Stichtag 7. Juli - Manche Autos plötzlich illegal - in wenigen Tagen sind diese Assistenzsysteme Pflicht

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Ab dem 7. Juli 2024 sind bei Neuwagen, die in der EU zugelassen werden, eine Vielzahl von Assistenzsystemen vorgeschrieben. Welche sind das und was passiert mit Autos, die den Regularien nicht entsprechen, aber noch nicht zugelassen sind? FOCUS online klärt auf.

Die EU-Verordnung liest sich auf den ersten Blick wie jede andere aus Brüssel, von denen es mittlerweile Tausende gibt. Doch die „Verordnung Nr. 2019/2144 über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge im Hinblick auf ihre allgemeine Sicherheit und den Schutz der Fahrzeuginsassen und von ungeschützten Verkehrsteilnehmern“ hat es in sich. Denn sie definiert, welche Assistenzsysteme sich ab dem 7. Juli 2024 in jedem neu zugelassenen Pkw und leichten Nutzfahrzeuge vorhanden sein müssen. Dabei geht es sowohl um Sicherheitstechnik als auch um Fahrer-Überwachung.

EU schreibt viele neue Assistenzsysteme vor

Dass man ohne elektrische Helfer keine Höchstwertung beim prestigeträchtigen Euro NCAP-Crashtest erreichen kann, ist eine Sache, aber dass viele Autos, die diese Anforderung nicht mehr erfüllen, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zugelassen werden dürfen, eine gänzlich andere.

Der neue Porsche Macan fährt nur noch elektrisch. Die Benziner-Version kann in der EU nicht mehr zugelassen werden<span class="copyright">Porsche Macan Turbo 2024 / Bild: Porsche</span>
Der neue Porsche Macan fährt nur noch elektrisch. Die Benziner-Version kann in der EU nicht mehr zugelassen werdenPorsche Macan Turbo 2024 / Bild: Porsche

Das hat Folgen für viele beliebte Modelle. Der Porsche Macan zum Beispiel hat sich zum Goldesel für den Zuffenhausener Autobauer gemausert, jetzt ist er mit Verbrennungsmotor in Europa nicht mehr als Neuwagen bestellbar. Will man auf der Porsche-Webseite einen Macan konfigurieren, erscheint folgender Hinweis: „Das gewählte Modell ist nicht mehr als frei konfigurierbarer Neuwagen bestellbar. Im Porsche Finder bieten wir Ihnen allerdings eine Vielzahl von Bestandsfahrzeugen an.“

Beliebte Automodelle nicht mehr zulassungsfähig

Wer den kleinen Bruder des Cayenne will, muss zur batterieelektrischen Version greifen. Mit dem Cayman und dem Boxster trifft der Bannstrahl aus Brüssel zwei weitere Porsches. Aus dem VW-Konzern sind zum Beispiel noch der beliebte Großraumvan VW T6.1 und der kleine VW Up betroffen.

Ein VW Transporter durchläuft die Montage im Werk von Volkswagen Nutzfahrzeuge.<span class="copyright">Julian Stratenschulte/dpa</span>
Ein VW Transporter durchläuft die Montage im Werk von Volkswagen Nutzfahrzeuge.Julian Stratenschulte/dpa

Die Käufer von Wohnmobilen können dabei aufatmen, wenn auch nur kurz: Für Vehikel wie den T6.1 California gilt eine Schonfrist bis zum ersten September dieses Jahres. Das führt zu abstrusen Angeboten. Besonders pfiffige Firmen bieten eine Schnellzulassung noch vor dem 7. Juli an. Gegen ein entsprechendes Entgelt, versteht sich. Der Countdown läuft. Der Run auf die beliebten Modelle ist groß und meistens ist die Produktionsmenge schon ausverkauft.

