Ukraine-Krieg: Putin fordert von Kiew Rückzug aus vier Regionen und Nato-Verzicht

Unmittelbar vor dem Beginn eines Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz hat Russlands Präsident Wladimir Putin Bedingungen für einen Stopp der russischen Offensive genannt. Kiew müsse aus vier Regionan abziehen und auf einen Nato-Beitritt verzichten, sagte er. (NATALIA KOLESNIKOVA)
Unmittelbar vor dem Beginn eines Ukraine-Friedensgipfels in der Schweiz hat Russlands Präsident Wladimir Putin Bedingungen für einen Stopp der russischen Offensive genannt. Kiew müsse aus vier Regionan abziehen und auf einen Nato-Beitritt verzichten, sagte er. (NATALIA KOLESNIKOVA)

Unmittelbar vor dem Beginn einer Ukraine-Friedenskonferenz in der Schweiz hat Russlands Präsident Wladimir Putin Bedingungen für einen Stopp der russischen Offensive genannt. Sein Land werde "sofort, buchstäblich in derselben Minute, das Feuer einstellen und Gespräche aufnehmen", sollte sich die Ukraine aus vier von Russland besetzten Regionen zurückziehen und auf eine Nato-Mitgliedschaft verzichten, sagte Putin am Freitag in Moskau. Von der Ukraine, der Nato und den USA wurden die russischen Bedingungen umgehend zurückgewiesen.

"Die ukrainischen Truppen müssen vollständig aus der Volksrepublik Donezk, der Volksrepublik Lugansk, den Regionen Cherson und Saporischschja abgezogen werden", sagte der Kreml-Chef in der im Fernsehen übertragenen Ansprache vor Führungskräften im russischen Außenministerium. Russland strebe einen "neutralen, bündnisfreien, nicht-nuklearen Status der Ukraine, ihre Entmilitarisierung und Entnazifizierung an", fügte er hinzu.

Russland hat die genannten Regionen im Süden und Osten der Ukraine nach Beginn der Invasion im Jahr 2022 annektiert. Die Regionalhauptstädte von Cherson und Saporischschja befinden sich allerdings noch unter ukrainischer Kontrolle.

Putin sagte am Freitag, Moskau könne der Ukraine die "Souveränität" der südlichen Regionen Cherson und Saporischschja überlassen, "unter der Bedingung, dass Russland eine starke Landverbindung zur Krim hat". Militäranalysten gehen seit Langem davon aus, dass Russland eine "Landbrücke" zwischen dem eigenen Staatsgebiet und entlang der Südküste der Ukraine zur Halbinsel Krim kontrollieren will.

Kiew wies die Bedingungen Moskaus umgehend als "Augenwischerei" zurück. "Es gibt nichts Neues, keine wirklichen Friedensvorschläge und keinen Wunsch, die Kämpfe zu beenden", schrieb der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak im Onlinedienst X. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sprach in einem Interview mit dem Sender Sky TG24 am Rande des G7-Gipfels in Italien von einem "Ultimatum" und verglich Putins Vorgehen mit dem von Adolf Hitler im Zweiten Weltkrieg.

Der russische Präsident wolle, "dass wir einen Teil unseres besetzten Territoriums abtreten", sagte Selenskyj. "Hitler hat das gleiche gemacht, als er sagte 'Gebt mir einen Teil der Tschechoslowakei und wir beenden das Ganze', aber nein, das sind Lügen."

Das ukrainische Außenministerium erklärte, Putin habe die Äußerungen unmittelbar vor dem am Wochenende anstehenden Friedensgipfel in der Schweiz getätigt, weil "Russland Angst vor einem echten Frieden hat".

Scharfe Worte kamen auch von der Nato und aus den USA. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte zum Abschluss eines Verteidigungsministertreffens in Brüssel, die Bedingungen aus Moskau seien "kein Friedensvorschlag". "Dies ist ein Vorschlag für mehr Aggression, mehr Besatzung", betonte er. Ähnlich äußerte sich Pentagon-Chef Lloyd Austin. Putin habe völkerrechtswidrig ukrainisches Territorium besetzt und könne der Ukraine "nicht diktieren, was sie zu tun hat, um eine Lösung herbeizuführen".

Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, erklärte am Freitag, eine Ablehnung von Putins Forderungen nehme den Ukrainern "die wahre Chance auf Frieden".

Die Ukraine selbst hat für mögliche Friedensverhandlungen einen vollständigen Abzug der russischen Truppen von ihrem Staatsgebiet einschließlich der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim zur Bedingung gemacht. Ein Stopp der Kämpfe zu den Bedingungen aus Moskau wird von Kiew lediglich als Möglichkeit für Russland angesehen, seine Truppen neu zu gruppieren und für einen weiteren Angriff und die Einnahme des gesamten Landes in Stellung zu bringen.

Am Wochenende kommen in der Schweiz Vertreter von rund 90 Ländern und Organisationen zu einer Friedenskonferenz für die Ukraine zusammen. Präsident Selenskyj traf eigenen Angaben zufolge am Freitagabend am Tagungsort ein. Die zweitägigen Gespräche mit den Vertretern der Länder aus aller Welt eine das gemeinsame Ziel, "einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine herbeizuführen", schrieb er in einem Beitrag in Onlinemedien.

Russland ist nicht zu dem Gipfel eingeladen. Putin erklärte am Freitag, das Treffen diene dazu, von den wahren Verantwortlichen für den Konflikt abzulenken.

Unterdessen griffen sich die Ukraine und Russland in der Nacht zum Freitag erneut gegenseitig mit dutzenden Drohnen und Raketen an. In der Ukraine geriet besonders die östliche Region Donezk unter Beschuss. Nach Behördenangaben wurden mindestens neun Menschen verletzt, während in der russischen Grenzregion Woronesch ein Treibstofflager beschädigt wurde.

Russland startet fast jede Nacht massive Drohnen- und Raketenangriffe auf Städte in der Ukraine. Die Ukraine, die seit Februar 2022 gegen die russische Offensive kämpft, hat ihrerseits die Angriffe auf Ziele in Russland zuletzt verstärkt und dabei vor allem Einrichtungen der Energieinfrastruktur ins Visier genommen.

lt/ck