Eine Karriere voller Superlative

Eine Karriere voller Superlative
Eine Karriere voller Superlative

Als hätte Vincent Keymer diesen Sieg kommen sehen. Im April träumte der 18-Jährige von einem Sieg gegen Magnus Carlsen. „Gegen ihn mal zu gewinnen, das wäre ganz groß“, schwärmte der gebürtige Mainzer im Merkur-Interview. Natürlich habe er großen Respekt vor dem Norweger, da dieser die Schachwelt seit Jahren dominiert. „Das ist unglaublich beeindruckend. Aber natürlich will man auch seine Chance nutzen, ihn zu schlagen.“

Gerade einmal vier Monate später hat er diese Worte in die Tat umgesetzt. In der vierten Runde des World Cups in Baku schlug Keymer den Schach-Superstar in 58 Zügen. Damit setzte der junge Deutsche ein dickes Ausrufezeichen hinter seinen ohnehin schon beeindruckenden Weg, den er bislang im Schach gegangen ist.

Nicht selten wird seinem Namen die Assoziation Jahrhunderttalent beigefügt. Für das deutsche Schach könnte er sogar eine ähnliche Rolle spielen wie Dirk Nowitzki im Basketball. „Also, wenn es funktioniert, ist es super“, zeigte sich Deutschlands aktuell bester Schachspieler im Juni auf welt.de geehrt vom Vergleich mit Deutschlands größtem Basketball-Star.

Dennoch wolle er sich auf den aktuellen Erfolgen nicht ausruhen. „Nur weil man ein sehr talentierter Spieler ist, heißt das nicht, dass man automatisch die Top-Fünf der Welt erreicht.“ Dennoch sei das natürlich sein Ziel.

Vincent Keymer - eine Karriere voller Superlative

Und schaut man auf seinen bisherigen Werdegang, scheint ihm der Vorstoß in die absolute Elite der Schachwelt nicht unmöglich. Keymer, der seine Leidenschaft zum Schach bereits im Alter von fünf Jahren entdeckt hatte, machte schon früh auf sich aufmerksam. Mit zwölf Jahren wurde er Vierter bei den deutschen Herren-Einzelmeisterschaften und erreichte auch seine 3. IM-Norm. Damit kürte er sich zum jüngsten Internationalen Meister aus Deutschland.

Der nächste international beachtete Triumph gelang ihm nur ein Jahr später bei den Grenke Chess Open 2018 in Karlsruhe. Er gewann das Turnier mit acht von neun Punkten und ließ dabei 49 Großmeister hinter sich - mit gerade einmal 13 Jahren!

Seine Leistung im Turnier entsprach einer Elo-Zahl von 2.798. Ein solcher Wert war bis zu diesem Zeitpunkt von keinem Spieler in so jungen Jahren erreicht worden. Zum Vergleich, Carlsen steht aktuell bei einem Elo-Rating von 2.835. Und nicht genug der Superlative: Wiederum nur ein Jahr später wurde er mit 14 Jahren zum jüngsten deutschen Großmeister der Geschichte.

Im Dezember des vergangenen Jahres schrammte er nur ganz knapp an einem weiteren Meilenstein seiner Karriere vorbei. Bei der Schnellschach-WM in Almaty (Kasachstan) landete Keymer mit 9,5 Punkten aus 13 Partien auf Rang zwei. Um einen halben Punkt musste er sich damals Carlsen geschlagen geben - mit dem er bereits verglichen wird.

Ähnlicher Spielstil wie Magnus Carlsen

„Zumindest sind unsere Spielstile nicht komplett gegensätzlich“, wollte der 18-Jährige eine Ähnlichkeit zwischen sich und dem Norweger im Merkur nicht abstreiten, fügte jedoch hinzu: „Aber auch Spieler, die einen ähnlichen oder gleichen Stil haben, können sehr unterschiedlich damit umgehen.“ Im Schach könne man an so vielen Schrauben drehen, „da ist eine Duplizität fast ausgeschlossen“.

Überhaupt will Keymer, der am liebsten beim Fahrradfahren entspannt, den Fokus auf sein eigenes Spiel richten, anstatt sich mit anderen Spielern zu vergleichen. In der Schach-Weltrangliste liegt er mit seinem aktuellen Elo-Wert von 2.720 auf Rang 22. Im Oktober 2022 wurde er vom Welt-Schachverband FIDE erstmals mit 2.700 Punkten gelistet. Er ist der erste Deutsche, der diese Marke erreicht hat und erst der neunte Spieler überhaupt, der dabei unter 18 Jahren war.

Der deutsche Schach-Nowitzki?

Dass es weiter so steil nach oben geht, damit rechnet der Deutsche jedoch nicht. „Diese kleinen Schritte auf diesem Niveau sind extrem schwer. Von 2.700 auf 2.740 Elo-Punkte zu kommen ist was ganz anderes als von 1.900 auf 1.940. Da liegen Welten dazwischen.“

Dennoch werden seine Erfolge in der Schachwelt durchaus registriert. Bei den Berliner Schachtagen im April wurde er laut Medienberichten als Influencer gefeiert. Für Keymer keine allzu große Überraschung mehr. „Innerhalb der Schachblase bin ich daran gewöhnt, da bin ich relativ bekannt.“

Noch bekannter könnte er werden, wenn ihm gegen Carlsen ein zweiter Coup gelingt. Nach seinem Auftaktsieg kassierte der Deutsche im zweiten Duell der vierten Runde gegen den Schach-Superstar eine Pleite. So geriet er gegen den Norweger in Zeitnot und gab mit noch zehn Sekunden auf der Uhr auf.

Wer am Ende in die nächste Runde einzieht, entscheidet sich beim Stechen am Freitag. Sollte Keymer sich durchsetzen, wäre dies ein weiterer Schritt auf dem Weg zum deutschen Schach-Nowitzki.