Run auf die letzten Auslaufmodelle

Das Todesurteil für diese konzeptionell älteren Autos ist die Verschärfung der Cybersicherheitsmaßnahmen. Die Fahrzeuge müssen gegen Hackerangriffe aus dem Internet gewappnet sein. Im Zeitalter kabelloser Updates eine nachvollziehbare Maßnahme, die bei Modellen, die auf älteren Architekturen basieren, jedoch mit großem Aufwand und Investitionen in Millionenhöhe verbunden ist. „Wir müssten da sonst noch einmal eine komplett neue Elektronik-Architektur integrieren. Das wäre schlichtweg zu teuer“, bringt es VW-Markenchef Thomas Schäfer im Gespräch mit „tagesschau.de“ auf den Punkt.

Schutz vor Hackerangriffen muss implementiert sein

Die Richtlinie WP.29 der UNECE (United Nations Economic Commission for Europe) gilt seit 6. Juli 2022 für alle neuen Fahrzeugtypen und ab dem 7. Juli 2024 für alle Neufahrzeuge. Unter anderem müssen die Hersteller nachweisen, dass sie bereits bei der Entwicklung der Autos ausreichende Maßnahmen (ein sogenanntes zertifiziertes Managementsystem) gegen Hackerattacken ergriffen haben. Dies schließt übrigens die Zulieferer mit ein. Auch drahtlose Updates (OTAs) sind betroffen. Die Autobauer müssen anhand spezieller Identifikationsnummern identifizieren können, welche Software-Version auf der Hardware des Wagens aufgespielt ist und sicherstellen, dass die Updates sicher vorgenommen werden können.

Zudem gibt es eine Reihe von Assistenzsystemen, die ab dem 7. Juli 2024 bei Neuwagen zwingend vorgeschrieben sind - und davon werden Neuwagenkäufer und auch Mietwagen-Fahrer im Alltag deutlich mehr merken als von den neuen Cyber-Vorschriften. Manche Systeme dienen der aktiven Sicherheit, manche aber auch ganz klar der Fahrerüberwachung.

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1. Intelligent Speed Assistance (ISA) / Geschwindigkeitswarner

Sobald man zu schnell fährt, meldet sich das Auto und weist den Piloten mit einer akustischen oder optischen Warnung (im Kombidisplay) auf diesen Umstand hin. Das Auto bremst dabei nicht ab oder reduziert die Leistung. Der Fahrer ist nach wie vor verantwortlich, wie weit er das Gaspedal durchdrückt. Allerdings sind für ein reibungsloses Funktionieren dieser Einrichtung aktuelles Kartenmaterial und eine möglichst fehlerfreie Verkehrsschildererkennung notwendig. Gerade letztere funktioniert nicht immer einwandfrei. Ärger bei Italienern - Neue Blitzer-Regel birgt „gute“ Nachrichten für Italien-Urlauber

In der Praxis zeigt sich das System für den Fahrer ganz unterschiedlich. Bei manchen Herstellern sind die Warntöne laut und penetrant, bei anderen eher subtil und leise - so dass man sie mit der Zeit fast überhört. Bei Fahrzeugen mit Tempo-Anzeige im Head-Up-Display blinkt bei einer Tempolimit-Überschreitung meist das Verkehrsschild-Symbol.

Schon eine normale "Black Box" (Unfalldatenspeicher) kann diverse Daten aufzeichnen. Moderne Vernetzung, GPS und WLAN machen aber erheblich mehr möglich<span class="copyright">Kienzle Argo</span>
Schon eine normale "Black Box" (Unfalldatenspeicher) kann diverse Daten aufzeichnen. Moderne Vernetzung, GPS und WLAN machen aber erheblich mehr möglichKienzle Argo

2. Unfalldatenspeicher

Der Unfalldatenspeicher (UDS) zeichnet ähnlich wie im Flugzeug diverse Daten auf. Allerdings holt man sich bei diesem Aufzeichnungsgerät keinen Big Brother in den Wagen, da die Daten nach wenigen Sekunden wieder überschrieben werden. Lediglich im Falle eines Unfalls verbleiben die Aufzeichnungen im Speicher. Deswegen wird dieses System auch als „ereignisbezogene Datenaufzeichnung (Black-Box)“ bezeichnet. Folgende Daten werden unter anderem gesammelt:

3. Notbremsassistent

Wie der Name schon verdeutlicht, bremst das System selbständig, sobald eine Kollision droht. Die dafür notwendige Hardware in vielen Autos bereits verbaut und kommt bei adaptiven Tempomaten zum Einsatz, bei denen das Fahrzeug je nach Verkehrssituation automatisch bremst und beschleunigt.

