Ex-Wehrdienstverweigerer Klingbeil in ARD-Talk: "Dann würde ich auch zur Waffe greifen"
Lars Klingbeil wuchs als Soldatensohn in einer "Bundeswehrhochburg" auf. Warum er trotzdem verweigerte, weshalb ein Bundestagsoffizier seine erste Liebschaft beendete und wann er selbst zur Waffe greifen würde, hat der SPD-Chef nun im ARD-Talk "deep und deutlich" verraten.
Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine prägen auch den politischen Diskurs hierzulande Fragen nach Waffenlieferungen und der Einsatztüchtigkeit der Bundeswehr. "Das macht mir Sorgen", gab SPD-Chef Lars Klingbeil nun im ARD-Talk "deep und deutlich" zu: "Ich hätte nicht gedacht, dass meine Politikergeneration auf einmal diejenige ist, die sich ernsthaft wieder Gedanken um die Frage machen muss: Schaffen wir es, einen Krieg zu verhindern."
In diesem Zusammenhang halte er es für richtig, "die Bundeswehr hochzufahren", erklärte Klingbeil, um umgehend zu relativieren: "Alles nicht, weil ich will, dass wir das einsetzen. Aber ich glaube, dass Putin zu einem gewissen Maße nur die Sprache der Härte versteht."
Als Gastgeber Aurel Mertz Klingbeil nach seiner Meinung zu einer möglichen Wiedereinführung der Wehrpflicht fragte, äußerte der sich "zwiegespalten". Sowohl eine "Massenarmee" als auch einen "Zwangsdienst" fände der SPD-Mann falsch. Nach dem möglichen Härtefall gefragt, entgegnete Klingbeil: "Ich glaube, wenn ich mein Land verteidigen müsste, würde ich auch zur Waffe greifen."
"Du gehst joggen, und es steht ein Panzer im Gebüsch"
Entspannter war das Gespräch zuvor verlaufen, als Lars Klingbeil von seinem Aufwachsen in Munster berichtete. In der niedersächsischen Kleinstadt, von Mertz als "Bundeswehrhochburg" vorgestellt, sei es laut des Politikers normal gewesen, Soldaten in der Eisdiele oder im Supermarkt anzutreffen. "Du gehst joggen, und es steht ein Panzer im Gebüsch", erinnerte sich der 46-Jährige. Weiter schilderte er: "Munster ist umzingelt von Truppenübungsplätzen, und damals ist immer über die Stadt drübergeschossen worden."
Insofern habe er als Soldatensohn immer ein entspanntes Verhältnis zum Militär gehegt. Sein Vater aber habe "nie den militärischen Ton in die Familie hineingetragen", berichtete Klingbeil. Als er verweigert habe ("Für mich war es nie eine ernsthafte Option") und stattdessen den Zivildienst in der Bahnhofsmission von Hannover angefangen habe, sei deswegen "keine große Diskussion entbrannt".
Klingbeils erste Beziehung zerbrach an der Bundeswehr
Bei Freunden sei das mitunter anders gewesen: "Hätten die verweigert, wären sie daheim rausgeflogen." Einzig seine erste Beziehung zerbrach an der Bundeswehr, weil der Vater seiner damaligen Liebschaft diese "verboten" habe. Auch Klingbeils längere Haare und die Tatsache, dass er Sänger in einer Punkband war, hätten dazu beigetragen, vermutete er.
Die Zeit beim Zivildienst habe Lars Klingbeil derweil sehr geprägt, wie er ausführte - insbesondere die Gespräche mit den Suchtkranken und Obdachlosen. "Da waren Top-Anwälte dabei", erinnerte er sich an teils tragische Schicksale: "Das waren Leute, die hatten es eigentlich geschafft und sind dann komplett abgestürzt." Aus dieser Zeit habe er eine wichtige Lehre für sich gezogen: "Man muss jeden Tag genießen, den man vernünftig, wohlbehütet in dieser Gesellschaft hat."