Leben als Agent für die chinesische Regierung.

Eric wird, so erzählt er es, Agent, er habe keine Wahl gehabt. Er spioniert seine Freunde in der Demokratiebewegung aus, er trifft den Dalai Lama und schickt Berichte darüber an die Geheimpolizei. Er wird auf regierungskritische Chinesen im Ausland angesetzt. So soll er, das zeigen Chats, die dem ABC vorliegen, den nach Australien geflohenen Youtuber Edwin Yin nach Südostasien locken – wohl, damit die Geheimpolizei ihn dort festnehmen kann. Eric schreibt seinem Vorgesetzten nach einigen Versuchen, Edwin sei "zu schlau", um sich locken zu lassen.

Auch der Versuch, den Dissidenten Hua Yong nach Kambodscha oder Laos zu locken, scheitert offenbar. Um Hua zu täuschen, gründete Eric in Thailand eine falsche Miliz, die “V Brigade”, die angeblich gegen die Kommunistische Partei kämpfen wolle. Hua beißt an, er und Eric treffen sich, so erzählt es der Agent, zu Drinks. Doch bevor die Geheimpolizei zugreifen kann, kann Hua nach Kanada ausreisen. Dort stirbt er im November 2022, bei einem Kayak-Ausflug.

Ein weiteres Opfer: Rebel Pepper, ein chinesischer Cartoonist, der aus dem Land geflohen ist. Eric gibt sich Rebel Pepper gegenüber als Vertreter von Prince Real Estate Group, einer Immobilienfirma in Kambodscha aus. Der Cartoonist sollte ein Logo designen, und tut dies auch. Letztlich soll Rebel Pepper, der heute in den USA lebt und damals in Japan wohnte, für ein Bewerbungsgespräch nach Kambodscha kommen. Dazu kommt es nicht, laut Angaben des Zeichners gegenüber ABC, weil dessen Ehefrau – wohl zurecht – eine Falle fürchtete.

Lässt China einen geflohenen Spion am Leben?

Im vergangenen Jahr, so berichtet es Eric ABC weiter, sei der Druck auf ihn gestiegen. Seine Vorgesetzten seien unzufrieden mit seiner Arbeit gewesen, er liefere ihnen zu wenige Ziele aus. Eric habe sich entschieden, vor seinem Arbeitgeber zu fliehen. Er fliegt nach Australien, schreibt seinen Vorgesetzten, dass es vorbei sei.

"Ich sagte ihnen, dass sie mich nicht mehr treffen können", sagte Eric ABC. "Ich riet ihnen, dass sie und ihre Familien China verlassen, weil es wegen meiner Flucht große Folgen geben könnte." Nun glaubt Eric, selbst Ziel der Geheimpolizei zu werden. "Wenn sie mit einem Ziel wie mir arbeiten, sind sie vielleicht geduldiger. Sie warten womöglich auf die richtige Zeit, zu handeln. Sie könnten Leute nach Australien schicken, um sich mir anzunehmen."

Sicher, sagt Eric im ABC-Interview, könne er sich, so wie jeder Feind der chinesischen Regierung, erst fühlen, wenn die Kommunistische Partei nicht mehr an der Macht sei.

jg