Wenn Big Brother mit im Auto sitzt<span class="copyright">Autoren-Union Mobilität/DVR</span>
Wenn Big Brother mit im Auto sitztAutoren-Union Mobilität/DVR

4. Notfall-Spurhalteassistent

Ähnlich wie beim zuvor genannten Notbremsassistenten greift der Spurhalte-Assistent aktiv mit einer automatischen Lenkbewegung (nicht nur mit Warnungen per vibrierendem Lenkrad) ein, sobald das Vehikel Gefahr läuft, die Fahrspur zu verlassen. Auch dieses System ist schon bei vielen vor allem höherpreisigen Neuwagen verbaut. Allerdings ist das kein Freifahrtschein, da die Kameras und Sensoren nicht immer funktionieren, etwa bei schlechten Straßenmarkierungen. Das meldet dann das System per Display. Bei jedem Anlassen des Autos ist das System wieder scharf, falls man es ausgestellt hat.

5. Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner

Je länger man Auto fährt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man ermattet. Das System überwacht zum Beispiel die Lenkbewegungen. Werden diese ruckartiger, geht der Algorithmus von einer nachlassenden Aufmerksamkeit aus.

Ein müdigkeits-Wransystem bei Mercedes<span class="copyright">Mercedes-Benz AG</span>
Ein müdigkeits-Wransystem bei MercedesMercedes-Benz AG

Dann schreitet der Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner ein und weist den Piloten darauf hin, eine Pause einzulegen. Bei einigen modernen Autos überwacht auch eine Kamera das Gesicht des Fahrers, ermahnt ihn mit Sätzen wie „bleiben Sie konzentriert“, sobald er häufiger blinzelt und die Augen zu lange geschlossen bleiben.

6. Notbremslicht

Manchen dürfte schon aufgefallen sein, dass beim Vordermann die Bremslichter bei scharfen Bremsmanövern ähnlich wie bei einer Alarmblinkanlage anfangen zu flackern und so den nachfolgenden Verkehr vor einer starken Geschwindigkeitsreduzierung warnen.

Alko-Locks sollen zur Pflicht werden<span class="copyright">Volvo</span>
Alko-Locks sollen zur Pflicht werdenVolvo

7. Vorrichtung zum Einbau einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre

Nach dem Willen der EU müssen alle Neuwagen jetzt eine standardisierte Schnittstelle haben, die das Nachrüsten einer alkoholempfindlichen Wegfahrsperre ermöglicht. Allerdings ist eine solche Vorrichtung, die Hersteller wie Volvo schon seit Längerem unter der Bezeichnung „Alcoguard“ anbieten, derzeit noch keine Pflicht.

8. Rückfahrassistent

Wie der Name schon sagt, hilft der Rückfahrassistent dem Fahrer beim Rangieren, um eine Kollision zu vermeiden. Das geschieht bei modernen Autos häufig im Zusammenspiel mit einer Kamera und Ultraschallsensoren. Das System warnt bei einem drohenden Parkrempler und bremst ggf. von selbst.Straßenverkehr - Auf welchen Straßen Ihnen für das Rückwärtsfahren Bußgeld droht

9. Reifendrucküberwachung

Ein platter Reifen kann bei hoher Geschwindigkeit fatale Auswirkungen haben. Deswegen überwachen Sensoren den Reifendruck aller vier Pneus kontinuierlich und melden auch geringe Abweichungen sofort. Das ist vor allem bei sogenannten Runflat-Reifen wichtig, da der Fahrer ohne die Technik den Druckabfall zu spät bemerken würde oder der Reifen ihm bereits um die Ohren fliegt. Auch dieses System ist schon seit einiger Zeit in den meisten PKW verbaut. Leider ist dieses Reifendruckkontrollsystem (RDKS) fehleranfällig und produziert schon mal falschen Alarm.

Im Zuge der sogenannten OBFCM-Verordnung wird seit dem 1.1. Januar 2021 der Spritverbrauch jedes Neuwagens an die EU gemeldet. Als Fahrzueghaltr können Sie dem widersprechen - zum Beispiel beim Werkstattaufenthalt<span class="copyright">Viehmann</span>
Im Zuge der sogenannten OBFCM-Verordnung wird seit dem 1.1. Januar 2021 der Spritverbrauch jedes Neuwagens an die EU gemeldet. Als Fahrzueghaltr können Sie dem widersprechen - zum Beispiel beim WerkstattaufenthaltViehmann

10. Verbrauchs-Überwachung für alle Verbrenner und Hybride

Dieses System ist schon länger bei allen Neuwagen an Bord und gehört daher eigentlich nicht in diese Liste - Autofahrer sollten trotzdem darüber Bescheid wissen, weil es für sie noch erhebliche Konsequenzen haben könnte. Hinter dem Begriff OBFCM-Verordnung verbirgt sich eine umfangreiche Datensammlung aller Neuwagen , die seit 2021 nach Brüssel gesendet werden muss.

Bei Benzin- und Dieselfahrzeugen müssen von allen Autoherstellern folgende in den Fahrzeug-Steuergeräten hinterlegten Daten an die EU bei übermittelt:

  • Gesamtkraftstoffverbrauch (über die komplette Lebensdauer) in Litern;

  • insgesamt zurückgelegte Strecke (Lebensdauer) in Kilometern;

  • Fahrzeuggeschwindigkeit in km/h.

Bei Hybridmodellen sind zusätzlich folgende Daten zu übermitteln:

  • Gesamtkraftstoffverbrauch (Lebensdauer) in Liter;

  • Gesamtkraftstoffverbrauch im Entladebetrieb (Lebensdauer) in Litern;

  • Gesamtkraftstoffverbrauch bei vom Fahrer wählbarem Aufladebetrieb (Lebensdauer) in Litern;

  • Gesamtfahrleistung (Lebensdauer) in Kilometern;

  • Gesamtfahrstrecke im Entladebetrieb mit abgestelltem Motor (Lebensdauer) in Kilometern;

  • Gesamtkilometerleistung im Entladebetrieb mit laufendem Motor (Lebensdauer) in Kilometern;

  • Gesamtentfernung im vom Fahrer wählbaren Aufladebetrieb (Lebensdauer) in Kilometern;

  • Gesamte in die Batterie eingespeiste Netzenergie (Lebensdauer) in kWh. Hohe Abweichung vom Normwert - US-Experten enthüllen Verbrauchs-Betrug bei Elektroautos

Ein entscheidender Punkt dabei ist, dass die Daten zwar anonymisiert weitergegeben werden, aber die Hersteller auch verpflichtet sind, die VIN-Nummer (Fahrzeug-Identifikationsnummer) zu übertragen. Jeder Datensatz lässt sich also einem Fahrzeug und damit letztlich dem jeweiligen Halter zuordnen.

Nach Informationen von FOCUS online aus Brüsseler Kreisen könnte die Datenerfassung als Testlauf zur langfristigen Vorbereitung einer “Klima-Maut" benutzt werden, bei der jeder gefahrene Kilometer auf jeder einzelnen Straße bezahlt werden müsste. Und zwar nach Höhe des übermittelten CO2-Ausstoßes.

„Klima-Maut“ für alle Antriebsarten im Gespräch

Tatsächlich existieren Planspiele verschiedener grüner „Denkfabriken“ bezüglich einer Universalmaut, die zum Beispiel auf der internationalen Verkehrsministerkonferenz in Leipzig vorgestellt wurden. Das „International Transport Forum (ITF)“ sieht dabei eine Maut vor, die alle Fahrzeuge - in diesem Fall auch Elektroautos - umfasst und bei der jeder gefahrene Kilometer bezahlt werden müsste. Während Verbrenner per Datenüberwachung theoretisch direkt nach dem gespeicherten CO2-Ausstoß besteuert werden könnten, ist das bei E-Fahrzeugen nicht möglich, da der tatsächliche CO2-Fußabdruck je nach Stromerzeugung stark schwankt . Bei Ihnen wäre daher nur eine Besteuerung pro Fahrtstrecke praktikabel.